wissen.de Artikel

Wie gefährlich ist das Vogelgrippevirus H5N1?

Millionen Vögel sind bereits an einem hochpathogenen Stamm des Vogelgrippevirus H5N1 gestorben. Inzwischen befällt die Virusvariante immer häufiger auch Säugetiere. Zuletzt sorgten Berichte über infizierte Milchkühe und Delfine in den USA für Aufsehen unter Experten. Kann das Virus auch auf Menschen überspringen? Wie beurteilen Gesundheitsbehörden und Virologen das Risiko für eine weitere Ausbreitung der Pandemie?
CKR, 02.05.2024
Vogelgrippeopfer - toter Basstölpel an einem Strand der irischen Küste

© Basstölpel: Derick Hudson, iStock.com; Lupe: CDC

Grippeviren befallen nicht nur uns Menschen, sondern regelmäßig auch andere Tiere. Zu den Influenzaviren zählen auch mehrere Varianten der Vogelgrippe. Weltweit verbreitet ist inzwischen unter anderem das ursprünglich aus Asien stammende Vogelgrippevirus H5N1, von dem verschiedene Mutanten kursieren. Ein besonders tödlicher, hochpathogener Stamm dieses H5N1-Virus hat seit 2021 bereits Millionen Wildvögel und Nutztiere getötet. Sogar bis in entlegene Regionen wie der Antarktis ist dieser Virenstamm vorgedrungen, wahrscheinlich über Zugvögel.

Inzwischen sind nicht mehr nur Vögel, sondern auch diverse Säugetierarten von dem hochpathogenen Influenzastamm betroffen – sowohl in freier Wildbahn als auch in Ställen. Berichte von solchen Artsprüngen gibt es beispielsweise von Mardern, Füchsen, Stinktieren, Nerzen und anderen fleischfressenden Landtieren, aber auch von Meeressäugern. Experten fürchten daher, dass dieser Virenstamm auf weitere Säugetiere oder gar auf den Menschen überspringen könnte und sich die Pandemie weiter ausbreitet.

Erstmals auch Milchkühe mit H5N1 infiziert

Für Aufsehen sorgt derzeit eine laufende Untersuchung von Milchkühen in den USA. Wie das US-Landwirtschaftsministerium mitteilte, sind in den USA aktuell mindestens 34 Herden in neun Bundesstaaten mit H5N1-Viren der hochpathogenen Klade 2.3.4.4b infiziert. Die Kühe zeigen eher milde Symptome wie verminderten Appetit und geben weniger Milch. In der getesteten Supermarktmilch fand die US-Gesundheitsbehörde FDA bislang bei 20 Prozent der Proben Bestandteile des Vogelgrippevirus H5N1.

Das Neue daran: Rinder galten bisher nicht als Wirt des Vogelgrippevirus. Wie dieses auf die Kühe übertragen wurde, ist nicht eindeutig geklärt. Erste Hinweise deuten auf eine einmalige Infektion einer Kuh durch einen kranken Vogel hin. Die weiteren Kühe könnten sich dann über die Atemwege oder beim Melken über das Euter untereinander mit dem Virus infiziert haben, etwa über kontaminierte Melkgeräte. Sollte sich dies bestätigen, könnte dieser Stamm von H5N1 Fähigkeiten besitzen, die ihm eine Übertragung von Säugetier zu Säugetier ermöglichen.

Milchkühe im Stall
Für Aufsehen sorgte kürzlich eine Untersuchung von Milchkühen in den USA, bei der das Vogelgrippevirus H5N1 gefunden wurde.

© Grafissimo / iStock.com

Vogelgrippe trifft auch Delfine und Robben

Neben den jüngsten Fällen in Kühen lassen noch weitere Funde des H5N1-Virus bei Säugetieren Virologen aufhorchen. Ein Forschungsteam aus Florida entdeckte beispielsweise 2022 einen verirrten Delfin, der sich mit dem Vogelgrippe-Erreger angesteckt hatte und kurz darauf starb. Sein Gehirn und seine Lunge waren ebenfalls mit dem Subtyp 2.3.4.4b des Vogelgrippe-Virus H5N1 infiziert, wie nachfolgende Analysen ergaben. Andere Forschungsteams hatten in den vergangenen Jahren auch schon vereinzelt von Meeressäuger-Infektionen mit dem Subtyp 2.3.4.4b des H5N1-Virus berichtet. Betroffen waren verschiedene Delfin- und Robbenarten in Süd- und Nordamerika und Europa.

Wie bei den Kühen ist auch bei den Delfinen noch unklar, wie sie sich mit der Vogelgrippe angesteckt haben. Die Forschenden vermuten einen Infektionsweg der Delfine über lokale Vogel- und Robbenpopulationen. Genomanalysen aus Florida konnten diese Theorie jedoch bislang nicht bestätigen: Es zeigte sich kein genetischer Hinweis auf die Herkunft oder die Infektiosität des Virus. Auch Mutationen, die auf eine Anpassung des Virus an Meeressäuger hindeuten, fanden sich bisher nicht.

Können sich Menschen mit H5N1 anstecken?

Auch für den Menschen können die hochpathogenen H5N1-Viren theoretisch zur Gefahr werden. Gesundheitsbehörden wie die Weltgesundheitsorganisation WHO und die United States Centers for Disease Control and Prevention (US CDC) stufen das derzeitige Gesundheitsrisiko von H5N1-Viren für den Menschen allerdings als noch relativ gering ein. Eine Gefahr für den Menschen durch kontaminierte Milch von Kühen besteht nicht, weil das Virus bei der Pasteurisierung abgetötet wird.

Dieses Vogelgrippevirus ist zwar grundsätzlich auch auf den Menschen übertragbar und kann bei uns zu milden bis schweren Atemwegserkrankungen oder gar zum Tod führen. Eine Infektion von Menschen durch Vögel oder Kühe ist jedoch bisher eher selten. Seit 2003 wurden der WHO nur rund 890 Fälle weltweit gemeldet. Eine direkte Übertragung der Vogelgrippe-Variante H5N1 von Mensch zu Mensch ist zudem nach jetzigem Wissensstand nicht möglich.

Wie lässt sich die Gefahr der Vogelgrippe eindämmen?

Bedrohlich sind die Vogelgrippe-Viren des hochpathogenen H5N1-Stamms weiterhin vor allem für die Geflügel- und Wildvogelbestände weltweit. Infizierte Vögel sterben nahezu sicher daran. Trotz der Fähigkeit des Virenstammes, auch Säugetiere zu infizieren, wurden bislang keine Mutationen in den Viren gefunden, die auf eine neu erworbene Anpassung an Säugetiere hindeuten. Bisher ist H5N1 „maximal an den Vogel angepasst“, sagt der Virologe Martin Beer vom Friedrich-Loeffler-Institut. „Für eine Übertragung auf den Menschen muss das Virus einige Hürden überwinden, weil wir zum Beispiel eine wirksame angeborene Immunität gegen solche Influenzaviren besitzen.“

Um die weitere Entwicklung und Verbreitung des H5N1-Virus im Blick zu behalten, empfehlen Forschende, tote Vögel und gestrandete Meerestiere standardmäßig auf Vogelgrippe zu testen. Auch Milchkühe sollten regelmäßig getestet werden. Das US-Landwirtschaftsministerium hat inzwischen eine entsprechende Verordnung erlassen. Forschende raten auch für Europa zu einer engmaschigen Überwachung. Denn mit jedem erkrankten Tier, das in engerem Kontakt zu Menschen steht, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung des H5N1-Virus auf den Menschen.

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus der Wissensbibliothek

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon