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Nobelpreisträger: Die Stars der Wirtschaftswissenschaft

Gab es den Wirtschaftsnobelpreis von Anfang an?

Nein. Der Preis wurde erst 1968 von der Schwedischen Reichsbank anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens gestiftet und heißt offiziell »Preis der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften im Gedenken an Alfred Nobel«.

Er ist nicht wie die anderen Nobelpreise von Alfred Nobel (1833–96) gestiftet worden: 1. der Nobelpreis für Physik, 2. für Chemie, 3. für Physiologie oder Medizin, 4. für Literatur und 5. der Friedensnobelpreis. Sie werden seit 1901 jährlich am Todestag Nobels, dem 10. Dezember, verliehen. Die Auswahl der Wirtschaftspreisträger, das Preisgeld und die Preisverleihung stimmen mit den fünf »klassischen« Nobelpreisen überein. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich daher die Bezeichnung »Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften« durchgesetzt.

Wer erhielt den ersten Wirtschaftsnobelpreis?

Der Norweger Ragnar Frisch (1895–1973) und der Niederländer Jan Tinbergen (1903 bis 94) teilten sich 1969 den Preis. Mithilfe von Mathematik und Statistik hatten sie die Grundlagen für die quantitative (mengenmäßige) Untersuchung wirtschaftlicher Prozesse geschaffen. Damit wurden wirtschaftswissenschaftliche Theorien besser überprüfbar. Die Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Einflussgrößen ermöglichte z. B. Konjunkturprognosen.

Wie viel Einfluss haben Wissenschaftler überhaupt?

Manchmal sehr großen. Das gilt z. B. für den US-Amerikaner Paul A. Samuelson (* 1915), der 1970 den zweiten Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Samuelson beriet mit dem Republikaner Dwight D. Eisenhower (1953–61) und dem Demokraten John F. Kennedy (1961–63) gleich zwei US-Präsidenten. Auch seine Theorien, die ihn als einen Hauptvertreter des Keynesianismus ausweisen, waren überaus einflussreich. Für einige seiner Nobelpreisträgerkollegen ist Samuelson der bedeutendste Ökonom des 20. Jahrhunderts.

Übrigens: Samuelsons Verbindung mit dem Wirtschaftsnobelpreis reicht zurück bis in die späten 1950er Jahre. Damals erörterte er im Auftrag der Schwedischen Reichsbank Argumente für und gegen die Einführung des Preises. Die spätere Auswahl der Preisträger entsprach allerdings nicht immer seiner Meinung. Dies bewog ihn sogar, eine eigene Aufstellung der ersten fünfzehn Nobelpreisträger anzufertigen. Nach seiner Liste hätte Samuelson den Nobelpreis erst acht Jahre später erhalten – und ihn überdies mit zwei weiteren Wissenschaftlern teilen müssen.

Wie kann der Staat am besten die Wirtschaft fördern?

Wenn man Milton Friedman (* 1912) Glauben schenkt, indem der Staat möglichst wenig in Wirtschaftsabläufe eingreift.

Der US-Amerikaner Friedman, 1976 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, entwickelte seine Theorien in einer Zeit, als der Keynesianismus die beherrschende Wirtschaftslehre war. Mit staatlicher Lenkung wurde damals versucht, die Konjunktur zu steuern und dadurch insbesondere Arbeitslosigkeit zu verhindern.

In den 1970er Jahren wurden immer stärker die Nachteile dieser Wirtschaftspolitik, Verschuldung und hohe Inflationsraten, offenbar. Friedmans Theorie des Monetarismus wurde aufgegriffen, nach der der Staat durch eine geringe jährliche Steigerung der Geldmenge die Voraussetzungen für Wachstum ohne Inflation schaffen – und ansonsten auf aktive Wirtschaftspolitik verzichten solle. Praktisch umgesetzt wurden Friedmans Vorstellungen verstärkt seit den 1980er Jahren, insbesondere in Großbritannien unter Margaret Thatcher (»Thatcherismus«) und in den USA unter Ronald Reagan (»Reagonomics«).

