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Der Tatort feiert Jubiläum – seit 50 Jahren den Tätern auf der Spur

Sonntag, 20:15 Uhr ist traditionell Tatort-Zeit. Ob Geiselnahme, Kindsmord oder Vergewaltigung - die Kommissare bringen jeden Fall gekonnt ans Licht. Die beliebte Fernsehreihe ist für Millionen Deutsche, Schweizer und Österreicher fast schon ein wöchentliches Ritual. Und das mittlerweile schon seit 50 Jahren. Zu diesem Jubiläum blicken wir zurück auf die Erfolgsgeschichte des Fernsehhits Tatort.
ABO, 27.11.2020

Von Anfang an dabei: Seit dem Start der Reihe im Jahr 1970 wird der "Tatort" durch denselben Vorspann - durch einen Schlitz blickende Augen und eine flüchtende Person - eingeleitet.

WDR

„Tatort“ ist eine Kriminalfilm-Reihe, in der in der Regel jeder Film eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählt. Wechselnd und wiederkehrend ermitteln verschiedene Team aus KommissarInnen in einem Kriminalfall, bei dem auch der Zuschauer die Hintergründe erst während des Handlungsverlaufs nachvollziehen kann. Die Fälle werden dabei immer möglichst realitätsnah dargestellt.

Wie es überhaupt dazu kam

Die Idee zur Krimireihe stammt von Gunther Witte, der vor gut 50 Jahren im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks (WDR) eine neue Krimiserie entwickeln sollte. Damals suchte man nach einem Nachfolger der sogenannten Stahlnetz-Krimis der ARD und wollte sich gleichzeitig gegen den Konkurrenten „Der Kommissar“ vom ZDF durchsetzen.

Die Anregung zum Tatort lieferte eine ältere Serie des „Rundfunks im amerikanischen Sektor“ (RIAS), eines nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin gegründeten Radiosenders. Unter dem Titel „Es geschah in Berlin“ behandelte die Hörspielreihe damals Kriminalfälle in Berlin. Daran orientiert wählte Witte schließlich für seine Serie den Titel „Tatort“, der ursprünglich vor dem Namen des jeweiligen Handlungsortes stehen sollte.

Um die Kosten der Krimiserie zu verteilen, wollte Witte die anderen regionalen ARD-Anstalten beteiligen. Sie sollten jeweils die Folgen, die im eigenen Sendegebiet spielen, produzieren. Sein Konzept stieß bei einer Sitzung der ARD-Fernsehspielchefs zunächst auf wenig Interesse. In der nächsten Sitzung 1970 wurde es aber genehmigt und sollte direkt umgesetzt werden – es blieb nicht mal mehr Zeit, eigene Filme für die Reihe zu produzieren.

Mit dem „Taxi nach Leipzig“ ging es los

Schließlich war es soweit: Am 29. November 1970 wurde der erste Tatort ausgestrahlt. Die erste Folge wurde vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) produziert und nannte sich „Taxi nach Leipzig“. Walter Richter spielte darin den Kommissar Trimmel.

In den ersten Jahren erschien durchschnittlich ein neuer Film pro Monat. Ab den frühen 1990er- Jahren erhöhte sich die Häufigkeit der Erstsendungen und liegt mittlerweile bei etwa 35 pro Jahr. Ein neuer Teil wurde und wird in der Regel sonntags zur Hauptsendezeit um 20:15 Uhr im Ersten, sowie mittlerweile auch im Österreichischen Rundfuns (ORF 2) und im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF 1) gezeigt. Während in der Anfangszeit die einzelnen Folgen unterschiedliche Längen von teilweise bis zu knapp zwei Stunden aufwiesen, hat sich seit Ende der 1980er-Jahre eine einheitliche Länge von etwa 88 Minuten pro Folge durchgesetzt.

Der Schauspeiler Walter Richter, rechts mit Zigarre, löste 1970 in der Rolle des Hamburger Kommissars Trimmel den allerersten Tatort-Fall.

NDR / Scharlau

Der Blick durch den Schlitz

Mit der ersten Krimifolge wurde auch der bekannte Vorspann der Tatort-Folgen produziert: Die durch einen Schlitz blickende Augen, eine flüchtende Person und eine sich einzeichnende Zielscheibe. 1970 wurde diese Szene in München vom bayerische Schauspieler Horst Lettenmayer gespielt, der für den Dreh einmalig 400 D-Mark bekam. Die Grafikdesignerin des Vorspanns war Kristina Böttrich-Merdjanowa, die hierfür einmalig 2.500 D-Mark erhielt.

Die Tatort-Titelmusik wurde 1970 von Klaus Doldinger komponiert und im Lauf der Zeit zweimal, in den Jahren 1979 und 2004, leicht verändert. Das Schlagzeug in der Erstfassung spielte Udo Lindenberg.

Eberhard Feik (l.) und Götz George (r.) waren in den 1980er-Jahren als Christian Thanner und Horst Schimanski in Duisburg unterwegs und zählen bis heute zu populärsten Tatort-Ermittlern.

