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Westliche Demokratien: Vielfalt der Systeme

Wie funktioniert ein parlamentarisches System?

In demokratischen Ländern wie Deutschland wird die Regierung vom Parlament gewählt und kann durch ein Misstrauensvotum des Parlaments wieder abgelöst werden. Umgekehrt kann auch die Regierung oder das Staatsoberhaupt das Parlament auflösen. Legislative (gesetzgebende Gewalt) und Exekutive (ausführende oder vollziehende Gewalt) sind also sehr aufeinander angewiesen. Der Regierungschef, in Deutschland der Bundeskanzler, bestimmt die Richtlinien der Politik. Der Staatschef, in Deutschland der Bundespräsident, zählt auch zur Exekutive, hat aber in erster Linie repräsentative Aufgaben. Demokratischer Gegenspieler der Regierung ist nicht das ganze Parlament, sondern die parlamentarische Opposition.

Was läuft in einem Präsidialsystem anders?

Hier sind Legislative und Exekutive stärker voneinander getrennt. Der vom Volk gewählte Präsident ist – wie in den USA, einer präsidialen Bundesrepublik – als Staats- und Regierungschef nicht Mitglied des Parlaments. Präsident und Parlament kontrollieren einander, können sich gegenseitig aber normalerweise nicht entmachten.

Was macht Frankreich zum Sonderfall?

In Frankreich mischen sich parlamentarische und präsidentielle Elemente: Staatsoberhaupt ist der direkt vom Volk auf fünf Jahre gewählte Präsident. Er ernennt den Ministerpräsidenten (Premierminister) – meist gemäß den Mehrheitsverhältnissen im Parlament. So musste der sozialistische Staatschef François Mitterrand 1986–88 mit dem Gaullisten Jacques Chirac zusammenarbeiten, der seinerseits als Staatspräsident 1997 bis 2002 mit einer linken Parlamentsmehrheit und einem sozialistischen Ministerpräsidenten, Lionel Jospin, auskommen musste. In Frankreich wird diese politisch eigentlich unerwünschte Konstellation »Cohabitation« genannt.

Was darf »Monsieur le Président«?

Der Präsident der Französischen Republik ist viel weniger als der Bundespräsident in Deutschland auf Repräsentation beschränkt. Nicht nur darf er eine Kammer des Parlaments, die Nationalversammlung, auflösen und Gesetzesvorlagen zur Volksabstimmung bringen: Er ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Vorsitzender des Ministerrats.

Die Nationalversammlung (Assemblée Nationale), die wichtigere Kammer des französischen Parlaments, darf nur auf bestimmten, durch die Verfassung festgelegten Gebieten Gesetze erarbeiten. Sie hat immerhin das Recht, der Regierung das Vertrauen zu entziehen und sie so zum Rücktritt zu zwingen.

Die Abgeordneten der Nationalversammlung werden nach dem Mehrheitswahlrecht für fünf Jahre gewählt. Der Senat, die zweite Kammer, besteht aus Vertretern der Verwaltungsgebiete (Départements) und kann weder durch die Regierung noch durch den Präsidenten aufgelöst werden. Besteht zwischen den Kammern Uneinigkeit, z. B. über die Verabschiedung eines Gesetzes, entscheidet die Nationalversammlung.

Ist der amerikanische Präsident der mächtigste Mann der Welt?

Seine Machtfülle ist in der Tat enorm, ob er sie aber wirklich nutzen kann, hängt von den Mehrheitsverhältnissen im Kongress, dem Bundesparlament, aber auch von seinem eigenen Geschick ab. Wenn er als »mächtigster Mann der Welt« bezeichnet wird, hebt dies in erster Linie auf die USA als stärkste Wirtschafts- und Militärmacht ab, der er als Präsident vorsteht.

