wissen.de Artikel
Übersetzung von Verträgen, Dokumenten und Urteilen für den Europäischen Gerichtshof
Als Rechtsprechungsorgan der Europäischen Union hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, kurz EuGH, vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Mit Sitz in Luxemburg ist das höchste rechtssprechende Organ der Europäischen Gemeinschaft Verfassungsgericht, Verwaltungsgericht, Arbeits- und Sozialgericht, Strafgericht und Zivilgericht in Einem. So vielfältig und umfangreich seine Aufgaben sind, so exorbitant ist die tägliche Flut an Dokumenten, die es für die Mitarbeiter zu bewältigen gilt – und das in den 24 Amtssprachen. Wie ist diese überhaupt zu bewältigen?
Da die nationalen Regierungen wie die Europäische Union selbst demokratisch legitimierte Institutionen sind, hat jeder EU-Bürger Rechtsanspruch auf ungehinderten Zugang zu allen Vorgängen und Schriften, die ihn mittelbar und unmittelbar betreffen. Dies schließt den Faktor Verständlichkeit ein, jedes EU-Dokument muss in allen 24 Amtssprachen zugänglich und übersetzt sein, damit Privatpersonen, Behörden und nationale Gerichte sie auch verstehen können.
Am Beispiel des EuGH bedeutet das verbriefte Recht eines jeden EU-Bürgers, sich bei Fragen in seiner jeweiligen Muttersprache an die EU-Organe wenden zu können, im Umkehrschluss aber auch, dass die Anliegen gleichzeitig in die 24 Sprachen übersetzt werden müssen – sei es offiziell von der Generaldirektion Übersetzung der Europäischen Kommission (GD) oder von einem privaten juristischen Übersetzungsdienst.
Die Generaldirektion Übersetzung
Die GD ist – wie im Leitfaden der Europäischen Kommission formuliert – der offizielle, interne Sprachendienst der Europäischen Kommission, der für Europa übersetzt und in allen Amtssprachen der EU arbeitet. Amtssitz ist Brüssel. Mit rund 2.500 Angestellten ist der GD eine der weltweit größten Übersetzungsdienste, die Mitarbeiter müssen eine akademische Qualifikation nachweisen können und EU-Bürger sein. Über umfangreiche Auswahlverfahren bietet sich den Bewerbern die Chance, einen der begehrten unbefristeten Beamtenstellen mit entsprechender Vergütung ergattern zu können.
In Brüssel und Luxemburg übersetzen Menschen aus den 28 EU-Staaten Rechtsvorschriften, Strategiepapiere, Artikel fürs Web und andere Texte in die 24 Amtssprachen der EU und bei Bedarf in Nicht-EU-Sprachen wie Russisch oder Chinesisch. (Quelle: sprachennetz.org)
Der Übersetzungsdienst des Europäischen Gerichtshofes
Die beiden goldenen Türme (siehe Abbildung) beherbergen den Übersetzungsdienst, dem eine eigene Direktion mit den einzelnen Sprachabteilungen vorsteht. Übersetzer müssen über juristisches Know-how verfügen und mindestens zwei weitere Sprachen neben der eigenen Muttersprache beherrschen.
Während den Verhandlungen im Gerichtssaal arbeiten Dolmetscher in 24 Glaskabinen, jeder Anwesende kann sein Anliegen in der jeweiligen Muttersprache vorbringen, das simultan von einem der zuständigen Mitarbeiter übersetzt wird. Die Glaskabinen sind auf zwei Ebenen rund um den Saal verteilt. Ein Kopfhörer mit Sprach-Wahlmöglichkeit befindet sich an jedem Platz im Sitzungssaal.
Folgender YouTube-Beitrag informiert über das Berufsbild des Dolmetschers am Europäischen Parlament:
Der EuGH ist verpflichtet, alle Schlussanträge der Generalanwälte sowie alle Urteile der beiden Gerichte in sämtlichen Amtssprachen zu veröffentlichen.
