Studien- und Semestergebühren, Miete und Mensa - Studieren ist eine teure Angelegenheit. Knapp bei Kasse zu sein, ist sozusagen der finanzielle Normalzustand eines Studenten. Und zwar, seit es Universitäten gibt. So sind auch Stipendien, günstige Wohnheime und Studentenrabatte keine Erfindung der Neuzeit. Wir blicken auf die Anfänge der europäischen Universitäten und erforschen, wie es im Mittelalter um die Mägen und Münzbeutel der Scholaren - und der Magister - bestellt war. Hören Sie heute „Kopf voll – Bauch leer“, einen Beitrag von Susanne Dreisbach.
Das BaföG des Mittelalters
Gleiche Bildungschancen für alle! Das ist eine Forderung, die das deutsche Bildungssystem noch immer nicht erfüllt hat. Viel zu häufig hängt die Entscheidung für oder gegen ein Studium vom elterlichen Einkommen ab. Das ist besonders traurig, wenn man bedenkt, dass schon die Universitäten des Mittelalters dieses Problem erkannt haben. Ihr Lösungsversuch: Mittellosen Studenten wurden die Immatrikulationsgebühren erlassen, man richtete Freitische für die angehenden Gelehrten ein, ging mit regelmäßigen Kontrollen gegen den Wucher bei der Untervermietung von Zimmern vor und vermittelte Studenten aus einfachen Verhältnissen Darlehen, die sie natürlich - so wie heute das BaföG und die Studienkredite - später zurückzahlen mussten.
In Bologna, das 1119 die erste Rechtsschule Europas gegründet hatte, waren ausgewählte Kaufleute und Bankiers im Besitz einer Lizenz, die sie bemächtige, Sonderkredite an die Scholaren zu verleihen. Auch in Paris lag die Kreditvergabe in den Händen angesehener Bürger, die man "Große Boten" oder "nuntii maiores" nannte. Ihr Geschäft bestand unter anderem darin, den Studenten die elterlichen Beiträge auszuzahlen oder vorzustrecken.
Hungrige Magister
Besonders die "Magister der Artes", der Sieben Freien Künste: Logik, lateinische Grammatik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik, waren in der Regel arme Schlucker und genossen auch im Volk keinen besonders guten Ruf. Besser angesehen waren dagegen die Magister der Rechtswissenschaften und der Medizin, zumal ihre Fächer im Gegensatz zur brotlosen Kunst der Philosophen als "scientiae lucrativae", also als lukrative Wissenschaften, galten. Auch das mag uns heute noch bekannt vorkommen.
Kleriker, von Geldsorgen unberührt
Aus den alten Kloster- und Domschulen entwickelten sich im 12. Jahrhundert die ersten Universitäten Europas. Die Kleriker begannen, außerhalb der Kathedralschule Schüler um sich zu sammeln und ihnen Wissen zu vermitteln. Diese Magister wurden im Vergleich zu ihren Kollegen an den weltlichen Fakultäten kaum von finanziellen Sorgen geplagt.Für sie war dank der Kirchenpfründe gesorgt.
Noch heute geht, wer wirklich Geld verdienen will, in die Wirtschaft und wendet Wissenschaft und Lehre nach dem Uniabschluss schnell den Rücken zu. Dabei verdienen die Universitätsprofessoren von heute im Vergleich zu den Lehrkräften aus der Anfangszeit der Universitäten ein wahres Vermögen. Denn, wer im Mittelalter nicht gerade Magister an einer theologischen Fakultät war und damit auf kirchliche Pfründe zurückgreifen konnte, war auf die Bezahlung durch die Studenten angewiesen. Die Scholaren mussten nämlich Hörgeld, eine Art Studiengebühr, entrichten. Jedoch klagten die hungrigen Magister häufig genug über die schlechte Zahlungsmoral ihrer Scholaren: Lernen wollten sie alle, nur zahlen wolle niemand.
Die frühen WGs und Wohnheime
Das Hotel Mama ist natürlich immer eine Möglichkeit über die Runden zu kommen. Saubere Wäsche und immer etwas Warmes zu essen sind so jedenfalls garantiert. Viele Studenten, gerade in Deutschland, ziehen es jedoch vor, auf eigenen Füßen zu stehen und Hausherr oder -herrin im eigenen kleinen Reich zu sein. Auch wenn das meist nur aus 15,5 Quadratmetern inklusive Nasszelle und Herdplatte in einem Wohnheimbunker besteht oder auch aus einem WG-Zimmer plus Kühlschrankfach und Küchenregalhälfte.
Natürlich waren auch die mittelalterlichen Kommilitonen auf eine Uni-nahe Unterbringung angewiesen, zumal die Universitäten anfangs noch äußerst rar gesät waren. So mussten deutschsprachige Studenten über lange Zeit sehr, sehr weite Wege - bis nach Bologna, Prag oder Wien - in Kauf nehmen, denn erst im 14. und 15. Jahrhundert richteten auch deutsche Städte wie Heidelberg, Köln, Erfurt, Würzburg, Leipzig und Rostock die ersten Universiäten ein.
Fern vom mütterlichen Herd richteten sich die Scholaren also in Hospizen, Bursen oder Kollegien ein. Dabei kann man die "hospicia" als Pendant zur modernen WG bezeichnen, denn in diesen Pensionen mieteten sich mehrere Studenten gemeinsam ein. Die Bursen dagegen, in denen eine Wochenmiete fällig war, glichen eher den heutigen Internaten. In den Ess- und Schlafsälen, der Bibliothek, den Unterrichts- sowie den beheizbaren Wohnräumen herrschte eine strenge Hausordnung, Umgangssprache war Latein. Das Regiment führte meist ein Magister, der so sein mageres Professorenhonorar aufzubessern suchte. Wer wiederum in einem Kollegien untergekommen war, musste sich mit einem halbklösterlichen Lebensstil abfinden. In diesen Internatsstiften war die Teilnahme an Seelenmessen zum Wohle des Stifters Vorschrift, Würfel- und Kartenspiele oder gar Damenbesuch dagegen strengstens untersagt.
Festzuhalten bleibt: Wer sich für ein Universitätsstudium entscheidet, muss finanzielle Abstriche machen. Das war bereits im Mittelalter der Fall und hat sich auch im 21. Jahrhundert nicht wesentlich geändert. Die Freitische heißen heute lediglich Mensen, die Bursen Wohnheime. Ein wesentlicher Unterschied und kleiner Trost für heutige Studenten mag sein, dass es jedem selbst überlassen ist, mit wieviel Ablenkung und Zerstreuung er die subventionierte Studienzeit verlängert - und verteuert.
Susanne Dreisbach, wissen.de-Redaktion