Lexikon
Heinrichs Gang nach Canossa
Heinrichs Gang nach Canossa
Unter dem Druck des Ultimatums der deutschen Fürstenopposition zog Heinrich IV. um die Jahreswende 1076/77 über die Alpen, um von Papst Gregor VII. die Lösung vom Bann zu erreichen. Lampert von Hersfeld (* um 1025, † zwischen 1071 und 1085) beschrieb in seinen Annalen die Begegnung auf der Burg Canossa.
Da kam der König, wie ihm befohlen war, und da die Burg von drei Mauern umgeben war, wurde er in den zweiten Mauerring aufgenommen, während sein ganzes Gefolge draußen blieb, und hier stand er nach Ablegung der königlichen Gewänder ohne alle Abzeichen der königlichen Würde, ohne die geringste Pracht zur Schau zu stellen, barfuß und nüchtern vom Morgen bis zum Abend, das Urteil des Papstes abwartend. So verhielt es sich am zweiten, so am dritten Tag. Endlich am vierten Tag [in Wirklichkeit am dritten] wurde er zu ihm vorgelassen, und nach vielen Reden und Gegenreden wurde er schließlich unter folgenden Bedingungen vom Bann losgesprochen:Er solle an einem vom Papst zu bestimmenden Tag und Ort auf einer allgemeinen Versammlung, zu der die deutschen Fürsten berufen würden, erscheinen und auf die Anklagen, die man vorbringen werden, Bescheid geben; der Papst solle, wenn er es für vorteilhaft halte, selbst als Richter die Entscheidung treffen, und er solle auf seinen Richterspruch hin entweder die Krone behalten, wenn er sich von den Vorwürfen reinige, oder ohne Unmut verlieren, wenn seine Vergehen erwiesen seien und er nach den kirchlichen Gesetzen für die Zukunft der königlichen Würde für unwürdig erklärt werde; er solle, ob er nun die Krone behielte oder verlöre, für diese Demütigung in alle Zukunft an niemandem Rache nehmen. Bis zu dem Tage aber, an dem seine Sache nach einer förmlichen Untersuchung entschieden werde, dürfe er keinerlei königlichen Schmuck tragen, keine Abzeichen der königlichen Würde anlegen, keine staatlichen Verwaltungsmaßnahmen wie sonst gewöhnlich aus eigener Machtvollkommenheit vollziehen und keine rechtskräftige Entscheidung treffen; endlich dürfe er außer der Einforderung der königlichen Gefälle, die zu seinem und seiner Leute Lebensunterhalt nötig seien, kein königliches, kein staatliches Gut in Anspruch nehmen; auch sonst sollten alle, die ihm eidlich Treue zugesagt hätten, einstweilen von der Bindung an diesen Eid und der Treuepflicht gegen ihn vor Gott und den Menschen frei und entbunden sein... Falls er nach Widerlegung der Anschuldigungen mächtig und erstarkt auf dem Thron bleibe, soll er dem Papst immer untertan und gehorsam sein... Endlich, wenn er einem dieser Punkte zuwiderhandle, soll die jetzt so heiß von ihm ersehnte Lösung vom Bann ungültig sein,... und die Reichsfürsten würden..., jeder Bindung an ihren Eid ledig, einen anderen König wählen, auf den sie sich einigen würden.
Der König nahm die Bedingungen mit Freuden an und versprach mit den heiligsten Beteuerungen, sie alle einhalten zu wollen... Nach der Lösung vom Bann hielt der Papst ein feierliches Hochamt...
Nach Beendigung des Gottesdienstes lud er den König zum Mahl, und nachdem dieser sich gestärkt und er ihn genau über alles unterrichtet hatte, was er zu beachten habe, entließ er ihn auf das Gnädigste zu den Seinen, die weit außerhalb der Burg zurückgeblieben waren.
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