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Was die „Paracetamol-Challenge“ so gefährlich macht
Bei Kopf- oder Rückenschmerzen greifen viele Menschen zu frei verkäuflichen Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol. Doch eine neue Mutprobe auf der Social-Media-Plattform TikTok sieht nun vor, dies auch fernab jeglicher Schmerzen zu tun. Ziel der sogenannten „Paracetamol-Challenge“ ist es, eine möglich hohe Dosis Paracetamol zu überleben. Der Trend kommt ursprünglich aus den USA und verbreitet sich derzeit in Belgien und der Schweiz. Doch wie gefährlich ist er?
Überdosis mit potenziell tödlichem Ausgang
An sich ist Paracetamol ein sicheres und gut verträgliches Schmerzmittel – vorausgesetzt, man hält die vorgeschriebene Dosierung ein. Bei Erwachsenen ab zwölf Jahren und 43 Kilogramm Körpergewicht liegt die Maximaldosis bei acht Tabletten á 500 Milligramm Paracetamol pro Tag. Aber: „Wenn diese mutwillig um ein Vielfaches überschritten wird, kann dies die Leber irreparabel schädigen oder zum Tod führen“, erklärt Elmar Kroth von Pharma Deutschland, einem Branchenverband der Pharmaindustrie.
Solche schweren Leberschäden können bereits auftreten, wenn man zwölf Tabletten statt der zulässigen acht an einem Tag zu sich genommen hat. Bei stark übergewichtigen Menschen, die oft unter einer Fettleber leiden, reicht sogar schon eine geringere Dosisüberschreitung. Denn ihre Leber ist ohnehin angeschlagen. Auch bei Kindern kann schon eine geringe Überdosis fatal enden. Das liegt neben ihrer geringeren Körpergröße auch daran, dass Paracetamol bei ihnen langsamer abgebaut und ausgeschieden wird. Nehmen sie wiederholt zu viel davon ein, addieren sich die schädlichen Effekte.
Die Folgen einer Paracetamol-Überdosis sind fatal: Leberzellen sterben durch das für sie giftige Schmerzmittel ab. Je höher die Dosis des Paracetamols, desto schwerwiegender kann diese Schädigung des lebenswichtigen Organs ausfallen. Ist die Leber einmal schwer geschädigt, arbeitet sie nicht mehr richtig und heilt auch nicht mehr von allein. Im Extremfall hilft dann nur noch eine Lebertransplantation. Geschieht dies nicht, endet eine schwere Paracetamolvergiftung nicht selten tödlich.
Wie bemerke ich Leberschäden?
In den ersten Stunden einer Paracetamol-Überdosis treten in der Regel Übelkeit und Erbrechen auf. Erst im späteren Verlauf – teilweise erst nach ein bis zwei Tagen – folgen dann die typischen Anzeichen einer Leberschädigung. Dazu gehören Bewusstseinsstörungen bis hin zum sogenannten Leberkoma. Betroffene sind dann zunächst auffällig müde, ihr Sprach- und Denkvermögen lassen nach und ihre Arme und Beine zittern. Irgendwann fallen sie schließlich in einen immer tieferen Schlaf, in dem sich nicht einmal mehr ihre Reflexe auslösen lassen.
Ein weiteres Anzeichen einer Leberschädigung ist die Entwicklung einer Gelbsucht, bei der sich die Haut, Schleimhäute und Lederhäute im Auge gelblich färben. Zudem erhöht sich die Blutungsneigung. Betroffene bluten dann bereits bei geringfügigen Verletzungen und überdurchschnittlich stark und lange.
Angesichts der verheerenden Folgen einer Paracetamol-Überdosis betont Kroth: „Wir möchten ganz deutlich vor einem missbräuchlichen Konsum von Paracetamol warnen.“ Er plädiert dafür, dass Apotheken bei der Abgabe von Paracetamol an Jugendliche besonders wachsam sein sollten.
Nicht der erste lebensgefährliche Trend
Die Paracetamol-Challenge ist aber tatsächlich nicht die erste gefährliche TikTok-Mutprobe. Bei der „Deo-Challenge“ ging es zum Beispiel darum, möglichst lange und viel Deo einzuatmen. Allein in Deutschland sind an dieser Mutprobe mehrere Jugendliche gestorben. 2023 wortwörtlich in aller Munde war außerdem die „Hot Chip-Challenge“, bei der man mit der schärfsten Chilisorte der Welt gewürzte Chips essen und danach so lange wie möglich nichts trinken sollte. Die enorme Schärfe führte jedoch häufig zu Hautreizungen, Atemnot und Magenschmerzen. Ebenfalls gefährlich: die „Blackout-Challenge“, bei der sich Teilnehmer bis zur Ohnmacht selbst würgen sollen.
Eltern, die ihre Kinder vor der Teilnahme an solchen Challenges bewahren wollen, rät die Webseite Klicksafe.de von der Medienanstalt Rheinland-Pfalz: „Bleiben Sie in regelmäßigem Austausch mit Kindern und Jugendlichen, um zu erfahren, welche Mutproben aktuell angesagt sind. Verurteilen Sie Challenges nicht pauschal und helfen Sie interessierten Kindern und Jugendlichen dabei, sichere Challenges zu finden. Besprechen Sie, dass unter riskanten Challenges auch viele Fakes kursieren. Ermutigen Sie Kinder und Jugendliche, das Gezeigte kritisch zu hinterfragen. Bestärken Sie Kinder und Jugendliche darin, sich und andere nicht in Gefahr zu bringen und auch Gruppendruck nicht nachzugeben.“