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Das Spiel mit dem kalten Feuer

Normalerweise benutzen wir die Hitze des Feuers, um uns aufzuwärmen, Würstchen zu grillen oder Eisen und Glas herzustellen. Allerdings ist nicht jedes Feuer heiß. Was steckt dahinter? Was macht dieses kalte Feuer besonders? Und was haben Automotoren damit zu tun?
SSC, 03.04.2025
Unusual "cool flames" discovered aboard International Space Station
Zündeln auf der ISS: Die Gas brennt in dem Experiment zunächst mit normaler Intensität (links), bevor die heißen Flammen ozillieren und erlöschen. Die anschließend brennende kalte Flamme (rechts) war so matt, dass sie nur mit einer Spezialkamera erfasst werden konnte.

© NASA

Damit Feuer entsteht, braucht es einen brennbaren Stoff wie Holz, ein Oxidationsmittel – meistens Sauerstoff – und Zündenergie, beispielsweise in Form von Wärme. Feuer ist heiß, weil die Verbrennung Energie freisetzt. Das liegt daran, dass Sauerstoff eine eher schwache Bindung hat. Wenn Sauerstoff mit dem Brennstoff reagiert, entstehen neue, stabilere Verbindungen wie Kohlendioxid und Wasser. Dieser Vorgang setzt Wärme frei, die wir als Hitze spüren. Aber was, wenn das Feuer nicht heiß ist?

Streichholz bleibt aus und Finger bleibt heile

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts experimentierte der britische Chemiker Sir Humphry Davy mit der Verbrennung von Gasgemischen. Es war dunkel in seinem Labor. Auf einmal bemerkte er jedoch etwas Ungewöhnliches: Wenn er einen Draht aus Platin in ein Gemisch aus Luft und Diethyletherdampf hielt, „ist über dem Draht ein blasses, phosphoreszierendes Licht zu sehen“, wie Davy in seinen Aufzeichnungen festhielt. Auf den ersten Blick sieht es für ihn aus wie eine Flamme.

Als Davy ein Streichholz in die vermeintlich heiße Flamme hält, entzündet es sich nicht. Verwundert fasst er in die Flamme, doch zu seiner Überraschung bleiben seine Finger unversehrt. Dieses Licht ist offenbar nicht so heiß wie „normales“ Feuer. Der Chemiker bemerkt jedoch auch, dass sich diese „kalten Flammen“ spontan in normale, heiße Flammen umwandeln kann.

Wenn Temperatur, Druck und Zusammensetzung des Gasgemisches in einem bestimmten Bereich lagen, war auch kein Funken oder heißer Draht nötig, um das kalte Feuer zu entzünden. Aber wie kann das sein?

Ziemlich schwach

Die von Davy beobachteten kalten Flammen entstehen, wenn Kohlenwasserstoffe und ähnliche Brennstoffe mit Luft reagieren – und das sogar schon bei Temperaturen von nur 120 Grad Celsius. Zum Vergleich: Streichhölzer benötigen Temperaturen von etwa 180 bis 200 Grad Celsius, um sich zu entzünden. Kalte Flammen erzeugen dadurch nur sehr wenig Wärme und erwärmen ihre direkte Umgebung um nur zehn Grad. Deswegen verbrannte sich Davey auch nicht die Finger, wenn er das kalte Feuer anfasste.

Zusätzlich haben die Brennstoff- und Sauerstoffmoleküle bei solchen verhältnismäßig niedrigen Temperaturen nur wenig Energie und reagieren deswegen nur schwach -  es kommt nie zu einer vollständigen Verbrennung. Stattdessen zerfallen die Moleküle und rekombinieren sich zu stabilen chemischen Verbindungen wie Alkoholen, Peroxiden, Aldehyden oder Kohlenmonoxid.

