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Bambus: Pflanze der Dichter und Maler

Warum ist Bambus ein Gras?

Aufgrund ihres Aussehens aber auch ihres Wachstums gehören die Bambusgewächse eindeutig zu den Gräsern – und doch unterscheiden sie sich in mehrfacher Hinsicht von den restlichen Vertretern der Familie: Ihre Halme verholzen und erreichen zum Teil enorme Höhen. An den Knoten (also den verdickten Teilen der Halme) entwickeln sich Seitenzweige, und die Blätter erscheinen gestielt. Diese »Stiele« erweisen sich bei genauerem Hinsehen jedoch als stark verschmälerte Abschnitte der Blattfläche.

Übrigens: Ein Bambusstock kann viele Jahre alt werden und stirbt meist erst nach der Blüte ab. Die Blüten sitzen in Ährchen, die, je nach Art, in Rispen oder Trauben angeordnet sein können. Aus ihnen entwickeln sich meist Samenkörner wie bei den Getreidearten, aber es gibt auch Arten mit beeren- oder steinfruchtartigen Früchten.

Wann blüht der Bambus?

Viele Bambusarten sind wahre Schlafmützen; nicht selten dauert es 30 oder noch mehr Jahre, bis eine Art zu blühen geruht. Manche Arten lassen sich sogar 60, 80 oder 120 Jahre Zeit, bis sie erstmals oder auch wiederholt Blüten treiben. Wenn Bambuspflanzen allerdings endlich zur Blüte gelangen, dann tun es oftmals alle Pflanzen einer Art in ihrem Verbreitungsgebiet zur gleichen Zeit – fast wie auf Kommando.

Dieses Verhalten stellt die Wissenschaft bis heute vor ein Rätsel. Man vermutet zwar, dass die Ursache dafür genetisch bedingt ist, aber die langen Zeiträume, die zwischen zwei aufeinanderfolgenden Blühphasen des Bambus liegen, verhinderten bislang eine erfolgreiche und gründliche Erforschung dieses Phänomens. So ist bisher weder bekannt, weshalb der Bambus so selten blüht, noch weiß man, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit er endlich blüht – oder wie eine Blüte künstlich ausgelöst werden könnte.

Eine Theorie, die die geringe Blühhäufigkeit zu erklären versucht, besagt beispielsweise, dass es sich dabei um einen Schutzmechanismus handeln könnte, mit dem die Pflanze ihre Samen vor Fressfeinden schützt. Diese Überlegung leuchtet ein, denn aufgrund der äußerst langen Intervalle zwischen dem Auftreten von Bambusblüten sind deren Samen nur selten verfügbar und damit für die Tierwelt als Nahrungsquelle uninteressant.

Übrigens: Die geringe Blühfrequenz bedingt auch, dass sich Botaniker bei der Bestimmung einer Bambusart im Grunde nicht an deren Blüte orientieren können.

Weshalb fürchten Gartenfreunde die Bambusblüte?

Weil viele Bambusarten danach meistens absterben. Für die Blüte mobilisieren die Pflanzen so viel Kraftreserven, dass sie anschließend quasi »vor Erschöpfung« sterben. Da zahlreiche Bambusarten häufig gleichzeitig blühen, fallen oft ganze Bambusbestände der Blüte zum Opfer. So war beispielsweise die Art Phyllostachys bambusoides, die schon 1866 in Frankreich eingeführt und danach in vielen europäischen Ländern kultiviert wurde, nach ihrer Blüte in den 1960er Jahren in Europa plötzlich fast verschwunden. Ebenso sorgte in jüngerer Zeit das »Bambussterben« der Art Fargesia murieliae unter Gartenbesitzern für Furore. Mittlerweile weiß man allerdings, dass die Pflanzen, wenn sie z. B. durch einen Rückschnitt am Blühen gehindert werden, im folgenden Jahr wieder austreiben, solange die Wurzelstöcke vorhanden sind.

Wer ernährt sich ausschließlich von Bambus?

Der Große Panda oder Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuca), der wegen seiner Ernährungsgewohnheiten auch Bambusbär heißt. Das verborgen in Bambusdickichten lebende Tier frisst am liebsten Bambussprossen und -stängel. Weil der Nährstoffgehalt dieser Kost nicht besonders hoch ist, muss er jeden Tag große Mengen davon verzehren. Seine starke Spezialisierung wird dem schwarz-weißen Bären jedoch möglicherweise zum Verhängnis: Sterben nach der Blüte die Bambuspflanzen ab, so fehlt dem Panda danach für Jahre die Nahrungsgrundlage.