WDR

Die Struktur im Wandel

Während der berühmte Vorspann bis heute gleich blieb, veränderten sich die Handlungen im Laufe der Zeit deutlich: In den frühen Folgen standen die zu lösenden Fälle und die Verdächtigen, Zeugen und Täter im Vordergrund der Handlung. Die Kommissare spielten darin überwiegend nur als den Fall klärende Polizisten eine Rolle. Zu Beginn der 1980er-Jahre wurde aber immer mehr auch die persönliche Geschichte der Ermittler erzählt – eingeleitet vom Auftritt des legendären Ruhrpott-Kommissars Horst Schimanski im Jahr 1981.

Am Anfang waren die Kommissare meist Einzelkämpfer ohne festen Kollegen. Doch im Laufe der Zeit kam es zu einer verstärkten Einbindung der Assistenten. Seit den 1990er- Jahren gibt es fast ausschließlich mehrere gleichberechtigte Ermittler und Ermittlerinnen. Einzelkämpfer wie beispielsweise Kommissarin Lindholm sind die Ausnahme. Auch Gastauftritte anderer Ermittler und weibliche Besetzungen wurden immer häufiger.

Üblicherweise ist jedes Ermittlerteam einem festen Kommissariat zugeordnet und agiert so weitgehend an den gleichen Standorten. Doch das macht es für die Zuschauer nicht langweilig, denn die Ausstrahlungen der verschiedenen Teams wechseln stetig. So spielt der eine Krimi beispielsweise in Berlin, der nächste in Köln und danach folgt ein Hamburger Tatort. Dabei werden auch die regionalen Besonderheiten der Standorte in die Handlung mit eingearbeitet Beliebt ist etwa der Kölner Dom als Hintergrund der Schlussszene im Kölner Tatort.

Als es schließlich zum Erfolg kam

Und das Konzept ging auf: Zu Beginn der Tatort-Ausstrahlungen in den 1970er Jahren erreichte die Serie Einschaltquoten bis zu mehr als 25 Millionen Zuschauern, da es damals noch keine Konkurrenz durch Privatsender gab. Der erfolgreichste Tatort aller Zeiten ist „Rot – rot – tot“ des Süddeutschen Rundfunks (SDR) mit Kommissar Lutz als Ermittler. Die Episode wurde am 1. Januar 1978 ausgestrahlt und von über 26 Millionen Zuschauern gesehen.

Ab den 1980er-Jahren sanken die Quoten durch die Konkurrenz des Privatfernsehens ab. Mit im Schnitt um die sieben Millionen Zuschauern in Deutschland blieben die Quoten bis zu den 2000er-Jahren dennoch vergleichsweise hoch. Im Jahr 2011 erreichte der Tatort dann wieder rund 8,5 Millionen Zuschauer pro Folge, 2013 sogar über neun Millionen.

Besonders beliebt sind die WDR-Ermittler Boerne und Thiel: Seit 2010 erreichten sie als derzeit quotenstärkstes Team mit allen Erstsendungen jeweils über 10 Millionen Zuschauer in Deutschland. Die Tatortfolge „Fangschuss“ vom 2. April 2017 erreichte mit über 14 Millionen den derzeitigen Rekord des Ermittlerteams.

Die Schauspieler Jan Josef Liefers (Rechtsmediziner Boerne) und Axel Prahl (Kriminalhauptkommissar Thiel) bilden aktuell das zugkräftigste Ermittlerteam der Tatort-Reihe.

Seit 50 Jahre vom Erfolg gekrönt

All die Erfolge macht die Fernsehreihe Tatort bis heute zu einer der zuschauerstärksten und langlebigsten Fernsehserien in Deutschland überhaupt, denn mittlerweile sind schon über 1.100 Krimifolgen entstanden. 2009 stellte der Tatort 32 der 50 meistgesehenen Serienepisoden im deutschen Fernsehen, 2010 waren es 13 der 15 meistgesehenen Filme im deutschen Fernsehen.

Etliche Filme aus der Reihe erhielten Nominierungen und Prämierungen für bekannte Film- und Fernsehpreise, darunter den „Grimme-Preis“, den „Deutschen Fernsehpreis“, die „Goldene Kamera“ und die „Romy“.

Das Erfolgsrezept

Aber was genau macht den Tatort so besonders? Eine Besonderheit ist, dass in den Krimis stets auch gesellschaftliche Themen aufgegriffen werden, so zum Beispiel der Konflikt zwischen den gesellschaftlichen Schichten, Rassismus oder die deutsche Teilung. Daneben behandeln viele Tatort-Folgen auch politische Themen wie etwa die Migrationspolitik in Deutschland, Bestechung oder Terrorismus. Dadurch zeichnen die Kirmis imme auc eine Art Sittenbild der Gesellschaft ihrer Zeit. Gleichzeitig bekommen die Zuschauer in vielen Folgen Einblicke in spezielle, ihnen oft unbekannte Bereiche wie Jugendclans, Migrationsfamilien oder Gruppen organisierten Verbrechens.

Auch die Kontinuität macht es: Seit Beginn der Erfolgsserie vertrauen die Produzenten auf einen stets ähnlichen Aufbau ihrer Handlungen. In den ersten Minuten finden die Ermittler meistens einen Toten, ohne klare Hinweise auf den Tathergang oder den Täter. Danach folgt die Ermittlung ohne komplizierte Vorschauen und Rückblenden bis es schließlich zur glorreichen Aufklärung des Falls kommt. Ein Erfolgsrezept, das vermutlich auch zum 50. Jubiläum eine Menge Zuschauer vor den Fernseher locken wird.

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