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Soziale Foto-Netzwerke

Ob der italienische IT-Experte Silvano de Gennaro ahnte, was da noch kommen würde, als er 1992 das erste Bild ins Internet stellte? Vier hübsche Frauen posieren da im Partykleid und lächeln in die Kamera. Heute, zwanzig Jahre später, sind es geschätzte acht Milliarden Bilder allein bei der Foto-Community Flickr, und es kommen pro Minute Tausende hinzu. Mit dem Aufkommen von Apps für Smartphones hat sich die Riege der sozialen Foto-Netzwerke um einen ganzen Schwung erweitert. Jedes bietet seine Besonderheiten und bedient andere Ansprüche …
von wissen.de-Autor Jens Ossa

Ein wenig verwaist

Die Übernahme durch den Suchmaschinendienst Yahoo im März 2005 tat Flickr auf Dauer nicht gut. So verpassten die Verantwortlichen laut Mat Honan, Blogger auf Gizmodo, zum Beispiel die Entwicklung hin zum mobilen Surfen. Viel zu spät sei eine Flickr-App für Smartphones erschienen, und das Urteil der Nutzer verheerend ausgefallen: langsam, fehlerhaft, benutzerunfreundlich. Außerdem verprellte Yahoo User, indem es versuchte, Flickr in seine Plattform zu integrieren und sie zum Yahoo-Account zu zwingen – von sozial war das weit entfernt. Fazit: Die Gemeinde postete immer weniger, wich auf andere Netzwerke aus, und Yahoo vernachlässigte die Weiterentwicklung seiner Tochter. Dabei hatte die als eine der ersten großen Foto-Communitys einst Standards gesetzt, nicht zuletzt durch ihren kommunikativen Charakter.

Groß ist Flickr immer noch, nur eben ein wenig verwaist. „Etwa wie ein Wohnviertel, das von einer Immobilienkrise getroffen wurde – mit verwahrlosten Vorgärten“, beschreibt Honan die Lage. Zwar hat Flickr im Frühjahr 2012 einen neuen Anstrich bekommen, „aber es wird nie wieder so sein früher“, sagt Nutzer Dominik Schwind auf „Spiegel Online“. Dafür jedoch werde sich die Seite zu einem Nischendienst für Fotografen und Fotoamateure entwickeln – also Qualität verkörpern. Tatsächlich ist das bereits längst der Fall. Wer auf Flickr herumstöbert, wird hauptsächlich Plakatives vorfinden. Mit Schnappschüssen begnügt sich hier kaum jemand. Zudem sind viele Fotos in Kategorien eingeteilt, die sich nach Stichworten suchen lassen.

 

 

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Fotolia.com/Warren Goldswain

Alles etwas bunter

Weniger geordnet, dafür hübsch bunt und quadratisch geht es bei Instagram zu. Quadratisch eben wie die Bilder der alten Kodak Instamatic, an die auch der Name von App und Netzwerk angelehnt ist. Instagram-Nutzer fotografieren mit dem Smartphone, und zwar ausschließlich mit dem Smartphone, alles andere sei Schummelei, wie Nutzerin Heike Kaufhold auf ihrem Blog „Köln Format“ schreibt. Und so erinnern viele Bilder ein wenig an Polaroid-Schnappschüsse. Momente, aus dem Alltag gegriffen, über die sich User aus aller Welt austauschen, und das ganz ohne Sprachbarriere. Wie auf Twitter folgt man Freunden oder solchen, die Interessantes zu bieten haben. Und es wäre nicht verkehrt zu behaupten, wer sich über Instagram mitteile, twittere in Bildern.

Dass hier irgendwie alles etwas bunter wirkt, liegt zum einen sicherlich an den vielen originellen Motivauswahlen der Instagrammer. Zum anderen aber auch an den Filtern, die die kostenlose App zur Bildbearbeitung bietet. Zwar gibt es nur die Option Filter ein, dafür aber um die 20 Möglichkeiten wie „Hefe“ für mehr Kontrast, „Kelvin“ für sattere Farben oder „1977“ für den Retro-Effekt.

