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Smartglas – ein Trend in der Glasverarbeitung und -veredelung

Innovative Lösungen aus veredeltem Spezialglas sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Ob im Dienst für Sicherheit und Komfort im Straßenverkehr oder als Sonnenschutz mit reflektierender Beschichtung bei hoher UV-Einwirkung – das Portfolio an Einsatzzwecken ist groß. Und selbst unter dem Schlagwort vom „Intelligenten Glas“ firmieren verschiedene Technologien und Anwendungsszenarien. Was hat es mit dem High-Tech-Glas auf sich?

Lichtdurchlässigkeit auf Knopfdruck ändern? Intelligentes Glas macht's möglich.

pixabay, MichaelGaida (CC0 1.0)

Im Winter warm und im Sommer kühl

Als innovativer Werkstoff im Wandel der Zeit, unterliegt Glas verschiedensten Anforderungen und Ausprägungen. Der Werkstoff vereint zahlreiche positive und nützliche Eigenschaften in sich und ist vielseitig einsetzbar. So etwa im Bereich Wärmeschutz, wo in der Isolierglasfertigung Trends mit der Entwicklung von thermoplastischen Abstandhaltern gesetzt wurden, um den Raum passiv zu heizen und gleichzeitig wärmedämmend zu wirken. Allerdings kann eine hohe Sonneneinstrahlung bei sommerlichen Temperaturen Treibhauseffekte verursachen.

Die intelligente Lösung des Problems: Moderne, intelligente Flachglas-Systeme sind per Knopfdruck elektronisch dimmbar. Sogenanntes elektrochromes Glas oder EC-Glas dunkelt sich wie eine virtuelle Sonnenbrille bei höherer Sonneneinstrahlung ab, indem sich bei höherer Sonneneinstrahlung das äußere Glas blau einfärbt, ohne an Transparenz zu verlieren. Zudem bietet das gedämmte Glas Schutz vor unerwünschten Einblicken, ohne dass der Lichteinfall reduziert wird.

Elektrisch schaltbar

Um Glas elektrisch konfigurierbar machen zu können – der Grad an Lichtdurchlässigkeit wird durch Anlegen einer Spannung modulierbar – ist eine Floatglas-Scheibe zum Innenraum hin Voraussetzung, versehen mit einer Wärmedämmschicht. Moderne industrielle Fertigungsverfahren und -techniken stellen dabei mittlerweile optimale Produktionsbedingungen für Herstellung und Schnitt bei Float-und Gussglas zur Verfügung.

So vermeiden hochtechnologische Glasschneideanlagen etwa ein Berühren der notwendigen, intelligenten Beschichtung von Verbund- und Floatglas-Scheiben während des gesamten Spann- und Trennvorgangs. So kann eine Beschädigung der Beschichtung ausgeschlossen werden.

Auch erlauben moderne Zuschnitt-Technologien selbst bei Flachgläsern mit hohem Beschichtungsanteil das Zusammenfassen mehrerer Arbeitsschritte in einem Arbeitsgang (Schleifen, Schneiden), in eng getaktetem Zeitfenster. Ohne jene moderne Verarbeitungstechnik wären intelligente Smartglas-Systeme nicht wirtschaftlich und unter modernen Wettbewerbsvoraussetzungen realisierbar.

Kombiniert wird das System anschließend mit einem an der Außenseite befindlichen elektrochromen Verbundaufbau aus zwei weiteren Scheiben, deren Innenseite jeweils mit hauchdünnen Oxidbeschichtungen – in der Regel Wolframoxid - ausgestattet ist. Sie sind in der Lage, Ionen aufzunehmen, und sie bei Bedarf auch wieder abzugeben.

Lithiumionenleitfähige Polymerfolie

Zwischen den Scheiben ist eine lithiumionenleitfähige, beschichtete Folie platziert. Bei Knopfdruck entsteht eine elektrische Spannung (bis zu fünf Volt) die den Ionenaustausch aktiviert. Dadurch verfärbt sich die Glaseinheit in einen Blauton und vermindert damit die Lichtdurchlässigkeit der Verglasung. Die Energieemission wird wirkungsvoll gedrosselt.

Bei der Nanotechnologie wird das Glas mit bis zu fünf Beschichtungslagen versehen, die eine Gesamtstärke von oftmals weniger als ein Fünfzigstel eines menschlichen Haares aufweisen. Die Lagen des transparenten Leiters umschließen dabei die elektrochrome Schicht, den Ionenleiter und die Gegenelektrode. Die leitfähige Schicht sorgt für die Tönung des Glases.

Durch die positive Niederspannung am transparenten Leiter, der die Gegenelektrode berührt, wandern die Lithium-Ionen und Elektronen durch den Ionenleiter in die elektrochrome Schicht, womit sich die Beschichtung in einer Redoxreaktion verdunkelt.