Trotz Erfolgen bei der Inflationsbekämpfung wurde diese Politik stark kritisiert, weil sie mit Einschnitten bei den Sozialleistungen und einer Vergrößerung der Unterschiede zwischen Arm und Reich verbunden war. So ist Friedman nicht nur einer der bekanntesten und erfolgreichsten Wirtschaftswissenschaftler des 20. Jahrhunderts, sondern auch einer der umstrittensten.

Durch welche Forderung wurde James Tobin bekannt?

Der US-Amerikaner James Tobin (1918 bis 2002), der 1981 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, schlug 1972 eine nach ihm benannte Steuer vor.

Mittels einer geringen Besteuerung sämtlicher Devisenan- und -verkäufe wollte Tobin kurzfristige Währungsspekulationen unrentabel machen. Dadurch sollten die durch Spekulationsgeschäfte ausgelösten Kursschwankungen vermindert und so die Währungen stabilisiert werden. Globalisierungsgegner griffen die Forderung nach einer Tobin-Steuer auf und gingen dabei in der Höhe der Besteuerung oft über deren Erfinder hinaus.

Kritiker bezweifeln, dass eine Tobin-Steuer sich weltweit durchsetzen ließe. Ihre Einführung würde somit lediglich zu einer Verlagerung der Spekulationsgeschäfte in »Steueroasen« führen. Außerdem befürchten sie, dass selbst eine weltweit geltende Tobin-Steuer genau den gegenteiligen Effekt bewirken könnte: Bei einem insgesamt geringeren Umsatz könnten einzelne Transaktionen viel mehr ins Gewicht fallen, was die Kursschwankungen sogar verstärkt.

Sind Aktien eine sichere Geldanlage?

Nein, denn anders als z. B. ein Sparbuch sind sie mit dem Risiko von Kursverlusten behaftet. Dass man aber die Gefahr von Verlusten stark reduzieren kann, verdanken wir nicht zuletzt den Untersuchungen Harry Markowitz' (* 1927).

Der US-Amerikaner erhielt 1990 »für seine Entwicklung der Theorie der Portfolio-Auswahl« den Nobelpreis gemeinsam mit seinen Landsmännern Merton Miller (1923–2000) und William F. Sharpe (* 1934). »Portfolio«, vom italienischen Wort »portafoglio« (»Brieftasche«; französisch: »portefeuille«) abgeleitet, bezeichnet bei einem Anleger den gesamten Anlagebestand. Die von Markowitz entwickelte Portfolio-Theorie besagt, dass durch eine effiziente und breite Streuung (»Diversifikation«) der Anlage in risikobehaftete Wertpapiere das Spekulationsrisiko gesenkt werden kann.

Übrigens: Für sich genommen nützt die Portfolio-Theorie nur Großanlegern. Denn allen anderen fehlen die finanziellen Mittel, um z. B. gleichzeitig Aktien dutzender oder gar hunderter Unternehmen zu halten. Erst die Verbreitung von Aktienfonds, nicht zuletzt durch Markowitz' Theorien gefördert, erlaubte es auch Kleinanlegern, bei geringerem Risiko von den hohen Renditechancen des Aktienmarktes zu profitieren – etwa für die Vermögensbildung oder Altersvorsorge.

Hilft der freie Markt beim Umweltschutz?

Der britische Wirtschaftswissenschaftler Ronald H. Coase (* 1910) behauptet das. Der Nobelpreisträger des Jahres 1991 beschäftigte sich u. a. mit sozialen Kosten. Das sind Schäden, die nicht bei demjenigen entstehen, der sie verursacht hat, sondern andere oder die gesamte Volkswirtschaft treffen. Daher werden sie auch als »externe Effekte«, als Wirkungen außerhalb (aus Sicht des Verursachers), bezeichnet.

Beispiele für soziale Kosten sind durch eine Fabrik verursachte Geräusche und Schadstoffe, die nicht das Unternehmen treffen, sondern die Nachbarn (Beeinträchtigung durch Lärm) oder die Allgemeinheit (Umweltverschmutzung). Das sog. Coase-Theorem besagt, dass nicht etwa gesetzliche Regelungen (z. B. Verbote oder Emissionsgrenzwerte), sondern freiwillige Verhandlungen zwischen Verursachern und Geschädigten zu der volkswirtschaftlich besten Lösung führen. Dieses Ergebnis komme sogar unabhängig davon zustande, ob die Geschädigten ein Recht auf Schadensfreiheit besitzen, das ihnen der Verursacher »abkaufen« muss, oder ob sie umgekehrt dem Verursacher ein Recht auf Aktivität abhandeln müssen. Besonders dieser Teil der Theorie ist höchst umstritten.

