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Ginkgo biloba: Ein lebendes Fossil

Was ist einzigartig am Ginkgo?

Seine Blätter und die männlichen Geschlechtszellen. Steht man einem Ginkgo (Ginkgo biloba) zum ersten Mal gegenüber, fallen seine ungewöhnlichen Blätter auf: Fächerförmig, mit feinen Nerven durchzogen und in der Mitte mit einem Einschnitt versehen, erinnern sie an die Fiederblätter mancher Farnarten. Auch die Tatsache, dass die männlichen Geschlechtszellen dank einer Geißel frei beweglich sind, rückt ihn eher in die Nähe der Sporenpflanzen wie Farne, Moose und Algen. Andererseits geht jedoch die Befruchtung wie bei den Samenpflanzen vonstatten: Gelangen die männlichen Geschlechtszellen auf die Samenanlage, wächst ein Pollenschlauch bis zur Eizelle. Auch die Struktur des Ginkgoholzes ist dem der Samen tragenden Koniferen sehr ähnlich.

Übrigens: Die Samen des Ginkgo kann man essen; in China und Japan werden sie geröstet oder zu Suppen und anderen gekochten Speisen verarbeitet.

Seit wann gibt es den Ginkgobaum?

Die Urahnen des Ginkgobaums tauchten bereits vor rund 280 Millionen Jahren auf, seine direkten Vorfahren sind allerdings erst etwa 80 Millionen Jahre später belegt. Angesichts seiner altertümlichen Merkmale wurde der Ginkgobaum schon von Charles Darwin als »lebendes Fossil« angesehen, dessen Stammbaum weit in die Erdgeschichte zurückreicht. Ihre Blütezeit entfalteten die Ginkgogewächse im Erdmittelalter vor ca. 150 Millionen Jahren, als sie in schätzungsweise über 100 Arten auf der gesamten Nordhalbkugel, aber auch im heutigen Chile, in Südafrika, Teilen Australiens und in Neuseeland verbreitet waren. Vor rund 70 Millionen Jahren existierten bereits Arten, die sich von dem heutigen Ginkgo biloba nicht mehr unterscheiden. Sie waren noch bis vor rund fünf Millionen Jahren Charakterbäume der Laubmischwälder Nordamerikas und Europas. Heute gibt es nur wenige Überlebende an natürlichen Standorten: Das letzte Refugium liegt im Tien-Mu-Shan-Gebirge im Südosten Chinas.

Was macht die Heilkraft des Ginkgo aus?

Seine Inhaltsstoffe helfen bei vielen Altersbeschwerden wie Gedächtnis- und Durchblutungsstörungen. Mit Pflastern aus Ginkgoblättern heilt man Wunden. Tee aus Ginkgonüssen wird bei Asthma, Husten und bei Nervosität verordnet. Die Wirkungsweisen führen Mediziner auf ein Gemisch aus besonderen Pflanzenstoffen (Biophenole) zurück. Die Samen werden wegen ihres Gehalts an Ginkgolsäure auch als Heilmittel gegen Tuberkulose eingesetzt: Diese vermag noch in starker Verdünnung das Wachstum von Tuberkulosebakterien zu hemmen.

Die Heilkraft des Ginkgo ist seit Jahrtausenden bekannt, denn so lange wird er bereits in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet. In der westlichen Medizin sucht man mit Ginkgo-Extrakt vor allem Konzentrations- und Lernstörungen, ein nachlassendes Gedächtnis und Altersverwirrtheit sowie periphere Durchblutungsstörungen zu behandeln. Auch bei Rauschen, Pfeifen, Schwindel oder Klingeln im Ohr (Tinnitus) erzielen Heilkundige mit Ginkgo Erfolge. Die Inhaltsstoffe dieses Baumes schützen die Nervenzellen und erhalten oder verbessern die Gehirnfunktion, indem sie kleine und kleinste Blutgefäße erweitern, welche die Nerven versorgen. Mit Ginkgopräparaten soll es sogar gelungen sein, bei Alzheimer-Patienten den Abbau der Hirnfunktionen erfolgreich hinauszögern.

Wo wird der Ginkgo als heilig verehrt?

In China und Japan. In Japan beispielsweise stehen die Baumveteranen unter Naturschutz, oft wachsen sie auf Anhöhen in der Nachbarschaft von Tempeln und Gräbern, manche überragen die Ortschaften als Wahrzeichen. Japaner verehren die Bäume wegen ihrer Lebenskraft und Wunderverheißung. Als Wohnort von Geistern ist der Baum hoch geschätzt und gefürchtet zugleich. Seit Jahrhunderten erbitten Menschen Hilfe beim Ginkgo: Bauern erflehen von ihm Regen für den Reisanbau, Frauen bitten um Milch zum Stillen der Kinder – Ginkgos fanden und finden sich auf diese Weise in Volkserzählungen, Mythen und Geschichten wieder.

Auch in Kunst und Malerei hat er seinen festen Platz: In unzähligen Gemälden und Zeichnungen tauchen Ginkgomotive auf, und in vielen Gedichten wird er gepriesen. In der europäischen Dichtkunst hat ihm Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) ein literarisches Denkmal gesetzt: Er sah in dem zweilappigen Laub ein Sinnbild für das Eins- und Doppeltsein und verfasste mit »Ginkgo biloba« eines der schönsten Liebesgedichte.

Wussten Sie, dass …

der Ginkgo auch noch unter anderen Namen bekannt ist? Er heißt auch Entenfußbaum, Elefantenohrbaum, Silber- oder Hügelaprikose, Fächerblattbaum, Mädchenhaarbaum, chinesischer Tempelbaum, Vierzig-Taler-Baum oder Goethebaum.

ein Ginkgo die Atombombe von Hiroshima überlebte? Bereits ein Jahr nach dem Abwurf der Atombombe 1945 schob sich aus der Wurzel ein neuer Spross, obwohl der Baum nur einen Kilometer vom Explosionszentrum entfernt gestanden hatte.

Wann kam der Ginkgo nach Europa?

Etwa 1750, nachdem ihn der Naturforscher Engelbert Kämpfer (1651 bis 1716) im Jahr 1712 erstmals beschrieben hatte. Zunächst als kostbarer Exot in den botanischen Gärten von Utrecht und Leiden gehegt, avancierte der Ginkgo im Laufe der Jahrhunderte zu einem beliebten Park- und Alleebaum; einer der ältesten Ginkgobäume Deutschlands – 1796 gepflanzt – kann übrigens im Schlosspark Dyck im Rheinland bewundert werden.

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