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Das römische Weltreich: Die Organisation eines Imperiums
Wie übte Rom Kontrolle über die Provinzen aus?
Nach der Eroberung des gesamten Mittelmeerraums beherrschte Rom zur Zeit der Republik ein Gebiet, dessen Größe Italien um ein Mehrfaches übertraf. Die Verwaltung dieses Großreiches erfolgte nach den Regeln und mit dem Personal der Republik: Konsuln, später auch Prätoren, wurden nach ihrer Amtszeit als Prokonsuln bzw. Proprätoren Provinzstatthalter. Das bedeutete allerdings auch, dass wichtige Entscheidungen in den Provinzen, etwa über die Höhe der Steuern, von der Willkür und dem Geldbedarf aufstrebender Politiker abhingen, die ihre Befugnisse als Sprungbrett für ihre Karriere nutzten. Eine auf stadtrömische Belange fixierte Republik war nicht in der Lage, auch die Interessen der Provinzen gebührend zu berücksichtigen. Auch wurden in die innerrömischen Machtkämpfe vermehrt Gebiete außerhalb Italiens hineingezogen (wie Gallien).
Warum verlor Rom seine dominante Stellung?
In der Kaiserzeit lösten sich Politik und Verwaltung zunehmend von Rom. Bei der Auswahl ihrer Beamten beschränkten sich die Kaiser nicht mehr auf Angehörige der römischen Nobilität, sondern zogen vermehrt fähige Kräfte aus dem gesamten Reich heran. Auf der anderen Seite machten römische Militärstützpunkte und Städte in den Provinzen die einheimische Bevölkerung mit den zivilisatorischen Errungenschaften der Römer (wie Aquädukte) und ihrer Lebensart sowie der lateinischen Sprache vertraut. Über See- und Flusshäfen und ein engmaschiges Straßennetz gelangten Waren und Wertvorstellungen von einer Ecke des Imperiums in die andere.
Wie stiegen die Provinzen allmählich auf?
Schon im 1. Jahrhundert ergaben sich große Aufstiegsmöglichkeiten für Nichtrömer, wenn sie etwa als Feldherren die Gunst des Kaisers gewannen oder sich durch das Studium der Rechte für hohe Verwaltungsämter empfahlen. Im Jahr 98 wurde mit Trajan erstmals ein Nichtrömer Kaiser, und mit dem severischen Herrscherhaus (ab 193) war die Vorherrschaft der Kaiser römischer Herkunft endgültig gebrochen. Im 3. Jahrhundert wurden dann alle Vorrechte Roms und Italiens aufgehoben: 212 verlieh die Constitutio Antoniana allen Reichsbewohnern das römische Bürgerrecht. 297 wurde auch Italien, gleich den Provinzen, abgabepflichtig.
Was trennte den Osten vom Westen des Reiches?
Die Unterschiede zwischen lateinischem Westen und griechisch geprägtem Osten waren weniger sprachlich als kulturell bedingt. Die Bewohner der westlichen Provinzen erkannten in der Regel die Überlegenheit der römischen Kultur und die Bedeutung Roms als Mittelpunkt an und nahmen römische Einflüsse auf. Der hellenistisch geprägte Osten hingegen sah sich bereits auf hohem kulturellem Stand und war wirtschaftlich entwickelter, was Städte wie Alexandria und Athen zeigten. Aus dem Vorderen Orient kamen überdies fremde Religionen wie das Christentum oder der Mithraskult, die gerade den östlichen Reichsteil von Rom und seiner Götterwelt entfremdeten.
Wie entwickelte sich der römische Herrscherkult?
Die orientalische Tradition, die zunehmend Einfluss gewann, gebot es, den Herrscher mit göttlichen Attributen zu versehen. Das rief im Westen Widerstand hervor: Caligula, Domitian und Commodus, die sich als Gott bezeichneten, galten als Despoten und wurden ermordet. Die Frage des Herrscherkultes lösten Augustus und seine Nachfolger zunächst durch eine dezente Form der Verehrung. Augustus etwa erlaubte einen Kult zu Ehren der Göttin Roma, in den er mit einbezogen war. Mit der Loslösung des Kaisertums von Einflüssen durch die Stadtbevölkerung Roms schwand aber die Zurückhaltung der Kaiser, sich nun offen göttliche Attribute zuzulegen.
