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Paul Gauguins Contes Barbares: Symbolistische Tagträume in Farbe

Was ist auf dem Bild zu sehen?

Zwei fast nackte junge Polynesierinnen blicken melancholisch aus dem Bild. Das schwarzhaarige Mädchen hat seine Beine überkreuzt wie bei einer der Buddhastatuen, die Gauguin von Fotos kannte. Einige wenige exotische Blumen wachsen im Vordergrund, den Hintergrund bilden Bäume und Pflanzen mit üppigen rosa Blüten. Am linken Bildrand kauert ein hellhäutiger, rothaariger Mann, der eine Hand nachdenklich unter das Kinn gelegt hat. Er trägt die Gesichtszüge des Malers Meyer de Haan, der mit Gauguin in der Bretagne gemalt hatte. Die beiden Mädchen und der Mann schweigen. Es ist Gauguin, der die »Contes Barbares« erzählt: Sagen aus dem vergangenen Leben im Einklang mit der Natur. Das Bild entstand 1902 bei Gauguins zweitem Aufenthalt in Tahiti, ein Jahr vor seinem Tod. Den flächigen und farbenreichen Malstil hatte er schon früher entwickelt, in Pont-Aven, als er sich vom Impressionismus löste.

Wie kam Gauguin zum Symbolismus?

Gauguin, der zunächst vom Impressionismus fasziniert war, entwickelte nach der Rückkehr von seinem Panama-Aufenthalt – nicht zuletzt unter dem Einfluss japanischer Farbholzschnitte – den Malstil, den er bis zu seinem Tod beibehalten sollte: reine leuchtende Farben, die nicht mehr der Gegenstandsfarbe entsprechen, flächige Formen, betont durch dunkle Konturen. Nicht die Impression eines flüchtigen Augenblicks in der Natur wollte er einfangen (wie die Impressionisten), seine Bilder sollten das Innere des Menschen zeigen. Farbe ist für ihn symbolisierende Kraft, alles Dargestellte ist Symbol, Vision, soll Imagination wecken und Meditation bewirken und verweist zugleich auf Gedanken- und Glaubenswelten, auf die vielfältigen Beziehungen zwischen Mensch und Natur.

Bei der Weltausstellung 1889 faszinierte Gauguin der Pavillon der französischen Kolonien und sein Wunsch, in die Südsee zu reisen, wurde immer stärker. Um die Reise zu finanzieren, ließ er 30 Bilder versteigern, für stolze 10000 Franc, wie er seiner unversöhnlichen Frau berichten konnte.

Wann reiste Gauguin erstmals in die Südsee?

Im April 1891 schiffte sich Gauguin in Marseille ein und kam im Juni in Papeete an. Statt eines Paradieses erwartete ihn jedoch eine durch Kolonialismus zivilisierte Gesellschaft. Gauguin blieb ein Außenseiter, der beobachtete und malte. Später zog er nach Mataiea, 40 Kilometer weiter landeinwärts. Hier verbrachte er mit der jungen Polynesierin Tehà amana, die für viele seiner Bilder Modell saß, eine glückliche Zeit. Gauguin malte sehr viel, verkaufte jedoch nichts. Geldmangel, der Beginn der Syphilis-Erkrankung und Alkoholismus setzten dem Maler zunehmend zu.

Wie nahm man die neuen Bilder in Paris auf?

1893 reiste Gauguin mit seinen Bildern und Skulpturen nach Paris, erfüllt von der Überzeugung, dort Lob und Anerkennung zu ernten. Seine Ausstellung traf zwar auf großes Interesse, viele urteilten jedoch vernichtend. Enttäuscht und verbittert verließ er Paris nach zwei erfolglosen Jahren für immer.

Zurück in Papeete, malte er in den folgenden Jahren trotz seiner Krankheit und seines Elends viele melancholische und träumerische Meisterwerke wie die »Contes Barbares« – jedes Bild ein weiterer Beleg für seine Suche nach der Reinheit einer ursprünglichen Welt.

Wie wirkte Gauguins Werk weiter?

Die dekorativ-symbolistischen Bilder des französischen Malers beeinflussten viele Künstler: darunter die Fauves, die »Neuen Wilden«, mit Henri Matisse, André Derain und Maurice de Vlaminck, die nun den Eigenwert der Farbe in den Mittelpunkt rückten. Auch die Expressionisten der »Brücke«, die mit der Verwandlung und Expression von Farbe experimentierten, stehen bis zu einem gewissen Grad bei Gauguin »in der Schuld«.

Wie wurde der Börsenmakler zum Maler der Wilden?

Noch in den 1870er Jahren arbeitete Paul Gauguin bei einem Börsenhändler in Paris. Er war verheiratet, hatte bereits vier der später fünf Kinder und sammelte Bilder der Impressionisten. Nach dem Börsenkrach von 1882 entschied er, sich nur noch der Malerei zu widmen. Seine Frau kehrte mit den Kindern nach Dänemark zurück. Ein erster Vorstoß in die Wildnis war 1887 eine Reise nach Panama. Erst 1891 kam der Maler in die Südsee. Nach der enttäuschenden Rückkehr nach Paris ging er 1893 endgültig nach Papeete.

Auf der Marquesas-Insel Hiva Oa baute er sich sein letztes Domizil, das er Maison de la Joie, »Haus der Freude«, nannte und mit Reliefs nackter Mädchen ausstattete. Hier erreichte ihn 1900 das Angebot des Kunsthändlers Ambroise Vollard, ihm für monatlich 300 Franc alle Bilder abzukaufen. Am 8. Mai 1903 starb Gauguin in seiner Hütte und wurde auf dem katholischen Friedhof von Hiva Oa begraben.

Wussten Sie, dass …

der Maler in seiner Kindheit mit seiner Mutter vier Jahre in Peru verbracht hatte?

sich der Maler bei einer Schlägerei den Knöchel verletzte, eine Verletzung, die nie mehr richtig heilte?

Gauguins Werk 1906 in einer Retrospektive in Paris ausgestellt wurde und nun die Kunstwelt in Begeisterung versetzte?

die Nachfahren der Tochter Tahiatikaometa, die ein Jahr vor Gauguins Tod zur Welt kam, noch heute auf der Südseeinsel Hiva Oa leben?

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