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Joseph-Ignace Guillotin

KEL

 

Heute vor 200 Jahren starb Joseph-Ignace Guillotin. "Die Guillotine ist eine Maschine, die den Kopf im Handumdrehen entfernt und das Opfer nichts anderes spüren lässt als ein Gefühl erfrischender Kühle", so beschrieb Guillotin 1790 das neuartige Hinrichtungsgerät. Doch Guillotin war keineswegs der Erfinder der nach ihm benannten Fallbeil-Maschinerie. Ganz im Gegenteil: Er war ein Gegner der Todesstrafe und dennoch wäre ohne ihn die Guillotine wohl nie entwickelt worden.

Kupferstich-Porträt Guillotins
Gemeinfrei

Am 28. Mai 1738 wurde Joseph-Ignace Guillotin als neuntes von dreizehn Kindern in Saintes geboren. Als vorzüglicher Schüler widmete er sich bei den Jesuiten in Bordeaux sieben Jahre lang theologischen Studien. Doch vielmehr als geistliche Schriften beschäftigte Guillotin die Anatomie des Menschen. Und so tauschte er die Kirchenbank gegen einen Bibliotheksplatz: Von 1763 bis 1770 studierte er in Reims und Paris Medizin.

Guillotin ging es um Gerechtigkeit und Humanität

Während Guillotin an der Pariser Universität Anatomie, Physiologie und Pathologie lehrte, begann er in seiner freien Zeit Freimaurerlogen aufzusuchen. Die liberalen Grundideale der Freimaurer faszinierten ihn: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. In diesen ethischen Grundsätzen fand Guillotin seine tiefsten Überzeugungen zum Ausdruck gebracht. Er setzte sich für die Pressefreiheit und die Verbesserung der öffentlichen Hygiene ein. Ganz besonders missfielen ihm aber die öffentlichen Hinrichtungen.

Zu seiner Zeit wurden Todesstrafen auf grausamste Weise vollstreckt: Verbrennen, Erhängen oder Vierteilen etwa gehörten zu den praktizierten Tötungsmethoden, die vielfach mit einem langsamen und qualvollen Sterben verbunden waren. Der Grad der Grausamkeit richtete sich dabei nicht etwa nach der Schwere des Verbrechens, sondern vielmehr nach dem Geldbeutel des Verurteilten. So konnten sich Adelige und Reiche einen schnellen Tod durch das Schwert oder die Axt erkaufen, während die Armen auch bei nur kleinen Vergehen mit einer qualvollen Hinrichtungsart, wie etwa dem Hängen am Galgen, rechnen mussten.

Hinrichtungen sollten schnell, schmerzfrei und würdig sein

Guillotin empfand diesen Zustand als menschenverachtend und untragbar. Er war grundsätzlich gegen die Todesstrafe. Zu der damaligen Zeit war an eine Abschaffung von öffentlichen Hinrichtungen jedoch nicht zu denken. Sowohl die Politik, als auch das Volk selber verlangten nach der Tötung von Verbrechern vor Publikum. Wenig Sinn hätte es gemacht, die Abschaffung der Todesstrafe zu beantragen.

Guillotin entschied sich daher dafür, sich mit ganzer Kraft für eine humanitäre Tötung einzusetzen. Er beantragte 1789 die Einführung eines mechanischen Enthauptungsgerätes. Schnell und schmerzfrei solle die Hinrichtung ablaufen, so seine Idee. Egal ob Adel oder Bettler: Für jeden gleich solle die Tötungsmethode außerdem sein. Nach Guillotins Vorstellung sollten Hinrichtungen zudem in einem privaten und würdevollen Rahmen ablaufen. Charles Henri Sanson, der sogenannte Henker von Paris, unterstützte ihn dabei. Plastisch berichtete er von den Nachteilen der Enthauptung mit dem Schwert.

Von 1792 bis 1977 trennte die Guillotine Kopf und Körper

In dem Gutachten, dass der königliche Leibarzt Antoine Louis über den Antrag verfasste heißt es: "Eine solche, niemals versagende Maschine wird sich leicht herstellen lassen." Louis war es auch, der den Prototyp der Guillotine entwarf. Das Fallbeil von Halifax, das als Tötungsmaschine in Schottland eingesetzt wurde, diente ihm dabei als Vorbild. Am 20.März 1792 führte Ludwig XVI. die Guillotine als humanitäre Tötungsart in Frankreich ein. Ein knappes Jahr später - im Januar 1793 - konnte er sich dann selbst von der Humanität dieses Geräts überzeugen.

Der erste Mensch, der durch die Guillotine den Tod fand, hieß Nicolas Jacques Pelletier. Seine Straftat: Er wurde beschuldigt, einem Straßenpassanten unter Anwendung von Stockhieben die Brieftasche geraubt zu haben. Bis zur Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich 1981 blieb die Guillotine das offizielle Exekutionsgerät. Die letzte Enthauptung fand 1977 in Marseilles statt: Am 10. September betrat Hamida Djandoubi, dem vorgeworfen wurde, seine Freundin brutal ermordet zu haben, als letzter zum Tode Verurteilter das Schafott.

Wie die Guillotine zu ihrem Namen kam

Porträtstich Antoine Louis
Gemeinfrei

Der Name "Guillotine", unter dem wir auch heute noch das Tötungsgerät kennen, war allerdings keineswegs die offizielle Bezeichnung für das Fallbeil. "Louisette", nach dem Erbauer Antoine Louis, so war die ursprüngliche Bezeichnung für das Enthauptungsgerät. Das Volk hingegen gab der Maschine mit der scharfen Klinge andere Spitznamen wie "das nationale Rasiermesser" oder "die Kurzmacherin". Erst die damalige Presse prägte schließlich den Begriff Guillotine, der sich letztendlich durchsetzte. Welche Enttäuschung diese Nachricht in Guillotin auslöste, ist leicht vorzustellen, war er doch ein tief überzeugter Gegner der Todesstrafe an sich.

Guillotin wurde 75 Jahre alt. Er starb am 26. März 1814 in Paris. Nach seinem Tod bat seine Familie, den Namen der Hinrichtungsmaschine zu ändern, damit der Name Guillotin nicht auf ewig als der einer Hinrichtungsmethode in Erinnerung bliebe. Die Regierung lehnte dies ab, woraufhin die Angehörigen von Joseph-Ignace Guillotin ihren Familiennamen änderten.

(26.03.2014)

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