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Klimaneutral, gesund und Co. – Wie stark beeinflussen uns Label auf Verpackungen?

Ob klimaneutrale Seife oder Steak mit Haltungsform 4: Auf vielen Produkten in Supermarkt und Drogerie kennzeichnen mittlerweile bestimmte Label, wie gesund, klimafreundlich oder tierlieb ein Artikel sein soll. Doch beeinflussen diese Informationen tatsächlich auch unsere Kaufentscheidung? Wie bewusst nehmen wir die verschiedenen Kennzeichnungen wahr? Und warum sind solche Label generell eher kritisch zu betrachten?
AMA, 15.04.2024
Junge Frau im Supermarkt beim Etikettenstudium

© gilaxia, iStock

Viele Menschen wollen sich bei ihrem Wocheneinkauf längst nicht mehr nur am Preis orientieren, sondern auch auf möglichst gesunde Inhaltsstoffe, verantwortungsbewusste Tierhaltung und ihren eigenen ökologischen Fußabdruck achten. Unterstützung bieten dabei verschiedene Label, die teils freiwillig, teils verpflichtend für die Hersteller sind. Dazu gehört etwa der Nutri-Score, der auf einer Skala von A bis E verrät, wie gesund verschiedene Lebensmittel sind. Doch wie stark beeinflussen uns solche Kennzeichnungen tatsächlich bei der Kaufentscheidung?

Nutri-Score könnte unsere Ernährung verbessern

Interessanterweise scheint gerade der Nutri-Score eine nicht unerhebliche Entscheidungshilfe für einige Konsumenten zu sein, wie eine neue Studie zu Kaufentscheidungen in Deutschland zeigt. Darin wählten immerhin rund 25 Prozent der Testpersonen das gesündere von zwei oder mehr Produkten, wenn ihnen Angaben zum jeweiligen Nutri-Score vorlagen – und das unabhängig von Alter und Geschlecht.

„Die Ergebnisse legen nahe, dass der Nutri-Score es schafft, die deutsche Bevölkerung in ihren Ernährungsgewohnheiten deutlich zu beeinflussen“, erklärt Studienautor Jens Perret von der International School of Management in Köln. „Externe Studien belegen, dass er dies auch wesentlich besser vermag als vergleichbare Front-of-Package-Label – die vereinfachte Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite verpackter Lebensmittel.”

Auch Tierwohl ist für viele wichtig

Auch Angaben zur Haltungsform von Nutztieren, wie sie etwa auf Fleisch- und Milchprodukten vorkommen, beeinflussen offenbar unsere Entscheidung für beziehungsweise gegen ein Lebensmittel. In einer Studie der Universität Bonn, in der Probanden durch einen virtuellen Supermarkt gehen und eine vorgegebene Liste von Produkten in ihren Einkaufswagen legen sollten, entschieden sich rund 45 Prozent für Produkte der Haltungsformen 3 und 4 – den beiden höchsten Standards.

Während Tiere der Haltungsformen 1 und 2 in Stall- und Massentierhaltung leben, haben Tiere höherer Haltungsformen mehr Platz und außerdem Zugang zu Frischluft. So fallen zum Beispiel alle Tiere von Bio-Betrieben in Haltungsform 4. Fleisch, Eier und Co. mit dieser Kennzeichnung sind dadurch zwar oft etwas teurer als die Produkte weniger artgerechter Haltungsformen. Dennoch scheint zumindest einigen Menschen das Tierwohl wichtig genug, um freiwillig diesen Mehrpreis zu zahlen.

Klimaneutralität als Entscheidungshilfe

Vielen Menschen geht es jedoch nicht nur um gesunde Ernährung und Tierwohl, sondern auch um ihren ökologischen Fußabdruck. Diesem Bedürfnis soll das Label „klimaneutral“ gerecht werden. Es weist darauf hin, dass alle bei der Herstellung eines Produkts angefallenen CO2-Emissionen ausgeglichen wurden. Das geschieht in der Regel durch Engagement bei internationalen Klimaschutzprojekten, bei denen zum Beispiel Bäume gepflanzt oder Lebensräume renaturiert werden.

