Er wartete, bis die Dunkelheit die Erde mit ihrer kalten Faust umschloss und die Straßenlaternen wie Notsignale aufleuchteten. Seine Hände wurden feucht. Freudige Erwartung kitzelte seine Magengrube. Wie hatte er diesen Tag herbeigesehnt. Acht Wochen lang hatte er sich vorbereitet. Das Wetter war optimal. Die Novemberkälte, welche die Grenze zwischen Herbst und Winter aufhob, war ein zuverlässiger Komplize. Er liebte die kalte Jahreszeit, wenn die Nacht schon am frühen Abend begann. Es würde einfach werden.
Er wandte sich vom Fenster ab und schritt zu seinem Schreibtisch. Nahm den malvenfarbenen Hefter zur Hand, strich sanft mit den Fingerspitzen über die matte Oberfläche. Er hatte lange nach der richtigen Farbe gesucht. Zuerst hatte er ein dunkles Rot ausgewählt, aber es hatte nicht gepasst. Zu aggressiv für Margareta. Sie verdiente eine weichere Farbe, eine, die mit ihren dunklen Locken, ihrem rundlichen Körper harmonierte. Mit ihrer Freundlichkeit.
Er brauchte den Ordner nicht zu öffnen, nicht darin zu lesen, er kannte alle Daten auswendig: Alter, Familienstand, Arbeitszeiten, Gewohnheiten, Heimweg. Alles passte so perfekt wie nie. Er legte ihn zurück zu den übrigen Ordnern, jeder in einer anderen Farbe. Es wurde Zeit.
Im Schlafzimmer zog er sich sorgfältig um. Er hatte schon am Morgen alles bereitgelegt. Die paar Passanten, die der Kälte trotzten, würden ihn für einen dieser Spinner halten, die bei jedem Wetter, zu jeder Uhrzeit joggten. Sie würden mit großstädtischer Gleichgültigkeit an ihm vorübergehen und ihn vergessen.
Ohne ein Geräusch zu machen, verließ er die Wohnung. Sich vollkommene Lautlosigkeit anzutrainieren, war harte Arbeit gewesen. Er atmete tief die kalte, metallisch schmeckende Luft ein. Dann lief er los, die Straße runter, vorbei an den graffitibeschmierten Fassaden, der demolierten Bank, auf die sich noch nie jemand gesetzt hatte, und wo es nach Katzenpisse roch. Er bog um die Ecke, lief circa fünfhundert Meter weiter, dann stoppte er.