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Augustinus' Bekenntnisse: Ein religionsphilosophisches Zeugnis

Welche Herkunft besaß der spätere Kirchenvater?

Aurelius Augustinus (354–430) wurde im numidischen Thagaste als Sohn eines nichtchristlichen Großgrundbesitzers und der später heilig gesprochenen Christin Monika geboren. In Karthago erhielt er eine Ausbildung zum Rhetoriklehrer. Der Verbindung mit einer Konkubine entstammte sein »gottgeschenkter« Sohn Adeodatus.

Warum wandte sich Augustinus der Philosophie zu?

Seine berufliche Tätigkeit befriedigte ihn nicht – und in dieser Situation weckte die Lektüre von Ciceros rhetorischer Abhandlung »Hortensius« (die nicht erhalten ist) sein Interesse an der Philosophie. Er gelangte zunächst zum Manichäismus, einer Lehre des strengen Dualismus von Gut und Böse, von Licht und Finsternis, Geist und Körper, dann zum Skeptizismus und schließlich zum Neuplatonismus des Plotin, der den von Platon behaupteten Gegensatz von Ideenreich und Wirklichkeit mit christlichen Glaubensinhalten in Verbindung setzt.

Wie verlief Augustinus' kirchliche Laufbahn?

Nachdem die Begegnung mit dem Mailänder Bischof und Kirchenvater Ambrosius (um 339–397) den entscheidenden Schritt zum Christentum gebracht hatte, wurde Augustinus im Jahr 387 von Ambrosius getauft. Er lebte dann in einer klösterlichen Gemeinschaft in Thagaste, die zum Vorbild der Augustiner-Eremiten wurde. Im Jahr 391 wurde er von Bischof Valerius in Hippo Regius schließlich zum Priester geweiht und 395 dessen Nachfolger. Sein geistiger Kampf galt den Donatisten, einer schismatischen Sekte, die er zum Übertritt in die Großkirche zwang, und den Anhängern des irischen Mönchs Pelagius mit ihrer Kritik an seiner Lehre von Erbsünde, Gnade und Erlösung. Besonders die Auseinandersetzung mit dem Pelagianismus führte zum Ausbau seiner auch in den »Confessiones« vertretenen Gnadenlehre.

Was waren Augustinus' literarische Themen?

Sein umfangreiches literarisches Schaffen, das sich auf sämtliche Gebiete der Theologie erstreckt, umfasste etwa 100 größere Werke; in den »Retractationes«, seinem eigenen Literaturbericht, nennt Augustinus 93 Schriften, die bis 427 entstanden. Neben philosophischen Traktaten unter dem Einfluss eines christlich geprägten Platonismus (»Gegen die Akademiker«, »Vom glücklichen Leben«, »Die Unsterblichkeit der Seele«) und vielen Schriften gegen die Manichäer und die Pelagianer (über das Problem der Erbsünde) verfasste er exegetische (Paulus-Studien, Traktate zum Johannes-Evangelium) und dogmatische Werke (»Die christliche Lehre«, »Über die Trinität«).

Worum geht es in den »Confessiones«?

Bei den zwischen 397 und 401 verfassten »Bekenntnissen« handelt es sich um eine Autobiografie. In 13 Büchern schildert Augustinus zunächst in schonungsloser Offenheit vor Gott, mit psychologisch sezierendem Blick auf die »Seele«, die Entwicklung vom eitlen, triebhaften und geltungssüchtigen Genussmenschen über das Streben nach philosophischer Erkenntnis zur christlich geläuterten Persönlichkeit, die ihre Errettung göttlicher Gnade verdankt. Der sündhafte Mensch tritt damit erstmals aus seinen kollektiven Bindungen heraus und erlebt als Individuum durch die persönliche Begegnung mit Gott eine Erhöhung: »Du hast uns hin zu Dir erschaffen, und rastlos bleibt unser Herz, bis es in Dir Ruhe findet.«

Beichte oder philosophische Abhandlung?

Die »Bekenntnisse« sind beides, denn neben individueller Selbsterkenntnis liefert Augustinus auch die Summe seiner theologischen Überzeugungen ab. Den Gipfelpunkt der eigentlichen Lebensbeschreibung (Buch 1–9), die mit einem Nekrolog auf die verstorbene Mutter Monika ausklingt, bildet die Bekehrungsszene im Garten des Ambrosius in Mailand, die zu dramatischer Wirkung stilisiert wird. Buch 10 mit einer Selbstanalyse zur Zeit der Abfassung und einer allgemeinen Theorie des Gedächtnisses leitet zu den religionsphilosophischen Betrachtungen der Bücher 11–13 über. Eine zentrale Bedeutung räumt Augustinus hier der Zeit als Phänomen menschlichen Bewusstseins ein, da Vergangenheit und Zukunft nur aus dem gegenwärtigen Erleben erfahrbar seien.

Welchen Einfluss hatte Augustinus auf die Geistesgeschichte?

Seine Konzeption eines Gottesstaats, der aus der Auseinandersetzung mit dem vom Teufel beherrschten Erdenstaat siegreich hervorgeht, sollte die Geschichtsphilosophie des Mittelalters maßgeblich beeinflussen und lieferte letztlich die ideologische Legitimation der Papstkirche als Institution gegenüber dem Staat. Das apologetische Hauptwerk des Augustinus, »Der Gottesstaat«, fällt in die späte Schaffensphase. Es wurde von 413 bis 426 veröffentlicht und ist in seiner Komplexität mit den großen staatsphilosphischen Werken der Antike, Platons »Politeia« und Ciceros »De re publica«, vergleichbar. Angesichts der Eroberung Roms durch den Goten Alarich im Jahr 410 hält Augustinus darin dem Vorwurf, das Christentum sei aufgrund seiner Ablehnung der alten Götter schuld am Untergang der antiken Welt, ein neues christliches Geschichtsverständnis entgegen.

Wussten Sie, dass …

Augustinus als erster bedeutender Kirchenlehrer die Ketzerverfolgung rechtfertigte?

einer seiner Anhänger der Augustiner-Eremit Martin Luther war, für den er insbesondere durch seine Gnadenlehre eine Autorität darstellte, auch wenn der Reformator später andere Wege ging?

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