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„News Fatigue“: Wenn uns der ständige Nachrichtenfluss erschöpft

Im Internet, vor allem in den sozialen Medien, sind wir ständig mit Nachrichten konfrontiert. Diese Nachrichtenflut kann uns überfordern und unter Umständen sogar zu sogenannter „News Fatigue“ führen – einer Erschöpfung durch übermäßigen Nachrichtenkonsum. Wie kommt es dazu? Welche Rolle spielen Social Media dabei? Und was können wir gegen die Erschöpfung tun?
SSC, 07.05.2025
Symbolbild News Fatigue

© fizkes (Frau) und Alona-Horkova (Hintergrund), beide iStock

Morgens geht der erste Griff zum Handy: Mit halb offenen Augen wird die liebste Nachrichten- oder Social-Media-App geöffnet und erstmal ein wenig durch den Feed gescrollt. Was gibt es Neues? Kriege, Krisen, Klimawandel – ständig hagelt es neue Schlagzeilen. Den ganzen Tag kommen wir immer wieder mit diesen Inhalten in Kontakt. Inzwischen berichten immer mehr Menschen, dass sie sich von Nachrichten überfordert und gestresst fühlen – sie schalten ab, scrollen weiter oder meiden News ganz. Woran liegt das?

Hunderte Male statt einmal täglich

Vor Zeiten von Social Media und Internet informierten sich Menschen vor allem über Tageszeitungen und das Fernsehen über die neuesten Nachrichten. „Wenn man zum Beispiel eine Tageszeitung abonniert hat, erhält man ein Zeitungspaket pro Tag. Als Fernsehzuschauer hat man eine bestimmte Tageszeit, zu der man die Nachrichten empfängt“, erklärt Heesoo Jang von der University of North Carolina at Chapel Hill. „Die Menschen werden weniger ermüdet, weil es eine Grenze gibt.“

Bei sozialen Medien ist das anders: „Die sozialen Medien sind etwas komplizierter als das Internet, denn sie sind von Natur aus so konzipiert, dass sie zum Verweilen einladen. Social-Media-Plattformen spielen mit der Angst, etwas zu verpassen“, erklärt Jang. Hinzu kommt, dass wir auf Apps wie Instagram oder TikTok endlos scrollen können – neuer Content lädt ständig nach. „Designmerkmale wie dieses ermöglichen es den Menschen, mehr Nachrichten auf sozialen Medien zu sehen, was zu Ermüdung führt“, so die Medienwissenschaftlerin.

Die Folgen der Nachrichtenflut

Doch nicht nur die Menge an Nachrichten, die auf uns einprasselt, ist auf Social-Media-Plattformen größer – auch die Art, wie sie Nachrichten vermitteln, ist anders. „Sensationsjournalismus erhält viel Aufmerksamkeit. Er setzt auf reißerische Schlagzeilen, um Klicks zu generieren. Algorithmen in sozialen Medien verstärken diesen Effekt, indem sie solche Inhalte priorisieren“, erklärt Jan Michael Rasimus von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Karlsruhe. „So entsteht leicht ein verzerrtes Weltbild, das sich vorwiegend auf negative Ereignisse konzentriert.“

Das bleibt nicht ohne Folgen. Der ständige Kontakt zu solchen negativen Informationen kann dazu führen, dass wir uns abkapseln, uns vor der Zukunft fürchten oder uns ständig ärgern – aber auch dazu, dass wir uns gar nicht mehr mit Nachrichten beschäftigen. In den meisten Ländern ist das Interesse an Nachrichten in den letzten zehn Jahren um etwa 20 Prozent gesunken, wie der jüngste Digital News Report des Reuters Institute for the Study of Journalism zeigt.

Experten befürchten, dass die Vermeidung von Nachrichten auch die Demokratie gefährden könnte, da diese von offenem Austausch, Debatten und der Beteiligung an politischen Prozessen lebt. All das setzt jedoch voraus, dass Menschen über das aktuelle Geschehen Bescheid wissen.

Bewusster Konsum statt ständiger Häppchen

Aber warum überfordert uns die ständige Nachrichtenflut überhaupt? „Unser Gehirn ist darauf ausgerichtet, Gefahren frühzeitig zu erkennen“, erklärt Rasimus. „Doch in der digitalen Welt gibt es keine Pause mehr. Die permanente Konfrontation mit negativen Nachrichten hält unser Stresssystem in Daueralarmbereitschaft.“ Das kann uns erschöpfen und so zu Angst oder depressiver Stimmung führen.

Um „News Fatigue“ zu vermeiden, rät Rasimus dazu, feste Zeitfenster für den Nachrichtenkonsum einzuplanen und bewusst digitale Pausen im Alltag zu schaffen. Zusätzlich sollten wir qualitativ hochwertige, verlässliche Medien den schnellen Sensationsmeldungen vorziehen. „Das reduziert Stress und fördert ein ausgewogenes Bild der Realität.“ Es kann auch helfen, bewusst Nachrichten zu konsumieren, die sich auf positive Entwicklungen konzentrieren. Auf vielen Social-Media-Plattformen gibt es Accounts, die ausschließlich solche „Good News“ posten.

„Wir sollten Nachrichten nicht meiden, sondern gezielt und reflektiert konsumieren“, so Rasimus.

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