Der Präsident ist Staatsoberhaupt und Regierungschef der USA, oberster Verwaltungschef der Bundesbürokratie, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und höchster Diplomat seines Landes. Er verfügt über einen eigenen Machtapparat (»Weißes Haus«, Nationaler Sicherheitsrat) und ernennt die Regierungsmitglieder, die bis auf den Vizepräsidenten nicht dem Kongress angehören dürfen. Gegen Gesetze darf der Präsident sein Veto einlegen.

Welche Aufgaben bleiben dem US-Kongress?

Der aus zwei Kammern, Senat und Repräsentantenhaus, bestehende Kongress erarbeitet und verabschiedet die Gesetze, die vom Präsidenten unterzeichnet werden müssen. Legt der Präsident sein Veto ein, muss der Kongress mit Zweidrittelmehrheit nochmals dafür stimmen, damit das Gesetz in Kraft tritt. Der Präsident ist nicht befugt, Gesetzesentwürfe einzubringen.

Übrigens: Der Kongress kann auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten, wenn dieser gegen geltendes Recht oder die Verfassung verstößt: Dem sog. Impeachment-Verfahren wegen der Watergate-Affäre 1974 kam Präsident Richard Nixon mit seinem Rücktritt zuvor. Ein Verfahren gegen Präsident Bill Clinton im Zuge der Lewinsky-Affäre scheiterte 1999, weil sich im Senat nicht die notwendige Mehrheit fand.

Demokratie und Monarchie: Passt das zusammen?

Ja, in der parlamentarischen Monarchie. Diese Staatsform ist in Europa weit verbreitet: in Dänemark, Norwegen und Schweden, den Benelux-Staaten und in Großbritannien. Der Monarch – König, Königin oder Fürst (z. B. Großherzog von Luxemburg) – hat als Staatsoberhaupt formal die ausführende Gewalt im Staat inne, in der Realität aber überwiegend repräsentative Pflichten. Die politischen Entscheidungen treffen Parlament und Regierung. Allerdings wird der Monarch über die Grundzüge der Regierungspolitik unterrichtet.

Wo darf der Adel mitbestimmen?

In Großbritannien. Das dortige Parlament setzt sich aus Oberhaus (House of Lords) und Unterhaus (House of Commons) zusammen. Das House of Lords ist die traditionelle Vertretung des Adels und der anglikanischen Bischöfe. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war es maßgeblich an der Gesetzgebung beteiligt.

Heute bedürfen die meisten Gesetze nicht mehr der Zustimmung des Oberhauses, dessen Mitglieder ja nicht vom Volk gewählt wurden; auch die Erblords haben im Zuge einer Reform 1999 dort ihren Sitz verloren. Allerdings kann das Oberhaus das Inkrafttreten von Gesetzen aufschieben. Nur bei Gesetzesvorhaben, die die Legislaturperiode des Parlaments verändern würden, muss das Oberhaus zustimmen.

Die entscheidende gesetzgebende Kammer ist das Unterhaus, dessen Mitglieder in allgemeinen, freien und geheimen Wahlen auf fünf Jahre bestimmt werden. Die Regierung mit dem Premierminister an der Spitze rekrutiert sich aus dessen Abgeordneten und wird von der Königin ernannt. Der Premierminister hat (wie der deutsche Kanzler) Richtlinienkompetenz, lenkt also die Politik. Außerdem kann er die Auflösung des Parlaments bestimmen und Neuwahlen ansetzen.

Wer spielt in der Schweiz die wichtigste Rolle?

Die Kantone. In der bundesstaatlich organisierten Schweizerischen Eidgenossenschaft genießen sie große Selbständigkeit. Die Zentralregierung hat nur Befugnisse über Gesetzesvorhaben, die das ganze Land betreffen; alles andere entscheiden die Kantone.

Landesweit relevante Gesetze werden vom Parlament verabschiedet; die Bundesversammlung wählt auch die Regierung (den Bundesrat), kann sie aber nicht absetzen oder durch Misstrauensvotum stürzen. Die Bundesversammlung besteht aus zwei Kammern: dem durch die Gesamtbevölkerung gewählten Nationalrat (200 Abgeordnete) und dem Ständerat (46 Mitglieder), in den die 26 Kantone und Halbkantone ihre Vertreter entsenden. Der Bundesrat besteht aus sieben Ministern (Bundesräten); einer von ihnen übt jeweils ein Jahr die Funktion des Staatsoberhaupts (Bundespräsident) aus.

