wissen.de Artikel
Spanien in der Krise - der Katalonien-Konflikt
Um welche Region geht es überhaupt?
Katalonien liegt im Nordosten Spaniens, an der Grenze zu Frankreich. Die Region rund um die Metropole Barcelona hat 7,5 Millionen Einwohner und ist eine der 17 autonomen Gemeinschaften in Spanien. Im Vergleich zu anderen Regionen genießt Katalonien bereits relativ weitreichende Autonomierechte. So hat die Region zum Beispiel eine eigene Polizei und ein eigenes Schulsystem.
Vielen Katalanen reicht das jedoch nicht: Sie sehen sich aufgrund historischer, sprachlicher und kultureller Unterschiede zum übrigen Spanien als eine eigene Nation an. Von der spanischen Zentralregierung fühlen sie sich oftmals bevormundet. Ihre Kultur und Sprache, das Katalanische, werde nicht respektiert. Aus diesem Grund strebt die Regionalregierung in Barcelona unter Präsident Carles Puigdemont die Unabhängigkeit an. Katalonien soll in Zukunft komplett selbst über sein Schicksal entscheiden können.
Gibt es historische Gründe für das Bestreben?
Kataloniens Selbstverständnis als unabhängige Nation reicht tatsächlich weit in die Geschichte zurück. Bis ins 15. Jahrhundert hinein war Katalonien eine eigenständige Macht – neben Kastilien die wichtigste auf der iberischen Halbinsel. 1469 begannen sich die Königreiche Kastilien und Aragon, zu dem Katalonien gehörte, durch die Hochzeit von Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien zwar anzunähern. Doch Katalonien behielt trotz dieser Personalunion noch lange seine Unabhängigkeit.
Erst 250 Jahre später verlor die Region in Folge des Spanischen Erbfolgekriegs ihre Eigenständigkeit – forderte aber immer wieder die Autonomie. Dieses lang ersehnte Ziel erreichte sie nach dem Sturz der spanischen Monarchie im Jahr 1931 und wurde zur autonomen Gemeinschaft innerhalb der Spanischen Republik. Doch die Unabhängigkeit währte nicht lange: Nach dem Spanischen Bürgerkrieg wurden Katalonien unter der Franco-Diktatur sämtliche Sonderrechte aberkannt, das Katalanische verlor den Status der Amtssprache.
Viele politische Häftlinge aus Katalonien, das sich während des Bürgerkriegs zur wichtigsten Bastion gegen den heraufziehenden Faschismus entwickelt hatte, wurden nach dem Sieg Francos in Konzentrationslagern interniert. Diese Erfahrung mag die ohnehin historisch verankerte Ablehnung einer Bevormundung durch eine spanische Zentralgewalt gestärkt haben. Nach der Diktatur erkämpften sich die Katalanen den Status einer "autonomen historischen Gemeinschaft".
Welche Rolle spielt das Geld?
Sicherlich spielt auch das Geld eine Rolle für den Wunsch Kataloniens nach einer vollständigen Abspaltung. Die Region galt schon immer als exportorientiert und leistungsstark und ist vergleichsweise reich. Das liegt unter anderem daran, dass hier viele große Unternehmen sitzen – zum Beispiel der Sekthersteller Freixenet. Viele dieser Firmen drohen allerdings angesichts der rechtlichen Unsicherheiten im Falle einer Unabhängigkeit schon jetzt mit dem Wegzug.
Bisher haben diese Konzerne der Region hohe Steuereinnahmen beschert. Einen relativ großen Teil davon muss Katalonien jedoch jedes Jahr in die Staatskasse einzahlen und damit andere, schwächere Regionen unterstützen. Viele Katalanen halten diese Steuerbehandlung durch den spanischen Staat für ungerecht. Die Region bekäme dafür zu wenige Leistungen zurück und werde beispielsweise beim Ausbau von Zugstrecken oder Flughäfen benachteiligt. Tatsächlich sind separatistische Bestrebungen wohlhabender Regionen in Europa kein Einzelfall – Katalonien gliedert sich damit in eine Reihe mit Gebieten wie Südtirol, Flandern oder Schottland ein.
Warum ist der Konflikt jetzt eskaliert?
2006 wähnten sich die katalanischen Nationalisten bereits am Ziel. Denn am 30. März räumte das spanische Parlament Katalonien weitgehende Vollmachten in der Steuergesetzgebung und im Justizwesen ein. Außerdem erkannte es die Region als Nation an. 2010 jedoch dann der große Vertrauensbruch: Ausgerechnet Mariano Rajoy, der heutige Ministerpräsident Spaniens, und seine konservative Volkspartei klagten vor dem Verfassungsgericht gegen diese Entscheidung – und bekamen Recht.
2010 entschied das Gericht unter anderem, dass die Beschreibung Kataloniens als Nation keine gesetzliche Gültigkeit habe. Seitdem ist das Verhältnis zwischen Katalonien und der Zentralregierung zerrüttet. Regelmäßig demonstrieren die Katalanen an "ihrem" Nationalfeiertag am 11. September für ihre Rechte. Seit 2012 gab es zudem eine ganze Reihe von Unabhängigkeitsreferenden.