Der Zugriff auf Instagram über den so genannten Webviewer Statigram ermöglicht diverse Statistiken über die eigenen Fotos, Kommentare und Leute, die einem folgen. Mit dem Tool Worldcam ist es neuerdings auch möglich, die Welt nach Instagram-Fotos abzusuchen – vorausgesetzt, deren Urheber haben sie zuvor mit einer Kartenmarkierung, dem Geotag, versehen. Im Klartext: Auf dem Plan eines über Worldcam gesuchten Ortes erscheinen Markierungen, die per Klick dort aufgenommene Instagram-Fotos preisgeben. Mit Geotags arbeitet im Übrigen auch Panoramio, das Bildernetzwerk von Google. Die Bilder – meistens von Reisenden aufgenommen – fließen teilweise in den Internetdienst Google Earth ein.

Im April 2012 hat Facebook-Gründer Mark Zuckerberg Instagram aufgekauft – sehr zum Missfallen der Gemeinde, obgleich er zusicherte, das Foto-Netzwerk unabhängig von Facebook weiterzuführen.

Ein mit Instagram konkurrierendes Netzwerk ist Piictu. Jedoch mit der Besonderheit, dass mehrere Nutzer Fotos zu einem Thema zusammentragen und sich so ganze Bildgeschichten entwickeln können. Nachteil: Piictu-Fotografen können ihre Bilder nicht direkt in der Applikation bearbeiten, sie müssen auf Apps wie Snapseed oder PhotoStudio ausweichen.

Auch Path fügt sich in die Reihe der Netzwerke für mobile Geräte ein. Wenngleich recht minimalistisch gestaltet, erlaubt es seinen Nutzern seit dem jüngsten Update auf Version 2.5.6, Inhalte aus Facebook, Instagram und Foursquare zu integrieren.

Die deutsche Antwort auf Instagram schließlich heißt Tadaa. Wohl einzigartig unter den Foto-Apps ist hier die Möglichkeit, Filter über den Sucher laufen zu lassen und dem Bild schon vor der Aufnahme den gewünschten Effekt zu verpassen. Nutzer können ihren Fotos Location Tags hinzufügen und so verraten, wo sie diese geschossen haben. Ein wichtiger sozialer Aspekt von Tadaa: Bilder können nicht nur das Prädikat „Gefällt mir“ erhalten, sondern auch das Gegenteil und zusätzlich gemeldet werden, wenn sie unangemessen sind – eine Vorsorge gegen Cyber Mobbing.

 

Die Interessengemeinschaft

Als das Foto-Netzwerk wohlbetuchter Hausfrauen vom Land könnte sich Pinterest verstehen. Ein Eindruck, den ein Besuch auf der Seite zumindest schnell erweckt: gediegene Accessoires und teure Mode in pittoreskem Ambiente.

Was bei Facebook das Profil, ist hier eine virtuelle Pinnwand, an die Mitglieder ihre Bilder, aber auch Texte heften. Und wie bei Facebook können andere die Dateien kommentieren und auf der eigenen Pinnwand übernehmen. Anders jedoch sind auf Pinterest weniger Freunde und Bekannte miteinander verknüpft als Menschen, die ein bestimmtes Interesse verbindet – Freunde von Stickereien, Porzellangeschirr oder Kuchenrezepten. Die hier geposteten Bilder stammen nicht unbedingt aus der eigenen Kamera. Vieles ist aus dem Internet übernommen, von der Seite eines Modelabels zum Beispiel. Und so sezieren Pinterest-Nutzer nicht ihre Privatsphäre vor aller Öffentlichkeit, sondern präsentieren im Wesentlichen Produkte, über die es sich dann hübsch diskutieren lässt. Wen wundert es da, dass sich Investoren und Händler sehr für dieses Portal interessieren?

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