Übrigens: Der Panda ist stark vom Aussterben bedroht. In freier Wildbahn, beispielsweise in der chinesischen Provinz Sichuan im gebirgigen Grenzgebiet zu Tibet, leben gegenwärtig nur noch wenige Hundert Exemplare dieses schwarz-weißen Sympathieträgers.

Warum ist Bambus ein beliebtes Nutzholz?

Bambus ist leicht, flexibel und überaus hoch belastbar.

Das Gras liefert, und das gilt besonders für tropische Regionen, einen universellen Werkstoff, der unter tropischen Klimabedingungen anderen Materialien fast immer überlegen ist: Er rostet nicht, ist sehr stabil, druck- und zugfest, dabei aber bis zu einem gewissen Grad doch elastisch und leicht. Vor allem die stark verholzten Sprosse hoher Bambusarten wie Phyllostachys bambusoides, Bambusa tulda oder Bambusa bambos sind ausgesprochen vielseitig verwendbar. Sie dienen beispielsweise zum Bau von Baugerüsten, Häusern, Brücken, Booten und Flößen.

Nicht selten bestehen in Asien ganze Dörfer nahezu ausschließlich aus Bambus, angefangen von den Behausungen selbst über Möbel und andere Einrichtungsgegenstände bis hin zu den Wasserleitungen. Selbst in der heutigen hoch technisierten Zeit werden in Asiens Metropolen mithilfe von Bambusgerüsten nicht nur einstöckige Häuser, sondern sogar Wolkenkratzer gebaut. Solche Gerüstkonstruktionen überstehen selbst heftige Taifune meist schadlos, ganz im Gegensatz zu Stahlgerüsten.

Aus den verschiedenen Teilen der Bambuspflanzen lässt sich darüber hinaus fast alles herstellen, was man im täglichen Leben benötigt: Gerätschaften für den Haushalt wie Körbe, Matten oder Essstäbchen, Kochtöpfe aus dickem Bambusrohr, ja, sogar scharfe Messer können aus den harten Halmen gemacht werden. Außerdem ist Bambus auch in der Bekleidungsindustrie beliebt: So fertigt man aus Bambus z. B. Hüte und Jacken. Nicht zuletzt stellt man aus Bambus auch Jagdgeräte und Waffen her, etwa Reusen und Lanzen.

Welche Teile des Bambus kann man essen?

In erster Linie die Sprossen; sie nutzt man in den Heimatländern des Bambus für die Zubereitung zahlreicher Gerichte. Darüber hinaus finden die Samen des Bambus – wenn auch selten – Verwendung. Die Schösslinge des Bambus isst man in asiatischen Ländern ähnlich gern wie hierzulande den Spargel. Verschiedene Arten der Gattungen Dendrocalmus, Gigantochloa und Phyllostachys baut man daher in Plantagen an. Allein in Japan werden im Jahr 150 000 Tonnen Bambus geerntet. Die Sprosse werden gestochen, wenn sie zwischen zehn und dreißig Zentimetern lang sind. Vor dem Verzehr müssen sie allerdings gekocht werden, damit die in ihnen enthaltene Blausäure unschädlich gemacht wird.

Des Weiteren ist der »Bambusreis«, wie der Samen der Bambuspflanze auch genannt wird, zum Verzehr geeignet. Da er aber nur nach einer Bambusblüte geerntet werden kann, steht er natürlich entsprechend selten auf dem Speiseplan.

Wie wird Bambus medizinisch genutzt?

Bambus findet vor allem in der traditionellen chinesischen Medizin Anwendung. Hier nutzt man feine Bambusrohrstreifen, Bambussaft und Bambuskiesel (Kieselsäureabsonderungen, die sich innen an den Knoten der Halme bilden) als Heilmittel. Außer gegen Erkältung und Husten werden Medikamente, die Bambus enthalten, auch gegen Erbrechen und Sodbrennen eingesetzt. Bambuskiesel galt in früheren Zeiten zudem als Aphrodisiakum und wurde unter dem Namen Tabaschir gehandelt. In Indonesien benutzt man die Blätter des Bambus zum Fiebersenken. Seine Wurzeln sollen entwässern und bei Nieren- und Blasenproblemen wirksam sein. Chinesischen Schriften aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. zufolge waren Bambussplitter neben spitzen Steinen die Vorläufer der Akupunkturnadeln.

