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Brechts Mutter Courage: Theaterstück mit didaktischem Konzept

Was wollte Bertolt Brecht mit seinem Theaterstück zeigen?

Brechts Bühnenstück »Mutter Courage und ihre Kinder« (geschrieben im Jahr 1939, uraufgeführt 1941) führt die katastrophalen Konsequenzen des Kriegs für die »kleinen Leute« vor und setzt die Konzeption des epischen Theaters in höchster Vollkommenheit um.

In welchem historischen Umfeld entstand das Werk?

Es mutet fast gespenstisch an, dass Bertolt Brechts schärfstes und eindrücklichstes Antikriegsstück zu einer Zeit geschrieben wurde, in der der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kurz bevorstand. Der bedeutendste Dramatiker der Weimarer Republik, der seit 1933 im Exil lebte, begann 1938 mit der Arbeit und stellte das Stück nur wenige Monate vor dem Einmarsch Hitlers in Polen fertig.

In welcher Zeit spielt »Mutter Courage«?

Brecht hat die Handlung von »Mutter Courage und ihre Kinder« im Dreißigjährigen Krieg angesiedelt. In zwölf Bildern, die einen Zeitraum von zwölf Jahren umfassen, begleitet der Zuschauer Anna Fierling, die »Mutter Courage«, die als Marketenderin mit den Soldaten durch die Lande zieht, um am Krieg »ihren Schnitt zu machen«. Sie lebt vom Krieg und zieht ihn deshalb dem Frieden vor: »Ich lass mir den Krieg von euch nicht madig machen. Es heißt, er vertilgt die Schwachen, aber die sind auch hin im Frieden. Nur, der Krieg nährt seine Leut besser.«

Die Gräuel des Krieges registriert die Courage nicht, jedes Blutvergießen ist für sie nur in geschäftlicher Hinsicht bedeutsam. Als der Feldherr der katholischen Liga fällt, fürchtet Mutter Courage, der Krieg könnte zu Ende gehen – für sie eine wirtschaftliche Katastrophe, sie hat gerade neue Ware eingekauft.

Was wird aus den Kindern der Hauptfigur?

Mutter Courage hat ihre drei Kinder dabei, die sie durch das Geschäft mit dem Krieg zu ernähren versucht. Alle drei wird sie im Lauf des Geschehens an den Krieg verlieren: Eilif wird zu Beginn des Stücks von Werbern entführt und nimmt im Folgenden am Kriegsgeschehen teil; nach Plünderungen und Schändungen während einer vorübergehenden Friedensphase wird er hingerichtet (im Krieg wurde er dafür noch ausgezeichnet). Der redliche Schweizerkas wird wegen eines Missverständnisses verhaftet; Mutter Courage will ihn auslösen, doch sie feilscht zu lange; Schweizerkas wird erschossen. Die stumme Kattrin, die vergewaltigt und entstellt wurde, warnt eines Nachts die Bürger von Halle vor einem Überfall der kaiserlichen Truppen; die Stadt kann den Angriff zwar abwehren, doch Kattrin kommt bei diesem Zwischenfall ums Leben.

Der tragische Tod ihrer Kinder macht die schlagfertige Mutter Courage stumm, doch Einsicht in die Ursachen ihres Unglücks gewinnt sie nicht. Sie erkennt nicht, dass es ein Trugschluss ist, am Krieg verdienen zu können. Ihre Rechnung mit dem Krieg geht nicht auf, im Gegenteil: Mutter Courage verliert die, die sie durchbringen will, ihr Handeln verliert jeden Sinn. Doch auch nach dem Verlust ihrer Kinder zieht sie weiter, um Geschäfte zu machen. In der letzten Szene schließt sie sich einmal mehr einem vorbeiziehenden Regiment an; ihre Schlussworte lauten: »Ich muss wieder in'n Handel kommen.«

Mit welchen Mitteln überzeugt Brecht das Publikum?

Vor allem mit den Mitteln des so genannten epischen Theaters. Brecht war der Überzeugung, dass der Krieg »eine Fortführung der Geschäfte mit anderen Mitteln ist«. Doch das Geschäft mit dem Krieg wird nicht von den kleinen Leuten gemacht, die können nur verlieren – das ist die Grundaussage des Stücks. Unter Einsatz verfremdender, das heißt, Distanz schaffender Mittel (Einschub von kommentierenden Songs, Heraustreten des Schauspielers aus seiner Rolle, Verzicht auf durchgängigen Handlungsablauf und anderes), hat Brecht mit »Mutter Courage« die überzeugendste Umsetzung seines dramaturgischen Konzepts geschaffen. Der Zuschauer steht der Handlung gegenüber, anstatt sich in sie hineinzuversetzen, und soll zu der Einsicht »gezwungen« werden, dass der Krieg den einfachen Menschen zerstört und deshalb bekämpft werden muss.

Brecht wurde oft vorgeworfen, er schade mit dem Schluss des Stücks, der die Hauptfigur auch nach dem Verlust ihrer Kinder uneinsichtig zeigt, seiner Wirkung: Die Courage müsse doch begreifen, dass der Krieg kleine Leute wie sie zerstöre; nur so könne auch der Zuschauer von dieser Einsicht überzeugt werden. Brecht antwortete darauf: Es gehe ihm nicht darum, die Figur am Ende sehend zu machen, sondern das Publikum. Besser kann man die Idee des epischen Theaters nicht auf den Punkt bringen.

Wussten Sie, dass …

der Autor schon 1929 drei Kinder von drei Frauen (Paula Banholzer, Marianne Zoff und Helene Weigel) hatte?

der Name der Courage dem »Trutz Simplex« (1669) von Grimmelshausen entnommen ist?

Brecht seit 1951 österreichischer Staatsbürger war, obwohl er in Ost-Berlin lebte? Seine Stücke wurden in Österreich allerdings bis 1962 boykottiert.

Wie wurde der Augsburger Bürgersohn zum Ostberliner Theatergründer?

Brecht wurde 1898 als Sohn des Direktors einer Papierfabrik in Augsburg geboren. Hier besuchte er das Gymnasium und studierte anschließend in München unter anderem bei Artur Kutscher, dem Begründer der Theaterwissenschaft, Literatur. 1920 befreundete er sich mit dem Kabarettisten Karl Valentin.

1924 zog Brecht nach Berlin und arbeitet als Dramaturg bei Max Reinhard. 1929 heiratete er in zweiter Ehe die Schauspielerin Helene Weigel, die sich zeitlebens für sein Werk einsetzte.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten musste der überzeugte Kommunist ins Exil gehen, zunächst nach Dänemark, schließlich in die USA. 1949 trat er dort vor dem Mc-Carthy-Ausschuss auf; über die Schweiz reiste er nach Ost-Berlin, wo er mit Helene Weigel das Berliner Ensemble gründete. 1956 starb er in Berlin an einem Herzinfarkt.

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