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Vorsicht Privatsphäre: Unser Smartphone als "Wahrheitsserum"
Es ist klein, wir haben es immer dabei und mit ihm haben wir Zugang zur ganzen Welt des Internets und der Kommunikation: Das Smartphone ist vermutlich eine der meistgenutzten Computervarianten der heutigen Zeit. Egal wo wir sind, können wir mal eben ein Foto posten, einen Kommentar schreiben oder etwas online nachschauen.
Wir verraten am Handy mehr über uns als am PC
Das Interessante daran: Wenn wir über das Handy posten, tweeten oder chatten, verhalten wir uns unwillkürlich etwas anders als wenn wir das gleiche an einem Desktop-PC tun würden, wie Shiri Melumad und Robert Meyer von der University of Pennsylvania kürzlich herausgefunden haben. Sie haben für ihre Studie knapp 370.000 Tweets und gut 10,180 Restaurant-Bewertungen auf TripAdvisor ausgewertet. Bei diesen Posts untersuchten sie mithilfe eines lernfähigen Algorithmus, wie viele die Autoren dieser Posts über sich und ihre Emotionen verraten – und ob sich dies je nach benutzter Computerart unterscheidet.
Dabei zeigte sich: Wer per Smartphone twittert oder Kommentare schreibt, neigt dazu, weit mehr über sich selbst preiszugeben als jemand, der dies am Laptop oder PC tut. So sind am Handy verfasste Tweets häufiger in der Ich-Form und aus der persönlichen Perspektive, sie verraten häufiger negative Gefühlte und enthalten mehr Informationen über Familie oder enge Freunde, wie die Forscher herausfanden.
Ähnliche Unterschiede fanden die Wissenschaftler, als sie die Reaktion von Nutzern auf knapp 20.000 Anzeigenaktionen untersuchten, bei denen man für einen guten Zweck oder zum Gewinn eines Preises persönliche Informationen angeben sollte. Auch hier waren die Menschen eher bereit, persönliche Informationen zu teilen, die per Smartphone auf diese Anzeige reagierten.
"Tunnelblick" beim Handy-Posten
Aber warum ist das so? Warum neigen wir dazu, mehr über uns zu verraten, wenn wir mit unserem Smartphone kommunizieren? "Die Nutzung eines Smartphones senkt unsere Hemmschwelle für das Teilen sensibler Informationen aus zwei Gründen", erklärt Meyer. "Die eine hängt eng mit der Form des Handys zusammen, die zweite mit den emotionalen Assoziationen, die wir mit diesem Gerät verbinden."
Der erste Grund ist mit der geringe Größe des Smartphones und seines Bildschirms verknüpft. Weil es mühsamer ist, Inhalte auf dem Display zu erfassen und selbst Texte zu schreiben, konzentrieren wir uns stärker auf diese Aufgabe. Unser Fokus ist dann so darauf ausgerichtet, uns nicht zu vertippen und den Tweet oder Post abzusetzen, dass wir alles um uns herum aus dem Blick verlieren.
Doch das führt nicht nur zum alltäglichen Phänomen der in ihre Handys vertieften "Smartphone-Zombies" – wie die Forscher erklären, lässt uns das auch einen Teil unserer Vorsicht vergessen. Wir verdrängen, dass wir hier mit der Außenwelt kommunizieren und was diese Informationen anderen über uns verraten.
Handy als mobile Komfortzone
Der zweite Grund sind die positiven Emotionen, die wir meist mit unserem Handy verbinden: Es ist ein vertrauter Begleiter und nicht zuletzt unsere Verbindung zu Familie, Freunden und anderen geliebten Menschen. "Weil unsere Smartphones uns immer und überall begleiten und so viele wichtige Funktionen in unserem Leben übernehmen, dienen sie uns fast schon als eine Art 'Schnuller' für Erwachsene, erklärt Melumad.
Wenn wir unser Handy benutzen, fühlen wir uns daher sicher und in einer Art Komfortzone – und achten deswegen weniger darauf, was wir über uns verraten, als am Desktop-PC mit seiner formelleren, eher mit Arbeit assoziierten Oberfläche. "Als Konsequenz sind wir eher dazu bereit, uns zu öffnen", so Meyer.
Diese zwei Gründe - der "Tunnelblick" und das Komfortgefühl – sorgen dafür, dass wir am Handy tendenziell offenherziger sind als am normalen Rechner. Im Umgang mit engen Freunden oder Familie ist das kein Problem. Doch wir sollten diesen Effekt im Kopf behalten, wenn wir beispielsweise das Handy auch für Geschäftskontakte oder die Kommunikation mit Fremden nutzen. Denn es könnte sein, dass wir dann unwillkürlich mehr über uns verraten, als uns eigentlich lieb ist.