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Die unterschätzte Gefahr: Giftiges Kohlenmonoxid dringt durch jede Wand
Aber was macht dieses Gift so gefährlich? Nicht nur, die Problematik, dass das Atemgift geruchslos und nicht zu sehen ist, erschwert es die Gefahr zu erahnen: Wissenschaftler untersuchten nun auch die Durchlässigkeit von Kohlenmonoxid durch Wände unterschiedlicher Baustoffe und kamen zu alarmierenden Ergebnissen.
Unbemerkt vergiftet
Kohlenmonoxid (CO) ist ein gefährliches Atemgift, das man weder sehen, riechen noch schmecken kann. Abhängig von der Konzentration in der Raumluft führt CO zu erheblichen gesundheitlichen Beschwerden, Bewusstlosigkeit und unentdeckt sogar zum Tod. Bereits in geringen Dosen über einen längeren Zeitraum kann Kohlenmonoxid zu einer chronischen Vergiftung führen.
Das Problem: Kohlenmonoxid wird vom menschlichen Blut stärker und besser gebunden als Sauerstoff. Es besetzt die Andockstellen für Sauerstoff im Blut und behindert die lebensnotwendige Sauerstoffversorgung der Körperzellen. Der Sauerstoffmangel lässt sich nur beheben, indem Betroffene frühzeitig weit entfernt von der CO-Quelle eine Sauerstoffüberdruckbehandlung bekommen, damit die roten Blutkörperchen nur noch an Sauerstoff binden können und nicht mehr an das Kohlenmonoxid. Außerdem sollten alle Körperfunktionen beobachtet werden, um Folgeschäden wie Herzprobleme, Gedächtnisstörungen oder Psychosen auszuschließen.
Das giftige Gas entsteht bei der unvollständigen Verbrennung kohlenstoffhaltiger Kraft- und Brennstoffe bei geringer Sauerstoffzufuhr. Ursachen für eine erhöhte CO-Konzentration in Räumen können sowohl technische Defekte, mangelnde Wartung oder Manipulationen an Feuerungsanlagen - wie Heizpilzen zum Beispiel - sein. Auch durch verstopfte Schornsteine und Abgasanlagen von Gasthermen, Ölheizungen oder Kaminöfen kann CO in die Raumluft gelangen. Mittlerweile sind auch Fälle von Vergiftungen in Shisha-Bars keine Seltenheit mehr. Wird in den Lokalen rund um die Uhr die Wasserpfeifenkohle verbrannt, treibt das den Gehalt an Kohlenmonoxid auf Dauer in die Höhe. Bei der Verbrennung der Kohle entsteht nämlich das unsichtbare Gift.
Keine Wand ist zu dick
Gängiger Annahme nach bedeutet das Kohlenmonoxid nur eine Gefahr in den Räumen, in denen es austritt, nicht aber beispielsweise im Nebenhaus oder in einem durch eine Wand getrennten Raum. Doch das täuscht, wie Wissenschaftler des Instituts für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge herausgefunden haben. Sie haben in einem Test die Diffusion, also die Durchlässigkeit, von Kohlenmonoxid durch unterschiedliche Baustoffe wie Beton, Ziegel, Holz sowie Gipskarton untersucht. "In unseren Versuchen haben wir herausgefunden, dass die verschiedenen Baustoffe unterschiedlich durchlässig sind”, berichtet Projektmitarbeiterin Sandra Wegner.
Das Überraschende jedoch: Das Gas kann auch Wände durchdringen: "So dauert es bei Gipskartonplatten weniger als drei Minuten, bei selbstverdichtetem, vier Zentimeter dickem Beton hingegen knapp dreieinhalb Stunden, bis ein Zehntel der Ausgangskonzentration von 10.000 parts per million (ppm) auf der anderen Seite der Wand gemessen werden. Dies ist bereits eine stark gesundheitsgefährdende CO-Konzentration”, sagt Wegner.
Dabei noch unberücksichtigt sind mögliche Durchbrüche in der Wand, Fugen und Wandverkleidungen, wie sie in der Realität häufig in Hauswänden und -decken vorkommen. Realitätsgetreue Experimente sollen folgen, so Wegner. Denn es sei nicht zu unterschätzen, wie hoch das Risiko einer Vergiftung in der Wirklichkeit sein kann. Häufig wissen Verbraucher nicht einmal von Mängeln ihrer Hauswände oder möglichen Gefahrenquellen.
Die Forschungsergebnisse beweisen: Kohlenmonoxid kann durch Decken und Wände in Häusern dringen und somit auch entfernt von der eigentlichen Gefahrenquelle auftreten. CO diffundiert durch alle gängigen Baustoffe. "So kann eine einzige defekte Gastherme ein ganzes Mehrfamilienhaus in Gefahr bringen", erklärt Anne Wentzel von der Initiative zur Prävention von Kohlenmonoxid-Vergiftungen. Das Ergebnis soll wachrütteln: Selbst, wenn eine Selbstverschuldung auszuschließen ist, kann eine Vergiftung durch entfernte Gefahrenquellen ganz unbemerkt auftreten.
Die unsichtbare Gefahr aufspüren
Gerade die Schwierigkeit, das Gas mit Augen, Mund oder Nase wahrzunehmen, lässt das Gift so gefährlich werden. Aber was bietet Schutz? Häufig fehlt eine intensive Aufklärung der Bevölkerung über CO-Gefahren. Das Gift kann nämlich nur mithilfe technischer Geräte aufgespürt werden, so Wentzel. Die Experten empfehlen daher dringend, zuhause CO-Warnmelder zu installieren. Diese überwachen permanent die CO-Konzentration der Umgebungsluft. Das Einbauen von Kohlenmonoxid-Meldern sollte in Aufenthalts- und Schlafräumen sowie in Räumen mit brennstoffbetriebenen Geräten erfolgen. Feuerwehren und Rettungsdienste sollten sich bei allen Einsätzen durch CO-Warngeräte schützen, um eine Vergiftung zu vermeiden.