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Wie funktioniert das Wählen in den USA?
Im Moment blicken viele Menschen weltweit gespannt auf die USA, denn dort ist am 3. November 2020 Präsidentschaftswahl. Der Ausgang dieser Wahl entscheidet, ob der Republikaner Donald Trump weitere vier Jahren im Amt bleibt oder ob sein demokratischer Rivale Joe Biden ihn ablösen wird. Das wiederum hat Bedeutung nicht nur für die weitere politische Entwicklung der USA, sondern auch für ihre Beziehungen zu anderen Ländern und für viele internationale Verträge und Gremien.
Doch wie funktioniert das Wählen in den USA? Und was ist dort anders als bei uns?
Wie geht Wählen in Deutschland?
In Deutschland sind alle über 18-jährigen Personen mit deutscher Staatangehörigkeit wahlberechtigt. Sie können alle vier Jahre bei der Wahl zum Bundestag, aber auch bei den Landes- und Kommunalwahlen ihre Stimme für eine Partei und die entsprechenden Kandidaten abgeben. Wer in Deutschland Kanzler oder Kanzlerin wird, hängt zwar vom Wahlergebnis ab, auf dem Wahlzettel stehen diese Kandidaten aber nicht. Denn gewählt wird der Bundestag – und dieser entscheidet dann je nach Mehrheit über den Kanzler oder die Kanzlerin.
Eine spezielle Anmeldung für die Wahl ist nicht nötig. Meist kommt schon Wochen vor der Wahl ein Brief mit den Informationen dazu, wann und wo man wählen gehen kann. Auch eine Briefwahl ist prinzipiell für jeden Wahlberechtigten möglich. Der Wahltermin liegt immer auf einem Sonntag, damit möglichst viele die Zeit haben, wählen zu gehen.
Bei der deutschen Bundestagswahl gilt eine Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Das bedeutet, dass die Hälfte aller Mandate danach verteilt wird, wie viele Stimmen die jeweilige Partei erhalten hat. Die andere Hälfte wird durch die sogenannte Direktmandate bestimmt: Diese bekommen diejenigen Kandidaten, die in ihren jeweiligen Wahlbezirken die Mehrheit bekommen haben. Aus der Kombination beider Ergebnisse ergibt sich die Sitzverteilung im Bundestag.
Wer darf in den USA wählen?
Anders ist es in den USA – und das in vieler Hinsicht. Es beginnt schon damit, wer zur Wahl gehen darf. Rein theoretisch ist zwar ähnlich wie bei uns jeder US-Bürger ab 18 Jahren wahlberechtigt. Aber in der Praxis reicht das allein noch nicht, um seine Stimme abgeben zu können. Weil es in den USA keine Meldepflicht wie in Deutschland gibt, weiß der Staat im Prinzip nicht, wer wählen darf. Deshalb müssen sich Wahlwillige vorher registrieren lassen.
Registrieren lassen kann man sich bei Behörden, in KFZ-Meldestellen, aber auch in Registrierungsbüros in Bibliotheken, Schulen oder der Post. Allerdings sind die Wege zum nächsten Büro oft weit: "Manchmal muss man eineinhalb Stunden fahren, um seine ID zu beantragen. Das ist problematisch für alte, aber auch für schwarze Menschen. Es entzieht ihnen das Wahlrecht", erklärte jüngst Cinder Cooper Barns vom Montgomery College in Maryland gegenüber der Tagesschau.
Eine weitere Hürde: Voraussetzung für die Wählerregistrierung ist es, sich ausweisen zu können. Doch genau das ist für viele Amerikaner nicht selbstverständlich. Viele besitzen keinen Reisepass oder Personalausweis, manche auch keinen Führerschein. Das gilt vor allem für ärmere Bevölkerungsschichten, Schwarze und Latinos.
Welche Dokumente ersatzweise als Identitätsbeleg gelten, ist zudem von Bundesstaat zu Bundesstaat verschieden. In einigen Staaten wird ein Identitätsnachweis mit Lichtbild verlangt, in anderen reicht auch ein Dokument ohne Foto oder sogar nur eine eidesstattliche Erklärung. Auch welche Dokumente anerkannt werden, unterscheidet sich. So werden vor allem in einigen republikanisch regierten Südstaaten zwar die Mitgliedsausweise der "National Rifle Association" oder ein Angelschein anerkannt, aber nicht der Studentenausweis der Universität.
