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Skulpturen im Meer: Lanzarote bekommt Europas erstes Unterwassermuseum
Eine sitzend zusammengekauerte Frau, ein Mann am Schreibtisch, ein VW-Käfer, eine ganze Gruppe von stummen Gestalten – die Figuren des britischen Bildhauers Jason deCaires Taylor sind einerseits ganz alltäglich, andererseits aber völlig fremd. Denn die Skulpturen stehen nicht einfach nur an einer Straße oder in einem Museum. Stattdessen befinden sie sich auf dem Meeresgrund, umspült vom Wasser und bläulichen Licht des Ozeans.
Brücke zwischen Land und Meer
Für den Bildhauer ist genau dieser Widerspruch das Reizvolle und in gewisserweise auch Sinn seiner Kunst: "Mein Ziel ist es, eine Verbindung oder Brücke zwischen einer unbekannten Meereswelt und unserer gewohnten Welt an Land zu bilden", erklärt deCaires Taylor. Gleichzeitig möchte er durch seine Unterwassermuseen den Blick für die Schönheit, aber auch Bedrohung der Meeresumwelt öffnen.
Mehr als 500 Skulpturen hat der Künstler bereits in den flachen Küstengewässern vor den Bahamas, Cancun und den Antillen platziert. Bei Tauchgängen und durch Glasbodenboote lassen sie sich bewundern. Der Clou daran: Im Laufe der Zeit verändern sich die Statuen und Installationen aus pH-neutralem Beton und umweltschonenden Materialien. Denn auf ihren Oberflächen siedeln sich Algen und Korallen an, Fische umschwimmen die Skulpturen und verleihen dem Ganzen eine fast irreale Atmosphäre. Die Kunst wird damit zum Grundstock für ein neues, künstliches Riff.
Das Museo Atlántico auf Lanzarote
Am 7. Februar 2016 wurden nun auch vor Lanzarote die ersten Skulpturen von Jason deCaires Taylor ins Wasser abgesenkt. Sie legen den Grundstein für das Museo Atlántico – das erste Unterwassermuseum Europas. Die Figuren stehen in 15 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund der Bucht Las Coloradas. Die Skulpturengruppen stellen anhand menschlicher Figuren verschiedene Szenarien des täglichen Lebens nach. Bewohner der Insel Lanzarote selbst standen dem Künstler Modell.
Dass deCaires Taylor gerade Lanzarote als Standort für seine Kunst wählte, ist dabei kein Zufall: Die Vulkaninsel mit ihrer einzigartigen Natur hat schon früher Künstler angelockt – darunter Cesar Manrique, dessen Kunstwerke bis heute die Insel prägen. "Als Biosphären-Reservat und mit dem künstlerischen Erbe von Manrique ist Lanzarote eine essenzielle Referenz für die dreiteile Beziehung von Kunst, Natur und Nachhaltigkeit", sagt der Bildhauer. "Ähnlich wie der Meeresboden scheint die Landschaft mit ihren Vulkanen und dunklen Lavaströmen, aus der Zeit und aus dem Raum gefallen."
Die Skulpturen transportieren aber durchaus aus klare Botschaften. Das "Floß von Lampedusa" beispielweise zeigt eng zusammengedrängte Menschen auf einem Floß und soll zum Nachdenken über die Flüchtlingsproblematik in Europa anregen. Eine andere Figurengruppe zeigt fotografierende Menschen und thematisiert damit die Allgegenwart von Kameras und den Voyeurismus. In der Mitte des neuen Unterwassermuseums bekommt die Natur eine Stimme: Eine Art Unterwassergarten bildet das Zentrum der Installation.
Jason deCaires Taylor stellt in diesem Video einige seiner Unterwasser-Skulpturen vor.