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Van Dycks Porträt Karls I.: Höhepunkt höfischer Barockmalerei

Was verband van Dyck mit Karl I. von England?

Wirtschaftliche Interessen. Der König, der Anthonis van Dyck 1632 an seinen Hof holte, zeigte sich spendabel, finanzierte seinem Lieblingsmaler ein ansehnliches Anwesen und einen luxuriösen Lebensstil, bedachte ihn mit kostbaren Geschenken und zeichnete ihn mit Würden aus. Van Dyck erwies sich all der Ehren würdig und erreichte in England als Porträtist einen Grad an Virtuosität, der ihn für Generationen englischer Künstler zum Vorbild machte. Mehr als 20 Porträts fertigte der flämische Künstler in nicht einmal zehn Jahren von seinem Förderer Karl I. von England an.

Welche Funktion hatte die höfische Porträtkunst?

Herrscherporträts dienten vorwiegend der Repräsentation und sollten über die bloße Abbildung des Königs hinausgehen. So bergen etwa die unterschiedlichen Rollen, in denen Karl I. von van Dyck dargestellt wurde, zusätzliche, symbolische Bedeutungen: Der König als liebender Familienvater beispielsweise steht auch für den »Vater« seiner Untertanen und betont zudem den dynastischen Aspekt des Königtums.

Welchen Prinzipien folgten solche Porträts?

Sie wurden in aller Regel geschönt. Karl I. war alles andere als ein attraktiver Mann, vielmehr schmächtig und unscheinbar. Doch sein Lieblingsmaler van Dyck wusste ihn in imposanter Gestalt darzustellen, was der Eitelkeit des Königs natürlich schmeichelte und seinem übersteigerten Bedürfnis nach Selbstdarstellung entgegenkam. Besonders gern sah er sich hoch zu Ross, in Anlehnung an das antike Reiterstandbild des römischen Kaisers Marc Aurel sogar einmal unter einem Triumphbogen. Für dieses würdevolle, fast imperiale »Reiterporträt mit dem Stallmeister St. Antoine« von 1632 ließ sich Anthonis van Dyck von seinem Vorbild Tizian inspirieren, der in beeindruckender Weise Kaiser Karl V. zu Pferd porträtiert hatte.

Eigenwilliger und künstlerisch wesentlich bedeutender ist jedoch van Dycks »Karl I. auf der Jagd« aus der Zeit um 1635. Die Szene, die wie eine zufällige Momentaufnahme wirkt, zeigt den König in der freien Natur, nachdem er vom Pferd gestiegen ist. Das Tier, das gerade von einem Bediensteten versorgt wird, ist hier nur ein Attribut, das auf die Möglichkeit des repräsentativen Reiterporträts hinweist.

Welche sozialen Aussagen stecken im Porträt Karls I.?

Die Kleidung des Monarchen wirkt schlicht und den Erfordernissen der Jagd angepasst: ein Wams, ein breitkrempiger Hut und Reiterstiefel. Und doch ist auch dieses Bildnis, bei aller Natürlichkeit der Situation, erfüllt von herrscherlicher Pose. Einige eindeutige Details weisen darauf hin, dass dieser Mann nicht einfach nur ein Jäger ist, sondern ein Aristokrat: der Degen etwa oder an Brust und Knie das Aufblitzen des hellblauen Bandes des berühmten Hosenbandordens. Selbst Karls betont ungezwungene Körperhaltung wirkt dominant: Entschlossen und breitbeinig steht er da, auf seinen Stock gestützt. Der in die Taille gestemmte linke Arm weist den Betrachter unweigerlich auf Distanz.

Entscheidend für die Wirkung ist jedoch der Blickwinkel des Malers und somit des Betrachters: Er geht von unten nach oben, wie es der gesellschaftlichen Hierarchie entspricht, an deren Spitze der König steht. Durch die Untersicht lässt van Dyck seinen »kleinen« König größer erscheinen, als er war, und gibt ihm die Gelegenheit, selbstherrlich auf die anderen – nämlich jeden Betrachter des Bildes – herabzusehen.

Welche Bedeutung hatte Karl I. für die englische Kunst?

Karl I. (Reg. 1625–1649) erwarb sich einen prominenten Platz in der Kunstgeschichte. Er gehörte zu den wichtigsten Kunstsammlern seiner Epoche, kaufte alte Meister genauso wie zeitgenössische Kunst. So liegt der heutige Reichtum der öffentlichen Museen und Galerien Großbritanniens auch in der Sammelwut des königlichen Kunstkenners begründet, der politisch allerdings eine wenig glückliche Hand bewies: Sein absolutistischer Herrschaftsanspruch und seine Bevorzugung der Katholiken führten England in den Bürgerkrieg. Karl wurde gefangen gesetzt und öffentlich enthauptet.

Wussten Sie, dass …

der Maler mit seinen Königsporträts das aristokratische Bildnis in der Barockzeit entscheidend prägte?

Anthonis van Dyck vor allem in England noch weit bis in das 18. Jahrhundert hinein als großes Vorbild für Porträtisten wie Joshua Reynolds (1723–1792) oder Thomas Gainsborough (1727–1788) wirkte? In seiner Maltechnik, mit seinem leichten und schnellen Pinselstrich, wies er bereits in die Rokokozeit hinein.

Wann begann Anthonis van Dycks künstlerische Laufbahn?

Der im Jahr 1599 in Antwerpen geborene Anthonis van Dyck galt schon früh als »Wunderkind«. Aufgrund seiner außerordentlichen Begabung wurde er bereits im Alter von zehn Jahren zu einem namhaften Maler in die Lehre geschickt. 18-jährig trat er in die Werkstatt von Peter Paul Rubens (1577–1640) ein und wurde bald mit wichtigen Aufträgen betraut. Rubens bezeichnete ihn als seinen »besten Schüler«.

1620 verließ der junge Maler die Heimat in Richtung England, wo er für Jakob I. (Reg. 1605–1625) tätig wurde. Damals lernte van Dyck Gemälde Tizians (1477–1567) kennen, die ihn zutiefst beeindruckten. Fasziniert von den italienischen Meisterwerken, reiste van Dyck nach Italien, wo er einige Jahre malerische Studien betrieb. 1627 kehrte er nach Antwerpen zurück; seit 1632 lebte er bis auf zwei kurze Unterbrechungen in England. Von 1635 bis zu seinem Tod 1641 schuf er ausschließlich Porträts, teils in Öl, teils als Radierungen und Kupferstiche.

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