Verfahren am EuGH – Eine Übersicht
Ein Standardverfahren am Europäischen Gerichtshof bedarf einer schriftlichen und mündlichen Phase mit öffentlicher Verhandlung. Generell gibt es zwei Arten von Verfahren, die Abläufe gestalten sich jeweils in folgende Einzelschritte, die auf blogspot.de ausführlicher nachzulesen sind:
- Verfahren in Klagesachen:
- Einreichen einer Klageschrift an die Kanzlei des EuGH
- Veröffentlichung der Klage, ihres Antrages und der Inhalte im Amtsblatt der Europäischen Union
- Zustellung der Klageschrift an den Beklagten mit einmonatiger Beantwortungsfrist
- Gewähren einer einmonatigen Frist zur Erwiderung des Klägers und Gegenerwiderung des Beklagten
- Ernennung eines Berichterstatters und Generalanwalts von Seiten des Präsidenten oder Ersten Generalanwalts
- Gewähren einer Ein-Monats-Frist zur Beantwortung der Frage, ob eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden soll
- Entscheidung des Gerichtshofes über die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme nach Hörung des Berichterstatters und Generalanwalts
- Entscheidung des Gerichtshofes über die Zuweisung der Rechtssache
- Entscheidung des Gerichtshofes über eine mündliche Verhandlung
- Erstellen des Sitzungsberichts durch den Berichterstatter
- Veröffentlichung des Berichts während der mündlichen Verhandlung in den jeweiligen Verfahrenssprachen
- Darlegungen der Streitparteien in der mündlichen Verhandlung
- Fragestunde des Richters und des Generalanwalts an die Streitparteien
- Vortragen der Schlussanträge des Generalanwalts vor Gericht
- Beratung der Richter auf Grundlage eines vom Berichterstatter erstellten Urteilsentwurfs
- Entscheidung der Richter mit Stimmenmehrheit und anschließende Unterzeichnung der Urteile
- Bekanntmachung in öffentlicher Sitzung
- Publikation der entsprechenden Urteilsdokumente auf den Internetseiten des Gerichtshofes noch am gleichen Tag
- Verfahren in Vorabentscheidungssachen
- Vorlegen einer nationalen, richterlichen Entscheidung zu Fragen nach Auslegung oder Gültigkeit von EU-Rechtsurteilen vor dem Gerichtshof
- Übersetzung des Gesuchs vom Übersetzungsdienst des Gerichtshofes in alle übrigen EU-Amtssprachen
- Zustellung der Anträge an die Rechtsparteien sowie durch sie vertretenen Mitgliedsstaaten und Behörden
- Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union mit Angabe zu Streitparteien und Klageinhalt
- Einräumen einer zweimonatigen Frist zur schriftlichen Einreichung von Erklärungen und Stellungnahmen der Streitparteien
- Gewähren einer Ein-Monats-Frist zur Beantwortung der Frage, ob eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden soll
- Entscheidung des Gerichtshofes über die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme nach Hörung des Berichterstatters und Generalanwalts
- Entscheidung des Gerichtshofes über die Zuweisung der Rechtssache
- Entscheidung des Gerichtshofes über eine mündliche Verhandlung
- Erstellen des Sitzungsberichts durch den Berichterstatter
- Veröffentlichung des Berichts während der mündlichen Verhandlung in den jeweiligen Verfahrenssprachen
- Darlegungen der Streitparteien in der mündlichen Verhandlung
- Fragestunde des Richters und des Generalanwalts an die Streitparteien
- Vortragen der Schlussanträge des Generalanwalts vor Gericht
- Beratung der Richter auf Grundlage eines vom Berichterstatter erstellten Urteilsentwurfs
- Entscheidung der Richter mit Stimmenmehrheit und anschließende Unterzeichnung der Urteile
- Bekanntmachung in öffentlicher Sitzung
- Publikation der entsprechenden Urteilsdokumente auf den Internetseiten des Gerichtshofes noch am gleichen Tag