Lexikon

indische Kunst

Plastik

Die indische Bildhauerkunst begann im Industal im 3. Jahrtausend v. Chr. mit Darstellungen menschlicher und tierischer Körper aus Stein, Bronze und Terrakotta. Echte Stilentwicklungen sind erst vom 3. Jahrhundert v. Chr. an zu beobachten. Unter Ashoka entstand das für die Kunst seiner Zeit charakteristische Löwenkapitell von Sarnath. Diesen achämenidisch beeinflussten Erstwerken folgte die Periode der religionsgebundenen Bildhauerei (200 v. Chr.300 n. Chr.), deren Stilmerkmale die rustikale Wuchtigkeit und statuarische Haltung der männlichen Figuren, der Drang zur Füllung jeden freien Platzes in den Reliefs und das Fehlen der Perspektive sind. Typisch sind dick gebildete Turbane, schwere Ohrringe und sehr breite Halsringe und -ketten. Die Reliefs der Stupazäune und -pforten von Sanchi und Bharhut sind Hauptbeispiele dieser Kunst, deren Stil in der Schule von Mathura aufgenommen und weiterentwickelt wurde. Mathura beherrschte in den folgenden Jahrhunderten die Kunst ganz Indiens; nur die hellenistisch-buddhistische Kunst von Gandhara bildete eine Ausnahme. Mathura-Künstler entwickelten den klassischen Stil, der sich durch Ausgewogenheit in den Proportionen, verhaltene Bewegtheit der Figuren und sparsame Verwendung von Schmuckformen auszeichnet. Klassische buddhistische und hinduistische Figuren sind von einer Anmut und Erhabenheit, wie sie keine Kunst der Welt adäquater zur Ehre anderer Gottheiten geschaffen hat.
In den Skulpturen und Reliefs der nachmittelalterlichen Tempel wirkte dieser Stil lange nach, doch lassen sich vor allem an monumentalen Werken in den Höhlen von Mahabalipuram, Badami, Ellora und Elephanta lokale Eigenentwicklungen beobachten, die statt der Proportionen die Funktionen der Körperglieder betonen. Die Themen für die Bildwerke lieferten religiöse Legenden und Mythen. Der zunächst durch Symbole vergegenwärtigte Buddha wurde im 1. Jahrhundert n. Chr. erstmals als Mensch gestaltet. In zahlreichen Kompositionen werden Begebenheiten seines Lebens und seiner früheren Existenzen geschildert. Im Mittelalter entstanden buddhistisch-hinduistische Mischformen von komplizierter Ikonographie. Der Darstellung des Buddha ähnlich ist die des Jina und seiner 24 Vorläufer, die durch ihre Nacktheit auffallen. Die hinduistischen Bildwerke sind überwiegend den Göttern Vishnu, dem Welterhalter, und Shiva, dem Weltzerstörer, gewidmet. Vishnu auf der Weltschlange und Vishnu in den zehn Verkörperungen sind die seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. wiederkehrenden Themen. Ähnlich sind Shiva und seine Gefährtin Parvati sowie der tanzende Shiva, der die Befreiung der Seelen symbolisiert, als Zentralgestalt zahlreicher Legenden häufig dargestellt. Der elefantenköpfige Gott Ganesha gilt als Sohn des Shiva. Eine Sonderstellung nimmt die shivaitische Mutter-Göttin Durga, die Bezwingerin des Stierdämonen Mahisha, ein, deren Emanation die furchtbare Kali ist. Die je zur Hälfte männliche und weibliche Darstellung des Shiva und der Durga in einer Gestalt versinnbildlicht die dualistische Macht dieses Götterpaares. Das Lingam (Phallussteine) ist ein in jedem shivaitischen Tempel anzutreffendes Kultsymbol.
  1. Einleitung
  2. Architektur
  3. Plastik
  4. Malerei

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