Wie viele US-Bürger wählen und wann?
Die Notwendigkeit einer vorherigen Registrierung und auch die von manchen Menschen nicht zu erfüllenden Vorgaben führen dazu, dass bestimmte Wählergruppen kaum eine Chance haben, sich zu registrieren. OSZE-Wahlbeobachter schätzen, dass bei den Zwischenwahlen im Jahr 2018 elf Millionen US-Wahlberechtigte ihr Stimmrecht nicht ausüben konnten.
Viele US-Bürger haben zudem keine Lust, sich in lange Schlangen zu stellen – erst für die Registrierung, dann für das Wählen. Denn auch die Wahllokale sind weit dünner gesät als bei uns. Deshalb müssen Wahlwillige mancherorts stundenlang anstehen, um ihre Kreuz machen zu können. Briefwahl ist zwar in den USA auch möglich, aber auch dafür gibt es je nach Bundesstaat andere Regeln: In einigen bekommen registrierte Wähler automatisch Briefwahlunterlagen, in anderen darf man nur in begründeten Ausnahmefällen per Brief abstimmen – beispielsweise nur mit einem medizinischen Attest.
Als Folge liegt die Wahlbeteiligung in den USA meist deutlich niedriger als bei uns. Im Schnitt liegt sie nur knapp über 50 Prozent – bei deutschen Bundestagswahlen sind es mehr als 70 Prozent. Und auch das ist anders als bei uns: Gewählt werden kann in den USA schon vor dem eigentlichen Wahltag. Der 3. November 2020 ist demnach eigentlich eher der letztmögliche Wahltermin, der Tag, an dem dann abends die Auszählung der Stimmen beginnt. Dies ist zudem kein Sonntag, wie in Deutschland, sondern, sondern ein Wochentag.
Wer entscheidet über den Präsidenten?
In den USA entscheidet nicht die Mehrheit der abgegeben Stimmen über den Präsidenten, sondern ein System von Wahlleuten. Jeder US-Bundestaat kann demnach eine bestimmten Anzahl an Wahlmännern- und-frauen in das Electorial College schicken – das Wahlgremium, das letztlich den Präsidenten wählt. Die Zahl der Wahlleute pro Bundesstaat richtet sich dabei grob nach der Einwohnerzahl. Deshalb stellen kleine oder dünn besiedelte Staaten wie Alaska oder Vermont nur die Mindestzahl von drei Wahlleuten, Kalifornien dagegen 55.
Das Problem dabei: In den meisten Bundesstaaten entspricht die Parteizugehörigkeit der Wahlleute nicht den Anteilen der für die Parteien abgegebenen Stimmen. Stattdessen herrscht das "The Winner takes it all"-Prinzip. Wenn in einem Bundesstaat beispielsweise die Republikaner die relative Stimmenmehrheit erhalten, dann dürfen sie alle Wahlleute stellen.
Dadurch kommt es regelmäßig zu Abweichungen zwischen dem Verhältnis der abgegeben Wählerstimmen und den Anteilen der Wahlleute im Electorial College. Die Präsidentschaftswahl gewinnt jedoch, wer mindestens 270 der 538 Stimmen in diesem Wahlgremium bekommt – egal, wie die Stimmenverteilung an den Urnen ausfiel. Schon mehrfach wurde dadurch ein Präsident gewählt, der eigentlich weniger Wählerstimmen hatte – das war 2016 bei Donald Trump und Hilary Clinton der Fall, aber auch schon im Jahr 2000.
Für die US-Wahl in diesem Jahr findet die Abstimmung im Electorial College am 14.Dezember 2020 statt. Die Wahlleute geben dabei jeder ihre Stimme für einen der beiden Präsidentschaftskandidaten ab und diese werden an den US-Senat geschickt. Dieser zählt die Wahlleutestimmen Anfang Januar 2021 aus und gibt dann erst offiziell den Seiger der Präsidentschaftswahl bekannt. Am 20. Januar 2021 ist dann die Amtseinführung des neu gewählte Präsidenten.