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Wie „Green IT“ eine nachhaltige Digitalisierung ermöglichen könnte
Wer ChatGPT fragt, wie der perfekte Trainingsplan zum Muskelaufbau aussieht, oder auf Netflix die Serie „3 Body Problem“ durchsuchtet, denkt dabei vielleicht kritisch über mangelnden Datenschutz oder die eigene Faulheit nach. Mit dem CO2-Fußabdruck dieser Programme setzen sich wir uns hingegen wohl eher selten auseinander – dabei verbraucht eine einzige ChatGPT-Anfrage ähnlich viel Strom wie eine Stunde Handyladen.
So viel CO2 wie der internationale Flugverkehr
Insgesamt verursacht die Nutzung von Künstlicher Intelligenz, Online-Apps und Streamingdiensten knapp zwei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen – und somit genauso viel wie der internationale Flugverkehr. Der Grund: Die resultierenden Datenmengen werden in Rechenzentren gespeichert und verarbeitet. Die darin befindlichen Server laufen bei diesen Berechnungen förmlich heiß – deren elektrische Kühlung verbraucht dann zusätzlich Strom.
Unter den stromintensiven digitalen Diensten hat dabei derzeit KI die Nase vorn – vor allem seit dem Boom von Großen Sprachmodellen (LLM) wie GPT und Gemini. „Angesichts der steigenden Nachfrage nach KI-gestützten Diensten ist es sehr wahrscheinlich, dass der Energieverbrauch durch KI in den nächsten Jahren signifikant zunehmen wird“, erklärt der Datenwissenschaftler Alex de Vries.
Besonders das Training der Sprachmodelle verbraucht dabei eine Menge Energie. Denn beim Training optimieren die Großen Sprachmodelle anhand riesiger Datenmengen sowohl inhaltlich als auch sprachlich ihre Antworten. Diese „Sprachberechnungen“ basieren allerdings auf Milliarden einzelner Parameter, die schrittweise geprüft werden. Dieser riesige Rechenaufwand macht sich auch im CO2-Fußabdruck bemerkbar: Schätzungen zufolge könnten Datenzentren zukünftig bis zu 13 Prozent des globalen Stromverbrauchs ausmachen.
Energieeffiziente Rechenzentren
Um Nachhaltigkeit und Digitalisierung trotzdem unter einen Hut zu kriegen, könnte man die genutzten Datenserver beispielsweise statt energieintensiv mit elektrischen Lüftern energiesparend mit Wasser kühlen. Dabei wird kaltes Wasser direkt an den Prozessoren vorbeigeleitet und kann so die überschüssige Wärme aufnehmen. Eine solche Vorrichtung benötigt allerdings viel Platz und ist aufwendig zu installieren.
Deutlich effektiver ist es, das gesamte Datenzentrum in nördliche Regionen mit niedrigeren Temperaturen zu verlegen. Dort verringert die von Natur aus kalte Umgebung entsprechend den Lüfteraufwand. Ein ungewöhnliches Beispiel hierfür: Ein Rechenzentrum unter Wasser. So deponierten Forschende zwei Jahre lang ein aktives Rechenzentrum in einem Stahlzylinder in 35 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund. Dort sollte der Ozean eine gleichmäßig kühle Umgebung bieten. Mit Erfolg: Nach zwei Jahren funktionierte das Datenzentrum noch immer einwandfrei.
Den restlichen Energiebedarf könnten effizientere Rechenzentren dann „grün“ aus Windkraft, Solaranlagen und Co beziehen. Diese Idee wurde sogar bereits 2023 im deutschen Energieeffizienzgesetz (EnEfG) verankert. „Rechenzentren müssen schon zeitnah einen wesentlichen Anteil von Strom aus erneuerbaren, nicht geförderten Energien beziehen: ab 2024 einen Anteil von 50 Prozent und ab 2027 einen Anteil von 100 Prozent“, heißt es darin unter anderem.
Grüne Energie im Streaming
Wie das Ganze in der Praxis aussehen kann, zeigt sich am Beispiel von Videostreaming. Denn auch Netflix, Amazon Prime und Co verbrauchen eine Menge Rechenkapazität. Ein Grund hierfür: Vor dem Serien-Abend müssen die Videos teilweise energieaufwendig in die richtige Auflösung „umgerechnet“ und verzögerungsfrei bereitgestellt werden. 2018 verursachte das Ansehen von Online-Videos deshalb etwa ein Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Die Emissionen von Streamingplattformen wie Netflix und Amazon Prime allein sind dabei vergleichbar mit denen von Chile.
Doch einige Streamingdienste steuern mit grünem Strom gegen die Emissionen an: Laut einer Bewertung von Greenpeace bezog Apple 2017 bereits 83 Prozent seines Stroms aus regenerativen Quellen, bei Facebook waren es 67 Prozent und bei Google zumindest 56 Prozent. Ob der Serienmarathon aber wirklich nachhaltig werden kann, wird sich erst noch zeigen. Denn das Unternehmen, welches die Server für Netflix oder Spotify hostet, bezog zu diesem Zeitpunkt noch die Hälfte seiner Stromversorgung aus klimaschädlicher Kohle- oder Gaskraft.