Geht alle Macht vom Volke aus?

In einer richtigen Demokratie geht die Macht immer vom Volke aus. In der Schweiz aber werden die Bürger besonders stark und direkt in die politische Willensbildung eingebunden. Wenn 50 000 Bürger (oder acht Kantone) es verlangen, müssen Gesetze der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden. Bei Verfassungsänderungen auf zentraler oder auf kantonaler Ebene sieht die Verfassung stets einen Volksentscheid vor. 1992 lehnte z. B. die Mehrheit der Schweizer den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ab, obwohl die meisten Parteien und die Regierung für eine Mitgliedschaft waren.

Im deutschen Grundgesetz wurde auf direktdemokratische Elemente verzichtet, um das Volk nicht wie in der Weimarer Republik (1919–33) der Agitation von Feinden der Demokratie auszusetzen. Allerdings wurden im letzten Jahrzehnt auf kommunaler und Landesebene Bürgerbegehren und Bürgerentscheide eingeführt.

Wer sind die Gaullisten?

Die Gaullisten gehen auf Charles de Gaulle (1890–1970) zurück, den ehemaligen Präsidenten Frankreichs (1958–69). Sie setzen sich vor allem für die nationale Unabhängigkeit Frankreichs ein und sind eher bürgerlich und konservativ geprägt. Die gaullistische Partei RPR (Sammlungsbewegung für die Republik) wurde 1976 von Jacques Chirac (Präsident seit 1995) gegründet. Am 17. November 2002 schlossen sich die bürgerlichen Parteien, darunter die RPR, sowie die rechtsliberale DL und die Zentrumspartei UDF zu einer Partei nach Vorbild der deutschen CDU zusammen: zur Union für eine Volksbewegung (UMP).

Wie wird in den USA gewählt?

Die Mitglieder des Kongresses und der Präsident werden in drei separaten Wahlvorgängen bestimmt. Alle vier Jahre legen die zwei großen Parteien, die Democratic Party (eher fortschrittlich) und die Republican Party (eher konservativ), mithilfe von Vorwahlen ihre Präsidentschaftskandidaten fest. Gewählt wird der Präsident von Wahlmännern, die von den Bürgern in direkter Wahl bestimmt werden. Jedem Bundesstaat stehen so viele Wahlmänner zu, wie er Sitze im Kongress hat. Alle Wahlmänner eines Bundesstaates sind verpflichtet, für den Kandidaten zu stimmen, der in ihrem Staat die meisten Stimmen errungen hat. Im Senat sitzen für jeden Bundesstaat zwei Vertreter, die von den Bürgern des jeweiligen Staates für sechs Jahre gewählt werden. Im Repräsentantenhaus richtet sich die Zahl der Vertreter nach der Größe des Bundesstaats. Diese Abgeordneten werden im jeweiligen Bundesstaat für zwei Jahre gewählt. Aufgrund der getrennten Wahlen können Kongressmehrheit und Präsident unterschiedlichen politischen Lagern angehören.

Wussten Sie, dass …

die Schweiz auch einen lateinischen Staatsnamen hat? Confoederatio Helvetica. Offizielle Amtssprachen sind aber nur Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

ehemalige britische Premierminister gemeinhin geadelt (Sir, Dame) werden und dann das Recht auf einen Sitz im Oberhaus haben?

die Schweizer Regierung seit 1959 von allen vier großen Parteien gebildet wird: den Freisinnigen (FDP), den Christdemokraten (CVP), den Sozialdemokraten (SPS) und der Volkspartei (SVP)?

die britische Königin Elizabeth II. nicht nur Oberhaupt des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, sondern von insgesamt 16 der 53 Staaten des Commonwealth of Nations (Gemeinschaft der ehemaligen britischen Kolonien) ist?

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