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Kleists Friedrich von Homburg: Konflikt von Verstand und Gefühl

Wie machte sich der Prinz von Homburg schuldig?

Beflügelt von einer Traumvision in der vorangegangenen Nacht, hatte der Prinz von Homburg, General in Diensten des Großen Kurfürsten, mit seiner Kavallerie voreilig in die Schlacht eingegriffen, was entscheidend zu ihrem günstigen Ausgang beitrug. Mit dieser eigenmächtigen Handlung hatte er indes die militärische Disziplin verletzt und war zum Tode verurteilt worden. Nun muss er einen weit härteren individuellen Kampf bestehen: Zunächst überzeugt, es handle sich bei seiner Verurteilung nur um eine Formalität, wird er angesichts des für ihn bestimmten Grabes des Ernstes der Situation bewusst und fleht um sein Leben. Natalie, eine Nichte seines Dienstherrn, erwirkt eine Begnadigung unter der Voraussetzung, dass der Prinz sich vor dem Kriegsgericht erfolgreich verteidigt.

Kann die Hinrichtung abgewendet werden?

Ja, die rechtzeitige Reue verhindert das Schlimmste. Zum Richter über sein eigenes Tun aufgerufen, sieht er endlich seine Verfehlungen (Eigensucht und »Übermut«) sowie die Notwendigkeit ihrer Bestrafung ein und plädiert selbst für seine Hinrichtung. Diese Läuterung macht wiederum den Weg frei für ein glückliches Ende: Der Große Kurfürst kann nun Milde gegenüber dem General walten lassen, bekränzt ihn gar mit dem Lorbeer des Siegers und belohnt ihn mit der Hand seiner Nichte – wie es der Prinz zuvor geträumt hatte.

Heinrich von Kleists (1777–1811) im Jahr 1811 entstandenes Schauspiel um die moralische Brisanz eines persönlichen »Fehlverhaltens« mit positivem Effekt bezieht seine dramatische Spannung zum größten Teil aus der Frage, ob der »Delinquent« verhindern kann, dass das gegen ihn verhängte Todesurteil vollstreckt wird.

Handelt es sich um ein trockenes Lehrstück?

Nein, schon der märchenhafte Schluss mit seinen komödiantischen Anklängen macht deutlich, dass Kleists Drama keineswegs nur eine nüchterne Parabel um »Kriegszucht« und Gehorsam birgt. Wie schon in dem Lustspiel »Der zerbrochene Krug« wird die juristische Diskussion höchst lebendig in Szene gesetzt, und die Besinnung des Helden auf das Regulativ des Verstandes bedeutet eben keine Geringschätzung des Gefühls, hat es ihm doch ursprünglich in »somnambulem« Zustand das Ziel gewiesen.

Was sind zentrale Motive in den Werken Kleists?

Die Macht des Unbewussten – Ohnmacht, Schlaf und Traum – ist eines der zentralen Motiv in Heinrich von Kleists Dramen (»Penthesilea«) und Erzählungen (»Die Verlobung in St. Domingo«); ebenso ist es das von starken Emotionen bewegte, gegen die sozialen Zwänge aufbegehrende Individuum (»Das Käthchen von Heilbronn«), dessen Wert für die Gemeinschaft Kleist positiv einschätzt. Das Spannungsverhältnis von Spontaneität und Affektkontrolle, unter dem Kleist selbst zeitlebens litt, ist auch das Thema seines berühmten Aufsatzes »Über das Marionettentheater« (1810), wo er einerseits die Zerstörung unschuldiger »Grazie« durch die Selbstreflexion beklagt, andererseits für Bändigung und Lenkung des Triebhaften plädiert.

Was wollte Kleist mit seinem Drama bewirken?

Kleist benutzte in »Prinz Friedrich von Homburg« den historischen Fall als Modell, um für Reformbestrebungen in der preußischen Armee Partei zu nehmen. Als langjähriger Angehöriger eines Potsdamer Garderegiments kannte er die Verhältnisse beim Militär aus eigener Anschauung. Das Widmungsexemplar des Dramas für die liberal gesinnte Prinzessin Marianne von Preußen, eine mögliche Fürsprecherin, gelangte jedoch erst nach Kleists Tod in ihre Hände, und erst 1821 kam das Stück auf die Bühne (im Wiener Burgtheater).

Wussten Sie, dass …

Kleist zu seinem letzten Bühnenstück durch eine tatsächliche Begebenheit angeregt wurde? Trotz des Sieges in der Schlacht bei Fehrbellin 1675 kam Friedrich von Hessen-Homburg wegen Befehlsmissachtung vor ein Kriegsgericht, wurde aber begnadigt.

der Suizid Kleists zu einem Mythos der deutschen Literaturgeschichte wurde?

Warum nahm Heinrich von Kleist sich das Leben?

Möglicherweise hat das vergebliche Bemühen um eine Aufführung von »Prinz Friedrich von Homburg« den letzten Anstoß zu dieser Tat gegeben; Parallelen zur Todessehnsucht des Prinzen sind unübersehbar. Der romanhafte Tod des Dichters wurde zu einem Mythos der deutschen Literaturgeschichte: Am 21. November 1811 schied der 34-Jährige gemeinsam mit seiner schwärmerisch verehrten Freundin Henriette Vogel am Ufer des Kleinen Wannsees freiwillig aus dem Leben.

Der am 18. Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder geborene Offizierssohn hatte zunächst eine militärische Laufbahn eingeschlagen, 1799 aber abgebrochen. 1810 erschienen der erste Band mit Erzählungen und »Das Käthchen von Heilbronn«. Zu Lebzeiten brachte es Kleist nur zu mäßigem literarischen Erfolg.

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