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Recycling: Was passiert eigentlich jenseits der Mülltonne?

Aus den Augen, aus dem Sinn. Zwar sind die meisten Deutschen, was die korrekte Entsorgung ihres Mülls anbelangt, mittlerweile „gut erzogen“. Aber was mit dem Abfall passiert, wenn er erst mal im Müllwagen gelandet ist, wissen die wenigsten.

Ein hyraulisches Summen und unser Müll ist verschwunden – in diesem „Verschwindenlassen“ resultiert auch die Ansicht vieler, es gäbe beim Recycling nicht viel mehr zu tun.

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Deutschland ist Weltmeister! Nein, nicht im Fußball, aber an einem wichtige(re)n Punkt, denn wir sind Recycling-Weltmeister. Kein anderes Land hat einen höheren Recycling-Grad als unsere 65%.

Natürlich, 65% sind gut, aber absolut verbesserungswürdig. Und gerade was den Kunststoff anbelangt, sind wir auch nicht weltmeisterlich, sondern (im negativen Sinne) Verbrauchs-Europameister.

Ein nicht gerade kleiner Teil des Problems liegt daran, dass viele Normalverbraucher gar nicht so genau wissen, was mit ihrem Müll passiert, wenn die Tonne geleert wurde – und so eine etwas ungesunde Haltung im Sinne von „ich recycle, wie vorgegeben, also muss ich nichts ändern“ entwickelt haben.

Daher möchte der folgende Artikel etwas Aufklärung betreiben.

1. Papier

Egal ob Onlinekauf-Lieferschein, glänzender Produktkatalog oder brauner Karton. Bei uns landet alles, das im weitesten Sinn mit Papier zu tun hat, in einer gesonderten Tonne.

Wenn der Müllwagen deren Inhalt bei der Recycling-Firma abgeladen hat, liegt dementsprechend dort erst mal ein großer Berg Mischmaterial.

Der Knackpunkt beim Papier-Recycling ist es, die Müllmengen erst mal sortenrein nach Kartons, Zeitungspapier usw. zu trennen.

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Würde man das gleich aufbereiten, käme ein schmutzig-braunweißes Papier heraus, das kaum nutzbar wäre. Daher erfolgt das Recycling in mehreren Schritten:

  1. Alles, was kein Papier/Karton ist, aber diesen anhaftet, wird abgetrennt – etwa Büroklammern, Kunststoff-Adressaufkleber usw.
  2. Der Müll wird sortenrein getrennt. Kartons zu Kartons, dunkles Papier zu dunklem Papier usw. Daraus werden Ballen gepresst
  3. Die Ballen werden in einer Papierfabrik in Seifenwasser aufgelöst, bis sie zu einem dünnen Brei geworden sind. Dabei schwimmen Druckerfarben und andere verbliebene Fremdstoffe auf und werden abgefiltert
  4. Je nach Verwendungszweck wird der Brei entweder direkt gewalzt und zu neuem Papier gemacht, oder aber mit Neupapier vermengt und dann erst wieder gewalzt

2. Kunststoff

In der Theorie ist Kunststoff ein grandios recycelbares Material, denn es kann sehr häufig recycelt werden, ohne dass es Qualitätseinbuße gibt.

Tatsächlich ist Kunststoffrecycling jedoch auch der große Knackpunkt. Denn von den 21,8 Millionen Tonnen Kunststoff, die 2017 bei uns produziert wurden, waren nur 1,76 Millionen Tonnen recyceltes Material.

Fast die doppelte Menge wurde „energetisch verwertet“. Ein Euphemismus für „Verbrannt“. Der Rest wird zudem exportiert, etwa nach China – wo er zwar auch recycelt werden kann, aber nicht zwingend muss.  

Woran liegt das? Es gibt 14 Hauptgruppen der Kunststoffe. Sie alle werden im gelben Sack durcheinandergeworfen und sind zudem selbst innerhalb einer Gruppe oft unterschiedlich – etwa durch Färbung oder einen mehr oder weniger hohen Anteil von Weichmachern.

Diese Vielfältigkeit macht es unheimlich aufwendig und teuer, Kunststoffe so sortenrein zu trennen, dass sich ein Recyclingprodukt mit konstanten Eigenschaften herstellen lässt.

Daher ist die Verbrennung die leider momentan häufig wirtschaftlichste Lösung – weil Kunststoffrecycling durch den Aufwand vielfach teurer ist als die Neuproduktion; erst recht bei niedrigen Ölpreisen.

