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Harte Tür oder Stuhlkreis: Der Umgang mit politischen Themen im Netz
Seit Donald Trump ist alles anders. Oder zumindest schärfer, direkter. Entgegen den Erwartungen der Öffentlichkeit wurde er Präsident. Seitdem rätselt die Öffentlichkeit über die Rolle von Fake-News und Bots, die Bedeutung von Echokammern und Big Data. Über allem aber steht die Frage: Wie geht man mit Andersdenkenden im Netz um?
Es gibt für diejenigen, denen eine liberale, offene Gesellschaft wichtig ist, zwei Möglichkeiten. Die "harte Tür" gegen alle, die auf einer nicht-liberalen Linie unterwegs sind. Oder den "Stuhlkreis": Der bewusste Austausch mit Andersdenkenden. Letztlich der Versuch, gemeinsam ins Gespräch zu kommen und damit weiteres Auseinanderdriften zu verhindern.
Facebook: Echokammern und Filterblasen
Das weltweit größte Netzwerk, in dem über 20 Millionen deutsche Nutzer angemeldet sind, lebt von Algorithmen. Facebook sammelt Daten seiner Mitglieder. Auf Basis dieser Informationen werden den Mitgliedern Seiten und Personen vorgeschlagen, mit denen sie sich verbinden können. Sie werden in eine bestimmte Richtung geschickt. Dies hat wirtschaftliche Gründe, denn mit Inhalten, die jemand mag, lässt sich die Penetration der Nutzer stärken – und somit mehr Reichweite und Interaktion für die Werbeindustrie herstellen.
Ich selbst habe den Test gemacht: Mit Liken der AfD-Fanpage wurden mir weitere Seiten wie "Lügenpresse" und "Einzelfälle" vorgeschlagen, auf denen es im Kern flüchtlings- und medienkritische Beiträge gibt. Man bewegt sich plötzlich nur noch auf einer Seite des Meinungsspektrums. Die Beiträge bedienen nur diese Seite und bestärken den Nutzer in seinen Einschätzungen. Dies ist die Echokammer. Die Filterblase. Das Ganze funktioniert für die andere politische Seite ganz ähnlich.
Bereit für Gegenmeinungen?
Will ich verhindern, dass sich diese Kammern und Blasen verstärken und somit noch mehr Trennung aufkommt, dann muss es mein Ziel sein, dass Nutzer bewusst auch andere Angebote lesen. Das wird nur gelingen, wenn Nutzer und Medien bereit sind, sich mit Gegenmeinungen zu befassen.
Klare Ausnahme: Wirkliche Hetzer und Nutzer, die sich außerhalb des demokratischen Spektrums äußern und so gegen jede Community-Regel verstoßen würden, sind in meinen Augen aus der Konversation auszuschließen.
Der Actio-Reactio-Effekt
Die Mechanik in den sozialen Netzwerken, insbesondere in Facebook, ist die der direkten Interaktion. Likes, Kommentare und Shares sind die Währung. An ihnen lässt sich ablesen, wie resonanzfähig Inhalte sind. In politischen Fragen geht es häufig um Identifikation. Um echte Unterstützung. In Zeiten stärker werdender politischer Pole leben die jeweiligen Seiten enorm von dieser sozialen Währung.
Eine verstärkte Resonanz auf der einen Seite wird eine verstärkte Resonanz auf der anderen Seite zur Folge haben. Die Diskussionen laufen fast abgekapselt in den jeweiligen Echokammern. Abzulesen war dies kürzlich an der Kampagne #keinGeldfuerRechts. Zwar erreicht die Kampagne ihr Ziel, dass Unternehmen schauen, auf welchen Seiten sie Werbung laufen lassen und diese zu Teilen abschalten. Gleichzeitig formiert sich dort aber eine enorme Unterstützung für eben diese Seiten. Die Bindung an die Angebote steigt, die Fronten verhärten sich weiter.