Welche Regierungsform führte Augustus ein?
Die Regierungsform seit Augustus wurde als Prinzipat bezeichnet. Die Organe der Republik, vor allem Senat und Magistrate, bestanden weiterhin und hatten ihre festgelegten Aufgaben. Faktisch lag die Macht jedoch beim Princeps. Augustus erhielt auf Lebenszeit die Befugnisse des Volkstribunen, die tribunicia potestas (ab 23 v.Chr.), und die des Konsuls (ab 19 v.Chr.), ohne diese Ämter formal zu bekleiden. Politisch entscheidend war neben der staatsrechtlich legitimierten Macht des Princeps auch der Hof des Kaisers. Angehörige der Herrscherfamilie konnten als Vertraute des Kaisers und Verwaltungsbeamte einflussreicher sein als reguläre Amtsinhaber aus dem römischen Adel.
Blieben die Herrscher an die Verfassung gebunden?
Nein, denn im Laufe der Jahrhunderte musste der Kaiser immer weniger auf die Restbestände der republikanischen Verfassung Rücksicht nehmen, sofern er seine Soldaten und Beamten hinter sich wusste. Die formale Konsequenz daraus zog Kaiser Diocletian (Reg. 284–305), als er sich offiziell als Dominus (»Herr«) anreden ließ. Der Kaiser stand fortan seinem Anspruch nach als absoluter, nicht mehr an Gesetze gebundener Herrscher über Staat und Verfassung des Römischen Reiches. Seine herausgehobene Position betonte Diocletian zusätzlich durch die Annahme des Herrschertitels »Iovius« (abgeleitet von Jupiter, der höchsten römischen Gottheit).
Welche Herrschaftsform führte Diocletian ein?
Diocletian bestimmte im Jahr 285 den Feldherrn Maximian (um 240–310) zu seinem Nachfolger, den er im folgenden Jahr zum Mitregenten ernannte. Diocletian erhielt den Osten des Reichs mit der Hauptstadt Nicodemia (Kleinasien), Maximian den Westen; er wählte Mediolanum (Mailand) als Hauptstadt. Rom hatte damit als Hauptstadt des Römischen Reiches ausgedient, der Senat war nur noch eine städtische Behörde. 293 adoptierten beide Kaiser jeweils einen Nachfolger, der dann als »Unterkaiser« Herrscher über ein Viertel des Reichsgebiets wurde. Diese Herrschaftsform wird Tetrarchie (griechisch »Viererherrschaft«) genannt, die Herrscher heißen Tetrarchen. Der von Diocletian adoptierte Galerius (um 250–311) herrschte von Sirmium in Pannonien aus (heute Sremska Mitrovica/Serbien) über Makedonien, Griechenland und Illyrien. Maximians Nachfolger Constantius (um 250–306) regierte Spanien, Gallien und Britannien; seine Residenzen waren Trier und York.
Hat sich die Tetrarchie bewährt?
Nein, diese Herrschaftsform blieb nur ein Zwischenspiel. Obwohl die vier Regenten formal gleichberechtigt waren, blieb Diocletian die beherrschende Figur der 1. Tetrarchie. Schon kurz nach seinem und Maximians Rücktritt (305) mussten sich die regulären Kaiser der 2. Tetrarchie Usurpatoren erwehren. Aus den Machtkämpfen ging Constantius' Sohn Konstantin (nach 280–337) als Alleinherrscher hervor. Die Tetrarchie war gescheitert.
Welche Bedeutung kam dem Christentum zu?
Da die Christen neben Gott keinen Herrn anerkannten, konnte der kaiserliche Absolutheitsanspruch nur mit Unterstützung der Christen oder durch ihre Verfolgung umgesetzt werden. Diocletian entschied sich für die zweite Möglichkeit und begann 303 eine Christenverfolgung, die erst 311 mit dem Toleranzedikt des Galerius endete. Kaiser Konstantin dagegen erkannte das Christentum als moderne treibende Kraft mit großer Dynamik, dem der Staat wenig entgegensetzen konnte. Also erkannte er das Christentum als staatstragende Religion an. Zwar erlaubte es die monotheistische (an nur einen Gott glaubende) Religion nicht, den Kaiser als Gott zu verehren, dafür konnte sich der Herrscher als der weltliche Arm des einzigen Gottes darstellen, was seiner Herrschaft eine religiöse Grundlage verlieh.
