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Besser als der Arzt? – Künstliche Intelligenz zur Erkennung von Krankheiten
Wenn Mediziner herausfinden wollen, woran wir leiden, können sie neben unseren Schilderungen der Symptome auch auf Methoden wie die Analyse von Blutwerten, eingehenden körperlichen Untersuchungen oder bildgebende Verfahren zurückgreifen. Neben Röntgenbildern und Ultraschall kommen dabei auch Computertomografien oder Magnetresonanztomografien zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe lässt sich beispielsweise klären, ob Organe geschädigt sind oder wir an einem Tumor leiden. Auch bei der Früherkennung werden solche Verfahren genutzt.
Allerdings ist es oft nicht leicht, in den zahlreichen komplexen Strukturen solcher Aufnahmen zu erkennen, ob eine krankhafte Veränderung vorliegt oder nicht. Selbst erfahrene Radiologen können beispielsweise Frühstadien von Krebstumoren manchmal übersehen – oder aber gutartige Veränderungen irrtümlich für Krebs halten. Ähnliches kann bei der Untersuchung von Gewebeproben passieren.
Doch in Zukunft könnten künstliche Intelligenzen bei der Auswertung solcher Aufnahmen oder biologischen Proben helfen. In ersten Tests haben KI-Systeme schon mehrfach bewiesen, dass sie nach entsprechendem Training krankhafte Veränderungen identifizieren können.
Mit scharfem Blick – KI bei der Brustkrebserkennung
Bei der Diagnose von Brustkrebs werden die Bilder einer Mammographie auf Auffälligkeiten im Brustgewebe hin untersucht. Dabei können Radiologen allerdings kleine Auffälligkeiten leicht übersehen – besonders, wenn das Brustgewebe der Patientin sehr dicht und drüsenreich ist. Ein KI-Modell der schwedischen Universität Lund könnte die Mediziner künftig bei der Erkennung von Brustkrebs unterstützen.
Dazu haben die Forschenden Mammographien von 80.000 Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko von ihrem entsprechend trainierten KI-System oder von Radiologen analysieren lassen. Das Ergebnis: Das KI-Modell erkennt 20 Prozent mehr Brustkrebstumore als die Radiologen. Dabei war die Fehlerrate bei den Medizinern und der KI gleich.
Erkrankungsrisiko Jahre voraussagen
Aber auch bei der Bestimmung des individuellen Brustkrebsrisikos kann Künstliche Intelligenz Ärzte und Patienten unterstützen. Das dafür entwickelte KI-Modell Mirai kann – neben der bildlichen Analyse – beispielsweise ermitteln, wie hoch das künftige Erkrankungsrisiko einer Patientin ist und wie es sich zeitlich entwickelt. Basis dieser Voraussage sind unter anderen bekannte Risikofaktoren, das Alter und auch die Familiengeschichte.
Wie genau das KI-System Mirai jedoch daraus seine Vorhersage entwickelt, verstehen Forschende selbst noch nicht ganz. „Wir wissen, wie Deep Learning funktioniert und wie das Modell lernt. Was wir nicht verstehen, ist, wonach das Modell in den Daten genau sucht. Wahrscheinlich lernt es aus visuellen Markern, die der Mensch nicht kennt“, sagt Krzysztof Geras von der New York University bei Think Global Health.
Erkennung auch von seltenen Krankheiten
Neben der Erkennung von Krebs kann Künstliche Intelligenz auch bei der Erkennung von seltenen Krankheiten des Magen- und Darmtrakts helfen. Ein KI-Modell, das von Forschenden der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Technischen Universität Berlin und der Charité entwickelt wurde, kann beispielsweise durch die Analyse von gesundem Gewebe sowie häufigen Befunden – wie zum Beispiel chronischer Gastritis – Abweichungen erkennen, die auf seltene Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts hindeuten.
Das Besondere daran: Die KI muss nicht explizit für diese seltenen Erkrankungen trainiert werden. Normalerweise müssen KI-Modelle nämlich mit zahlreichen Beispielen gefüttert werden, um die Muster dieser Beispiele auf andere übertragen zu können. Schwer wird das bei seltenen Krankheiten: Aufgrund ihrer Seltenheit gibt es nicht genug Material, um die KI effektiv zu trainieren. Das beeinträchtigt die Genauigkeit der KI.
„Wir haben verschiedene technische Ansätze verglichen und unser bestes Modell hat ein breites Spektrum an selteneren Pathologien von Magen und Darm, einschließlich seltener primärer oder metastasierender Krebsarten, mit hoher Zuverlässigkeit erkannt. Das kann unseres Wissens kein anderes veröffentlichtes KI-Tool“, sagt Klaus-Robert Müller von der Technischen Universität Berlin.