Kunststoff lässt sich nur ohne Qualitätseinbuße recyceln, wenn er sortenrein ist. Sehr schwer. Daher ist hier auch Handarbeit vonnöten.

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Doch wie sieht denn ein optimales Recycling dieser 1,76 Millionen Tonnen aus?

  1. Der Kunststoffmüll, wird zunächst von den anderen Gelbtonnen-Materialien (etwa Blechdosen), dann nach Art getrennt (letzteres geschieht durch Infrarot-Sensoren, weil jeder Kunststoff Licht anders reflektiert)
  2. Der Kunststoff wird zu Ballen gepresst und in ein Werk transportiert
  3. Die Ballen werden in mehreren Stufen zu feinen Flocken geschreddert und dabei abermals von Fremdstoffen gereinigt
  4. Die Flocken werden mit Wasser gereinigt

Sortenreine Kunststoffe können dann einfach durch Wärme geschmolzen und durch die diversen Kunststoff-Produktionsverfahren direkt zu neuen Materialien gemacht werden.

Bei Mischstoffen kann indes versucht werden, sie durch chemische Verfahren wieder in ihre petrochemischen Urzustände zurückzuversetzen – bloß ist das eben noch teurer und benötigt noch mehr Energie.

Egal, wie das Innenleben chemisch aussieht, außen sehen alle Batterien gleich aus. Daher muss hier auch High-Tech zum Sortieren verwendet werden.

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3. Batterien

Batterie ist nicht gleich Batterie. Neben der Einteilung in „normale“ Batterien und Akkus kommt auch noch hinzu, dass in beiden Gruppen unterschiedliche Verfahren mit unterschiedlichen Materialien zum Einsatz kommen.

Das lässt sich durch einen Blick auf die aufgedruckte Symbolik jedes Stromspeichers erkennen. Steht da beispielsweise „Pb“, bedeutet das, dass die Batterie mehr als 0,004 Masseprozent Blei enthält. Zudem steht da auch das Kürzel, welches auf die Art der Batterie Hinweise gibt – etwa NiCd für einen Nickel-Kadmium-Akku.

Abermals besteht hier das Problem darin, dass gleich aussehende Batterien unterschiedlichster Systeme gebündelt gesammelt werden, beispielsweise in den Boxen, die in Supermärkten stehen.

Doch auch hier gibt es wieder den Idealweg, das sogenannte SORBAREC-Röntgenverfahren. Dieses System kann durch Röntgen-Durchleuchtung Batterien nach ihrem chemischen Aufbau sortieren und so dafür sorgen, dass Sortenreinheit gewährleistet wird.

Wie die jeweilige Batterie recycelt wird, hängt jedoch von ihrer Bauart ab:

  • Nickel-Cadmium-Akkus werden in einem Vakuum-Destillationsofen unter Luftabschluss so erhitzt, dass das Cadmium verdampft. Das übrigbleibende Gemisch aus Nickel und etwas Eisen wird entweder weiter getrennt oder in der Stahlherstellung als Legierungsmaterial eingesetzt.
  • Zink-Kohle sowie Alkali-Mangan-Batterien („Alkaline“, die meistgenutzten Einwegbatterien) durchlaufen in einem Hochofen einen speziellen Prozess, das „Imperial-Smeltering-Verfahren“. Vereinfacht ausgedrückt wird der Batterieschrott erhitzt, bis das Zink verdampft. Diesem Dampf wird flüssiges Blei zugesetzt, der dafür sorgt, dass das Zink aus dem Abgas abgetrennt wird – es kann dann durch abermaliges Erhitzen der Legierung sortenrein abgeschöpft werden.

Der Vorteil ist, dass all diese Verfahren, so energieintensiv sie auch sind, sehr reine Recyclingmaterialien hinterlassen. Und alles, was an Reststoffen übrigbleibt, wird in der Stahlherstellung verwendet.

Bedeutet also: Batterie-Recycling führt nur teilweise zu neuen Batterien, aber zu einem hohen Gesamt-Recyclinggrad.

Dem Hochofen ist es egal, ob er alte Getränkedosen einschmilzt oder Autos. Stahlblech ist Stahlblech – und erstklassig recycelbar.