Mit Konstantin war die Wende zum Christentum vollzogen. Viele Menschen, vor allem Reichsbeamte, ließen sich taufen, weil es ihnen Vorteile brachte. So genannte Heiden, also Anhänger älterer Kulte, mussten jetzt mit Verfolgung rechnen.
Wussten Sie, dass …
Sizilien, Sardinien und Korsika die ersten römischen Provinzen waren? Die Inseln fielen als Folge des 1. Punischen Krieges an Rom.
die Gegensätze zwischen Westen und Osten mehrmals zu einer Aufteilung des Reiches unter zwei oder vier Herrschern führten? Die Teilung nach dem Tod des Theodosius (395) erwies sich als endgültig. Der westliche Teil brach im 5. Jahrhundert unter den Germaneneinfällen zusammen, dem Oströmischen Reich gelang es, im 6. Jahrhundert wieder Weltgeltung zu erlangen.
Warum wird in Rumänien eine romanische Sprache gesprochen?
Den Grundstein dafür legte Trajan, der in zwei Feldzügen (101/02 und 105/06) Dakien – das Gebiet zwischen Theiß, Donau und Karpaten, das heute einen großen Teil Rumäniens bildet – eroberte und zur Provinz machte. Obwohl die römische Herrschaft über Dakien nur eineinhalb Jahrhunderte währte, war die kulturelle Wirkung nachhaltig: Bis heute wird dort mit dem Rumänischen eine romanische Sprache gesprochen. Um Dakien zu romanisieren, siedelte Trajan neben Dakern aus angrenzenden Gebieten Bewohner aus vielen Teilen des Reiches an. 256 wurden die Römer von den Goten aus fast ganz Dakien vertrieben, wenig später (272) gab Kaiser Aurelian die Provinz auf.
Wussten Sie, dass …
Konstantin vor der Entscheidungsschlacht gegen seinen Rivalen Maxentius an der Milvischen Brücke (312 bei Rom) in einer Vision das Kreuz mit der Verheißung »in hoc signum vinces« (»In diesem Zeichen wirst du siegen.«) erschienen sein soll?
Theodosius I. (347 bis 395, reg. seit 379) das Christentum 391 zur Staatsreligion machte? Er verbot alle heidnischen Kulte, unter anderem die Olympischen Spiele (393).
Was legte das 1. Konzil fest?
Konstantin rief zur Beilegung theologischer Streitfragen 325 ein Konzil nach Nicäa ein. Dort wurde die Lehrmeinung, Jesus sei mit Gott wesensgleich, für maßgeblich erklärt. Der so genannte Arianismus, der Jesus als gezeugtes Geschöpf und somit als nicht wesensgleich mit dem ursprungslosen Gott ansah, wurde verfolgt. Das Konzil von Nicäa war das erste in einer Reihe ökumenischer Konzile, deren Entscheidungen für die gesamte Kirche bindend waren. Die Kirche unterschied fortan zwischen Orthodoxie (»Rechtgläubigkeit«) und Häresie (eigentlich »das Gewählte«, nun Bezeichnung für das »Abweichende«).
Welche Neuerungen führte Kaiser Konstantin I. (der Große) ein?
Nach dem Tod seines Vaters Constantius I. während eines Feldzugs in Britannien (306) wurde Konstantin (eigentlich Flavius Valerius Constantinus) von seinen Soldaten zum Augustus ausgerufen – gegen die Regeln der Tetrarchie, die er mit Siegen über seine Mitkaiser Maxentius (312) und Licinius (324) überwand. Als Alleinherrscher führte der nach 280 in Naissus geborene Konstantin das Reformprogramm Diocletians weiter und vollendete die Trennung von militärischer und ziviler Gewalt. Als erster Kaiser bekannte er sich zum Christentum. Im Edikt von Mailand (313) gestattete Konstantin den Christen freie Religionsausübung. Er berief das Konzil von Nicäa (325) ein und bestimmte seinen Ausgang entscheidend mit. Kurz vor seinem Tod am 22.5.337 in Nikomedia ließ er sich taufen.
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