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Warum schauen wir Horrorfilme?

Markerschütternde Schreie, rollende Köpfe, spritzendes Blut: Sollten uns Filme mit so schaurigen Inhalten nicht eher abschrecken als anziehen? Auf den ersten Blick scheint es paradox, dass sich viele Menschen bewusst Filme anschauen, die mit ihrer eigenen Angst spielen. Warum tun wir es also? Was ist der Reiz des Gruselns?
AMA, 31.10.2022
Symbolbild Horrorfilme

SrdjanPav, GettyImages

Horrorfilme wie „Es“, „Der Exorzist“ oder „Hannibal“ haben weltweit hunderte Millionen Dollar eingespielt. Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass sie den Nerv vieler Menschen treffen. Offensichtlich entfaltet das Anschauen von gruseligen Szenen einen ganz eigenen Reiz. Doch was begeistert uns daran? Und warum ist der eine ein großer Horrorfan, während der andere das Genre strikt meidet?

Was fasziniert uns an Horrorfilmen?

Ein großer Faktor bei Horrorfilmen ist die typische Mischung aus Anspannung und Entspannung: Der Hauptteil des Horrorfilms besteht meist aus aufregenden, teils verstörenden Ereignissen, die unser Herz rasen, unsere Handflächen schwitzen und unseren Atem stocken lassen. Verfolgungsjagden in der Dunkelheit, das Aufblitzen einer Axt, brutale Kämpfe zwischen Mörder und Protagonist. Doch die meisten Horrorfilme erreichen irgendwann einen Punkt, an dem die quälende Anspannung vom Zuschauer abfällt. Wenn der Held die Bösewichter besiegt hat und sich sein Leben wieder normalisiert. Dieser Spannungsbogen, das Auf und Ab der Gefühle, macht den Reiz von Horrorfilmen aus.

So lautet zumindest eine gängige Theorie, die die Freude am Horrorerlebnis erklären will. Doch was ist mit gruseligen Filmen, die am Ende keine positive Auflösung haben? Eine alternative Theorie geht davon aus, dass auch der Nervenkitzel an sich, ohne anschließendes Happy End, anziehend wirken kann. Dass Menschen die Filme alleine deshalb genießen, weil sie mit Zerstörung, Aufregung und Unvorhersehbarkeit aufwarten. Das passt möglicherweise auch zu den biologischen Prozessen, die währenddessen in unserem Körper ablaufen. In Gefahrensituationen – und auch beim Anschauen von Horrorfilmen – schüttet unser Gehirn den Botenstoff Dopamin aus. Der hat einen euphorisierenden Effekt, was erklären könnte, warum der Nervenkitzel bei einigen Menschen mit positiven Gefühlen einhergeht.

Wir haben aber nicht erst seit der Erfindung der Filmkamera Lust am Gruseln, wie der Potsdamer Psychologe Gerd Reimann in einem Interview mit t-online betont: „Früher gab es öffentliche Hinrichtungen oder Folter. Das waren Massenveranstaltungen, auch noch in unserer christlich geprägten Religion.“ Zu solchen schaurigen Veranstaltungen strömten im Altertum und Mittelalter oft Menschen in Scharen – ähnlich wie wir heute ins Kino. Doch längst nicht jeder findet Freude am Gruseln. Es gibt durchaus geteilte Meinungen zum Thema.

Was beeinflusst unsere individuelle Horrorneigung?

Was Horror angeht, haben sich zwei ziemlich gegensätzliche Lager etabliert: Diejenigen, die das Genre lieben und es nicht grausam genug haben können, und diejenigen, denen Horrorfilme keine Freude, sondern lediglich Albträume bescheren. Es gibt verschiedene Faktoren, die beeinflussen, wie sehr uns Horrorfilme anziehen oder abstoßen. In Studien zeigte sich etwa, dass Männer lieber gruselige Filme schauen als Frauen. Das könnte damit zusammenhängen, dass Frauen sich in der Regel schneller fürchten und auch ekeln.

Außerdem spielt das Alter eine Rolle. Kinder fürchten sich in der Regel mehr, weil sie noch nicht so gut zwischen realer und tatsächlicher Gefahr unterscheiden können. Erwachsene sind meist abgestumpfter, was damit zusammenhängen kann, dass sie bereits viele gruseligen und gewalttätigen Szenen gesehen haben und dadurch gewissermaßen desensibilisiert sind. Es gibt Hinweise darauf, dass wir mit zunehmendem Alter weniger Interesse an Horror zeigen.

Zu guter Letzt können auch Charaktereigenschaften beeinflussen, ob wir Horror mögen oder nicht. So hatten Menschen mit geringem Einfühlungsvermögen in Studien mehr Freude an Horrorfilmen. Ebenso genießen Menschen mit ausgeprägtem Hang zu Sensationslust gruselige Filme tendenziell mehr. Menschen dieses Typs erleben gern Nervenkitzel und Neues. Sie neigen dazu, für neue Erlebnisse zum Beispiel körperliche Risiken wie Extremsport oder Drogenkonsum einzugehen.

Jeder Mensch hat also andere Toleranzgrenzen, wenn es um Angst oder Darstellungen von Gewalt und Tod geht. Diese Grenzen sollte man respektieren und niemanden zum Schauen eines Horrorfilmes zwingen. Halloween-Stimmung kann schließlich auch durch Kürbisschnitzen und Süßigkeiten aufkommen.

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