Wie sehr die Kennzeichnung eines Produktes als klimaneutral die Kaufentscheidung beeinflusst, ist bislang nur unzureichend wissenschaftlich erfasst. Eine repräsentative Befragung des Unternehmens ClimatePartner im Januar 2021 hat jedoch ergeben, dass 74 Prozent der Befragten das Label „klimaneutral“ als Entscheidungshilfe beim Einkauf betrachten. Wie sehr diese Haltung auch ihre tatsächliche Kaufentscheidung beeinflusst, bleibt aber unklar.

Ein „Schubs“ in die richtige Richtung

Nichtsdestotrotz verdeutlichen die Beispiele, dass solche Kennzeichnungen keineswegs verschwendete Druckerfarbe sind, sondern für Konsumenten mitunter eine wichtige Orientierung darstellen. Entweder entscheiden sie sich aufgrund eines Labels bewusst für oder gegen den Kauf eines Produktes oder das Label beeinflusst ihre Entscheidung unterbewusst. Der psychologische Mechanismus dahinter wird auch Nudging genannt.

Nudging bedeutet übersetzt so viel wie „sanftes Schubsen“ und ist eine Form der subtilen Manipulation, die zum Beispiel von Marketingleuten, aber auch von der Politik eingesetzt wird. Während es Ersteren um möglichst hohe Verkaufszahlen geht, steht bei Letzterer vor allem das Schubsen hin zu gesünderen und umweltverträglicheren Entscheidungen im Vorder

Steht zum Beispiel die Salatbar am Eingang der Kantine, greifen die Angestellten dort häufiger zu und ernähren sich somit gesünder. Ist der Drucker von vorneherein auf doppelseitigen Druck eingestellt, wird Papier gespart. Und auch im Falle der verschiedenen Produktlabel wird uns die „bessere“ Entscheidung deutlich leichter gemacht.

Junges paar prüft im Supermarkt Angaben zu Getränke
Wer sicher gehen will, muss ein gewisses Maß an Eigenrecherche leisten.

© JackF, iStock

Label stehen auch in der Kritik

Doch Experten fürchten, dass das hohe Vertrauen in Label und ihr Einfluss auf die Kaufentscheidung auch Schattenseiten haben könnten. Denn wo klimaneutral, gesund oder tierlieb draufsteht, können durchaus auch Heuchelei und Zahlendreherei drinstecken. Für Hersteller gibt es verschiedene Tricks, um ein besseres Ranking zu erreichen oder sich ein bestimmtes Label zu verdienen, ohne dabei den Erwartungen des Verbrauchers wirklich gerecht zu werden.

Das betrifft zum Beispiel umweltfreundliche Bezeichnungen, wie die Verbraucherzentrale informiert: „Aussagen wie ‚klimaneutral‘ oder gar ‚klimapositiv‘ auf Produkten sind vor allem cleveres Marketing. Das Herstellerunternehmen zahlt eine kleine Summe an Klimaschutzprojekte – doch der Beitrag dieser Projekte zur CO2-Reduktion ist in vielen Fällen fragwürdig und die Qualität der Zertifikate im Einzelfall kaum überprüfbar. ‚Klimaneutral‘ bedeutet zudem nicht, dass das Produkt klimafreundlich hergestellt wurde.“ Als ausschlaggebendes Kaufargument tauge das Label daher eigentlich nicht.

In anderen Fällen wie dem Nutri-Score stehen die generellen Bewertungskriterien in der Kritik. Experten betonen, dass nicht jeder hohe Nutri-Score automatisch für ein gesundes Produkt und nicht jeder mittlere Score automatisch für ein schlechtes Produkt sprechen muss. So schneiden etwa Walnüsse allein aufgrund ihres hohen Fettgehaltes als ungesund ab, während der geringe Salz-, Fett- und Zuckergehalt von Nudeln diese angeblich gesund macht.

Fazit: Label sind nicht alles

Wer wirklich gesund beziehungsweise tier- oder klimafreundlich einkaufen möchte, für den sind Label zwar ein erster Anhaltspunkt. Doch ein gewisses Maß an Eigenrecherche und Skepsis sind nach wie vor unerlässlich, um wirklich die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.

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