Ist Wirtschaft nur ein großes Spiel?

Das kann man wohl nicht behaupten. Dennoch ist die sog. Spieltheorie aus der Wirtschaftswissenschaft seit geraumer Zeit nicht mehr wegzudenken.

Beispielsweise eignet sie sich zur Analyse eines Marktes mit wenigen großen Anbietern (Oligopol). Hier wird jede Aktion eines Anbieters (»Spielers«) entsprechende Gegenmaßnahmen der übrigen »Spieler« provozieren. Die Folgen etwa einer Preissenkung oder einer Werbeoffensive ähneln daher weniger einer Rechenaufgabe aus dem Mathematikunterricht – sie sind eher mit den Zügen eines Strategiespiels wie z. B. Schach zu vergleichen. 1994 erhielt als bislang einziger Deutscher Reinhard Selten (* 1930) den Nobelpreis, gemeinsam mit den US-Amerikanern John F. Nash (* 1928) und John C. Harsanyi (1920–2000) »für ihre grundlegende Analyse des Gleichgewichts in nicht-kooperativer Spieltheorie«.

Schützt ein Nobelpreis vor der Pleite?

Nein. Das mussten die US-Amerikaner Robert C. Merton (* 1944) und Myron S. Scholes (* 1941) erfahren, die 1997 gemeinsam den Nobelpreis erhielten.

Zusammen mit ihrem Landsmann Fisher Black hatten beide 1973 die sog. Black-Scholes-Formel entwickelt. Sie ermöglichte erstmals die Bestimmung des Wertes einer Option (das Recht, z. B. ein Wertpapier an einem zukünftigen Termin zu einem festgesetzten Preis zu kaufen bzw. zu verkaufen) und schuf somit eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Optionsmarktes.

Doch schon wenige Monate nach der Preisverleihung drohte der Absturz. Mertons Hedgefonds »Long Term Capital Management« (LTCM), an dem auch Scholes als Partner beteiligt war, stand nach anfänglichen Milliardengewinnen vor dem Aus. Um eine internationale Finanzkrise zu verhindern, stützten im September 1998 mehrere Banken den Fonds mit insgesamt 3,6 Mrd. US-Dollar. Merton stieg danach aus dem Hedgefonds-Geschäft aus.

Ist der Euro gut für uns?

Wenn wir Robert A. Mundell (* 1932) glauben, können wir optimistisch sein. Der Kanadier beschäftigte sich seit den frühen 1960er Jahren mit der Frage, wann eine Währungsunion für die betreffenden Länder von Vorteil sein könnte. In den 1970er Jahren arbeitete er für die damalige EG an Plänen für eine gemeinsame Währung. 1999 – also im Jahr der Euro-Einführung – erhielt Mundell »für seine Analyse der Geld- und Fiskalpolitik in verschiedenen Wechselkurssystemen und für seine Analyse optimaler Währungsgebiete« den Nobelpreis.

Was bedeutet »attac«?

Der Name des 1998 gegründeten globalisierungskritischen Netzwerks attac spielt auf die Tobin-Steuer an. Er ist eine Abkürzung für das französische »Association pour une taxation des transactions financières pour l'aide aux citoyens«, was übersetzt heißt: Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohl der Bürger.

Das Leben welches Nobelpreisträgers wurde zum Filmstoff?

Das Leben des Mathematikers und (1994 ausgezeichneten) Wirtschaftsnobelpreisträgers John F. Nash 2001: Er untersuchte u. a. das später nach ihm benannte Nash-Gleichgewicht, in dem kein Beteiligter (»Spieler«) durch einseitiges Ändern seiner Strategie einen Vorteil erlangen kann. »A Beautiful Mind« (Hauptrolle: Russell Crowe) wurde ein Kassenschlager und gewann vier Oscars – u. a. in den Kategorien »Bester Film« und »Beste Regie«. Nash war kurz nach dem Start seiner Karriere an Schizophrenie erkrankt.

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