Welche symbolische Bedeutung wird dem Bambus zugeschrieben?

Der Bambus gilt in Ostasien als Sinnbild eines ethischen Ideals und verkörpert zum einen Ausdauer, Beständigkeit und Pragmatismus. Zugleich repräsentieren die schlanken, biegsamen, aber dennoch harten Rohre des Bambus einen in Asien sehr geschätzten Charaktertyp, den Nachgiebigkeit, Standhaftigkeit und Geradlinigkeit zugleich auszeichnen.

Außerdem stehen das hohle Rohr und die hängenden Blätter nach chinesischem Verständnis für innere Leere im positiven Sinn. Darunter versteht man die Leere des Herzens, mit der stets die Tugend der Bescheidenheit einhergeht. Wiegen sich die Halme im Wind, wird dies als Fröhlichkeit interpretiert – der Bambus biegt sich vor Lachen. Schließlich trotzen Bambusgewächse als immergrüne Pflanzen jeder Jahreszeit, weshalb sie auch Widerstandskraft, Treue, Langlebigkeit oder das Alter symbolisieren.

Bambus im Garten: Was muss man beachten?

Nicht alle Bambusarten sind winterhart, deshalb sollte man sich vorher genau informieren, welche Sorte infrage kommt. Alle brauchen jedoch viel Wasser, das aber nicht stauen darf. Auch Wind liebt das hohe Gras nicht, es bevorzugt deshalb einen geschützten Platz in einem Innenhof oder einer warmen Nische. Bambus ist nicht nur sehr durstig, sondern auch sehr »hungrig«: Ohne regelmäßige kräftige Düngung gedeiht er nicht richtig. Ob Sonne oder Schatten bevorzugt wird, hängt von der jeweiligen Art ab. Jene Arten, die zum Wuchern neigen, lassen sich am besten durch eine Rhizomsperre in Schach halten.

Wussten Sie, dass …

Bambusrohre auch eckig sein können? Die Halme von Chimonobambusa quadrangularis z. B. treiben von Natur aus viereckige Stängel; deshalb eignen sie sich für Bauzwecke besonders gut.

viele Bambusarten regelrechte Riesen unter den Gräsern sind? Phyllostachys edulis etwa kann eine Stängelhöhe von rund 20 Metern erreichen, Gigantochloa pseudoarundinacea etwa 30 Meter und die Stängel von Dendrocalamus giganteus werden in Ausnahmefällen sogar bis zu 35 Meter hoch.

solche Grasriesen trotzdem sehr stabil sind? Der Stängeldurchmesser bei Dendrocalamus giganteus beträgt rund 25–30 Zentimeter.

Wussten Sie, dass …

Bambus tonnenschwer werden kann? Bei einem Exemplar der Art Phyllostachys bambusoides kann das Wurzelsystem bis zu neun Tonnen wiegen, und auch die oberirdischen Teile bringen es auf zwei bis drei Tonnen.

Bambus das Gras ist, das am schnellsten wächst? Zuwachsraten zwischen 20 und 40 Zentimeter pro Tag sind keine Seltenheit; Phyllostachys bambusoides soll an einem Tag sogar einmal 120 Zentimeter zugelegt haben.

Kann man mit Bambus musizieren?

Ja, denn das gerade, glatte und natürlicherweise hohle Bambusrohr ist geradezu ideal zum Musizieren. Daher findet sich in China, Japan und Korea eine Vielzahl von einfachen und zusammengesetzten Instrumenten auf Bambusbasis. Zum Beispiel die Hsiao, eine bis 75 Zentimeter lange Längsflöte, die in China schon 1000 v. Chr. nachgewiesen wurde. Ihre japanische Schwester, die Shakuhachi, war ursprünglich ein rituelles Instrument des Zen-Buddhismus und wurde von Bettelmönchen gespielt. Die chinesische Querflöte Ti oder Titzu gehörte zur Instrumentierung der Peking-Oper, und auch die japanische Fue war aus der Hof- und Theatermusik nicht wegzudenken. Hinter den Namen Kuan (China), Hichiriki (Japan) und P'iri (Korea) verbergen sich Instrumente, die ähnlich wie eine Oboe mit einem Doppelrohrblatt gespielt werden. Aus drei bis vierzig Bambusrohrstücken zusammengesetzt sind Panflöten, die man auch in vielen anderen Kulturen findet, etwa bei den südamerikanischen Indios.

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