Eine Dimm-Schaltung ermöglicht eine freie Wählbarkeit in den Abstufungen. Damit ist eine optimale Abstimmung der intelligenten Verbund-Flachgläser auf den jeweiligen Lichteinfall gewährleistet. Der Umstellungsprozess von transparent zu blau nimmt in etwa rund zehn Minuten in Anspruch, bei einer Fenstergröße von einem Meter im Quadrat.

Zusätzlich können elektrochrome Verbundglasscheiben mit weiteren Features ausgestattet werden. Erwähnt ist bereits eine mögliche Funktion als Sichtschutz, indem sich das Glas je nach Spannung selbst eintrüben und beschatten kann.

Die Einsatzmöglichkeiten von elektrochromen Gläsern beschränken sich im Moment noch auf geneigte und vertikale Fassaden, vor allem in horizontalen Dachverglasungen.

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Intelligente Flachgläser mit Flüssigkristallschichten, Mikrokapseln und Wendemechanismus

Eine Variante der EC-Technik stellt modernes LC-Glas (Liquid- oder PDLC-Glas dar, bei der eine Schicht aus Flüssigkristallen in die leitenden Folien zwischen zwei Flachglasscheiben des Glasverbunds integriert wird. Dabei befinden sich die Kristalle in einem geordneten System, solange Strom durchgeleitet wird. Unterbricht die Stromzufuhr, löst sich die Kristallordnung in ein ungeordnetes Nebeneinanderher der Kristalle auf, die Scheibe wird undurchsichtig, beziehungsweise gedimmt.

Wesentlicher wirtschaftlicher Nachteil von PDLC-Glas besteht allerdings in einem weitaus höheren, weil ständigen Strombedarf gegenüber elektrochromem Glas, bei dem nur Energie beim Dimm- und Transparenzprozess selbst benötigt wird. Unterliegt EC-Glas keiner elektrischen Spannung, behält das schaltbare Glas die aktuelle Farbe solange, bis ihm wieder Strom zugeführt wird.

Intelligente Alternativen zu EC- und LC-Glassystemen, die auf Temperaturen reagieren, setzen etwa auf das Einbringen einer Harzschicht in Sandwich-Technik zwischen Verbund-Flachgläsern: Spezielle integrierte polymere Mikrokapseln sorgen bei Wärmeanstieg für eine Zustandsveränderung der eingelagerten Schicht, die in modifiziertem Lichtstreuungs-Verhalten und Dimmung resultiert. Jedoch ist bei dem System keine manuelle Kontrolle möglich, auch ist das entsprechende Glas nicht als Sichtschutz geeignet.

Speziell ausgeführte Wendefenster sind eine weitere Möglichkeit, smarte Gläser zu nutzen. In einem charakteristischen Rahmen befestigt, lässt sich die Scheibe bei geschlossenem Flügel drehen. So werden entsprechende Lichteinfallwinkel erzeugt, die für Sommer wie auch Winter entsprechende Energiedurchlassgrade besitzen – zum optimalen Aufhalten der Wärme beziehungsweise Nutzung als Energielieferant.

Die Sommerseite verfügt über einen Energiedurchlassgrad von 0,39 und lässt so nur 40 Prozent der Wärme nach innen. Dagegen verfügt die Winterseite über einen Energiedurchlassgrad von 0,65 und nutzt somit 65 Prozent der Sonnenenergie als Wärmelieferant aus.

Fazit: Teurer Beitrag zum Umweltschutz zahlt sich aus

Gerade im Haus- und Wohnungsbau als integraler Bestandteil von Smart-Home-Lösungen können elektrochrome Flachgläser einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz leisten, indem sie im Winter Heizkosten reduzieren helfen und das so eingesparte CO2 der Umwelt zugutekommt.

Denn: LC- und EC-Glas wirken sich im Winter als Wärmeschutzglas und im Sommer als Sonnenschutz- bzw. Klimaschutzglas aus. Beide reduzieren Energiekosten, die für Heizen im Winter und Kühlen im Sommer anfallen würden und sorgt bei Bedarf zusätzlich für schaltbaren Sichtschutz.

Intelligente Glaslösungen setzen wirkungsvoll an der unwiderlegbaren Tatsache an, dass Fenster großen Einfluss auf Energiebedarf und Raumkomfort von Gebäuden haben. Smartglas-Konzepte helfen maßgeblich, einwandfreien Sonnen- und Blendschutz zu bieten und gleichzeitig zur energetischen Optimierung beizutragen. Intelligente Verglasung hilft Kosten einzudämmen und Geld zu sparen, denn schaltbare Fenster-Beschichtungen regeln den Licht- und Energieeintrag in Gebäuden erheblich.

Trotz vergleichsweise hoher Anschaffungskosten erscheint eine Umrüstung daher langfristig als lohnenswert, da der Stromverbrauch des EC-Fensters wesentlich niedriger als der einer Klimaanlage ausfällt. Experten gehen jedoch davon aus, dass es jedoch auf Grund der hohen Investitionskosten noch einige Zeit dauern wird, bis schaltbare Gläser großflächig zum Einsatz kommen – und sich letztlich in ferner Zukunft auch im privaten Fensterbau endgültig durchsetzen werden.

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