Kalte Flammen im Alltag

Aber gibt es solches kaltes Feuer auch im Alltag? Ja, denn kühle Flammen sind unter anderem für das schädliche Klopfen im Ottomotor von Autos verantwortlich. Damit der Motor arbeiten kann, verdichten die Kolben das unverbrannte Kraftstoff-Luft-Gemisch. Mit Hilfe eines Funkens der Zündkerze entsteht eine kleine Explosion, die den Kolben schlagartig nach unten drückt.

Es kann jedoch vorkommen, dass die chemischen Reaktionen dabei schneller Wärme freisetzen, als im Motor abgeleitet werden kann. Dann kann sich das Gemisch in Form von kalten Flammen selbst entzünden, ohne Hilfe der Zündkerze. Dies verursacht Druckunterschiede, die dann das Klopfen erzeugen.

In Davys Experiment und im Ottomotor sind Brennstoff und Luft bereits vermischt, bevor sie sich entzünden. Wissenschaftler sprechen dann von einer vorgemischten Flamme. Lange Zeit gingen Forschende davon aus, dass kühle Flammen nur in solchen vorgemischten Gasen entstehen können. Stimmt das?

Auf der ISS brennt es kalt

Kalte Flammen können tatsächlich auch entstehen, wenn Brennstoff und Luft zunächst getrennt sind, wie Forschende der NASA im Jahr 2012 auf der Internationalen Raumstation (ISS) demonstriert haben. Dabei diffundieren Brennstoff und Luft zueinander.

Ein Forschungsteam um Peter Sunderland von der University of Maryland ging jedoch noch einen Schritt weiter: Sie erzeugten auf der ISS kühle Flammen mit Hilfe von gasförmigem anstelle von flüssigem Brennstoff. Die gasförmigen Moleküle sind kleiner, das hilft Forschenden, das kalte Feuer besser zu erforschen.

„Bei großen Molekülen ist es viel schwieriger, die grundlegende Chemie zu verstehen“, erklärt Sunderland. „Kleinere Moleküle wie Butan und Propan bieten ein einfacheres System, mit dem man arbeiten kann. Benzin ist ein wirklich komplexer Kraftstoff, daher ist ein gutes Verständnis der leichteren Kohlenwasserstoffe der erste Schritt.“

Symbolbild Verbrennungsmotor
Die Temperatur spielt bei Verbrennungsmotoren eine entscheidende Rolle – sowohl für die Effizienz des Motors als auch für die Entstehung von Schadstoffen.

© yucelyilmaz, iStock

Vom Lästigen zum Nützlichen?

Die bei solchen Versuchen gewonnenen Erkenntnisse könnten dabei helfen, die Emissionen von Motoren und den Verschleiß von Motorteilen zu reduzieren und die Kraftstoffeffizienz zu erhöhen. Denn: Normale Automotoren haben einen Wirkungsgrad von nur etwa 35 Prozent. Das heißt, nur 35 Prozent der dem Motor zugeführten Energie werden in die gewünschte Energieform umgewandelt. Die meiste restliche Energie geht als Wärme verloren. Autos müssen den Motor so sogar zusätzlich kühlen, um die entstandene Wärme abzuleiten.

Das Ziel der Entwickler besteht aber nicht darin, den Motor mit tatsächlich kühlen Flammen zu betreiben, sondern darin, mit Hilfe der Kalte-Flamme-Chemie eine zusätzliche Luftzufuhr zur Verbrennung zu ermöglichen. Gelänge es, die gleiche Menge an Kraftstoff durch den Motor zu leiten, jedoch mit doppelt so viel Luft, würde der Motor deutlich kühler laufen.

„Wenn wir die Chemie der kalten Flammen beherrschen, könnten wir theoretisch den Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren von 35 Prozent auf bis zu 60 Prozent steigern“, sagt Sunderland. „Viele große Automobilhersteller versuchen jetzt, die kalten Flammen zu verstehen, um ihre Technologie zu verbessern.“ In der Zukunft könnten die einst lästigen kalten Flammen so dabei helfen, Automotoren effizienter zu machen.

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