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4. Dosen

Ganz gleich ob Ravioli-Dosen oder Metalldeckel von Einmachgläsern im gelben Sack oder Getränkedosen, die über das Dosenpfandsystem auf anderem Weg entsorgt wurden. Was Metall anbelangt, können wir auf einen sehr ausgereiften Recyclingprozess blicken:

  1. Die Metalle, die im gelben Sack / der gelben Tonne angeliefert wurden, werden vom Kunststoff getrennt. Für eisenhaltige Metalle (Weißblech) geht das durch starke Magneten, für Aluminium durch Wegblasen leichterer Bestandteile bzw. manuelles Sortieren.
  2. Die Materialien werden zu großen Schrottblöcken gepresst.
  3. Weißblech wird bei 1600°C, Aluminium bei 670°C in einem Ofen eingeschmolzen. Druckfarben und andere Stoffe verbrennen dabei; falls es sich um Legierungen handelt, trennen sich die Metalle aufgrund unterschiedlicherer Dichten in der Schmelze und können so abgetrennt werden.

Übrig bleiben dann hochreine Materialien, die entweder zu großen Barren gegossen werden, welche dann für neue Metallprodukte zur Verfügung stehen, oder aber ohne diesen Zwischenschritt gleich weiterproduziert werden.

Dabei sind Dosen deshalb eines der besten Recycling-Materialien, weil sie sich unbegrenzt häufig wiederverwenden lassen, ohne dass es zu Einbußen in der Qualität des neuen Produkts kommt.

Bei Einwegflaschen hängt alles am Verbraucher: Je farblich sortenreiner man entsorgt, desto höher ist der Recyclinggrad.

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5. Glas

Allen bisherigen Stoffen gemein war, dass Recycling bei ihnen immer bedeutet, dass sie durch mehr oder weniger aufwendige Schritte wieder in ihre Ursprungsmaterialien zurückverwandelt werden müssen.

Beim Glas hingegen ist das nur eine Option von zweien, denn es gibt natürlich Ein- und Mehrwegflaschen. Sie unterscheiden sich darin, wie recycelt wird:

Mehrwegflaschen:

  1. Die leeren Glasflaschen werden vom Händler meist an ein Zentrallager überführt, etwa einen Groß-Getränkelieferanten. Von dort aus werden sie wiederum an die Abfüller bzw. Getränkehersteller geliefert – so wie sie abgegeben wurden.
  2. Die Flaschen werden in aufwendigen Prozessen chemisch gereinigt. Dabei kommt heiße Natronlauge zum Einsatz, die auch dafür sorgt, dass Etiketten und deren Kleber abgetrennt werden
  3. Sie durchlaufen ein Desinfektionsbad, welches sämtliche Keime, welche die Natronlauge überlebt haben könnten, abtötet.
  4. Die Flaschen werden mit Trinkwasser gespült

Übrig bleibt eine blitzsaubere Flasche, die direkt neu befüllt werden kann.

Einwegflaschen:

  1. Der farblich vorsortierte Glasschrott wird in einem Brecher zu zentimetergroßen Scherben zerkleinert
  2. Die Scherben werden maschinell und manuell nachsortiert, um etwa Grün- aus Weißglasscherben abzutrennen
  3. Etwaige Metalle und andere Fremdstoffe, die zu leicht oder zu schwer sind, werden abgetrennt
  4. Die Gläser werden sortenrein in Weiß-, Grün-, Braun- und Buntglas sortiert und zu den Glasherstellern geliefert

Dann wird es abermals heiß: Die Scherben werden in einem Hochofen eingeschmolzen und dann in mehreren maschinellen Schritten wieder zu Flaschen gemacht – bei Weißglas besteht zudem auch die Option, es zu Fensterscheiben und Ähnlichem zu machen.

Fazit

Was unser Verbraucherverhalten hinsichtlich des Wegwerfens anbelangt, kann man die Deutschen durchaus loben. Allerdings bedeutet Recycling immer, dass Geld und Energie investiert werden müssen, selbst wenn das Verfahren noch so perfekt funktioniert.

Der beste Müll ist nach wie vor der, der gar nicht erst produziert wird. Und da gibt es bei uns allen noch viel Nachholbedarf – der bei einwandfreier Ausführung auch den Vorteil hätte, dass die Verfahren, die verbesserungswürdig sind, sorgsamer durchdacht werden können, als wenn Millionen von Müll-Tonnen eilig auf Recycling warten.

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