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Iron Dome & Co.: Wie funktionieren die israelischen Flugabwehrsysteme

In der Nacht vom 14. auf den 15. April 2023 kam es zum iranischen Luftangriff auf Israel – etwa 330 Raketen und Drohnen wurden auf den jüdischen Staat im Nahen Osten gefeuert. Glücklicherweise konnte das israelische Raketenabwehrsystem 99 Prozent der Geschosse abwehren und es gab es keine Toten. Doch wie funktionieren die israelischen Abwehrsysteme Iron Dome und Co.? Wie mächtig sind sie? Und stößt das System irgendwann an seine Grenzen?
THE, 19.04.2024
Iron-Dome-Batterie beim Abfeuern einer Rakete, 2021

Leuchtende Geschosse sirren durch den Nachthimmel, es knattert. Dann explodieren die Geschosse nacheinander und zerspringen knallend in ihre Einzelteile. Dieses tödliche Feuerwerk ließ sich in den vergangenen Monaten häufig am Himmel über Israel erspähen. Denn seit den Attacken der palästinensischen Terrororganisation Hamas greifen unterschiedliche Parteien das Land an: die Hamas aus dem Gazastreifen, die Huthi-Rebellen aus dem Jemen und nun erstmals seit langer Zeit auch die iranische Regierung.

Effektive Flugabwehr unter iranischem Beschuss

In der Nacht vom 14. auf den 15. April schoss der Iran als Reaktion eines vorherigen Angriffs Israels auf eine iranische Botschaft in Syrien über 300 Raketen und Drohnen auf israelisches Territorium. Dass durch diesen massiven Angriff trotzdem niemand ums Leben kam, hat mehrere Gründe. Neben der Unterstützung der USA und anderen Verbündeten ist das hocheffektive mehrstufige Raketenabwehrsystem Israels dafür verantwortlich. Damit konnte das Militär laut eigenen Angaben 99 Prozent der Geschosse unfähig machen.

Das israelische Abwehrsystem besteht aus unterschiedlichen Komponenten mit entsprechenden Aufgaben. Bei der Attacke durch den Iran wurden die höchsten und schnellsten Geschosse beispielsweise vom System „Arrow 3“ ausgeschaltet. "Davids Sling" soll Mittelstreckenraketen abzuwehren. Und der "Iron Dome" zerstört die übrigen, bereits zu nahe gekommenen Raketen und Mörsergranaten, sowie die aus vergleichsweise kurzen Entfernungen von bis zu 70 Kilometer abgefeuerten Raketen– zum Beispiel aus dem Gazastreifen.

Auf die Wirkkraft der Raketenabwehr ist Boaz Levy, Präsident und CEO des Luft- und Raumfahrtkonzerns „Israel Aerospace Industries“ stolz. „Die Ingenieure des IAI arbeiten seit Jahren daran, die vielfältigen Bedrohungen für den Staat Israel zu bewältigen. Sie haben einen Grad an Exzellenz erreicht, der sich in den Ergebnissen widerspiegelt, die wir heute Abend gesehen haben“, kommentierte der gelernte Raumfahrtingenieur nach den Attacken. Der Konzern IAI hat sowohl an der Entwicklung des Iron Domes als auch an der Entwicklung der Arrow-Raketen mitgewirkt.

Mobile Batterie des "Iron Domes".
Mobile Batterie des zur Abwehr feindlicher Raketen und Geschosse mit kurzer Reichweite entwickelten "Iron Domes".

Die "Eiserne Kuppel"  Israels

Doch wie funktioniert das Raketenabwehrsystem? Eine Iron-Dome-Einheit besteht aus drei Komponenten: Ein Radar spürt angreifende Raketen auf. Ein Kommandoposten berechnet die Flugbahn der Geschosse und prognostiziert, ob diese etwa in bewohntem Gebiet einschlagen werden. Wenn dies der Fall ist, werden diese von hochpräzisen Raketenwerfern noch in der Luft zerstört – so jedenfalls der Idealfall. Menschlicher Einsatz ist dabei kaum nötig: Soldaten bestätigen zwar manuell jeden Abschuss, um Fehlschüsse zu vermeiden, ansonsten läuft das Gerät automatisch.

Insgesamt verfügt Israel über mindestens zehn im Land verteilte Iron-Dome-Einheiten, jede Einheit kann dabei um die tausend Raketen erfassen und etwa sechs davon gleichzeitig beschießen – und das bei jedem Wetter. Wie präzise die Abwehrsysteme des Iron Dome genau sind, wollen die Zuständigen allerdings nicht verraten. "Ich werde dem Feind nicht die Anzahl der von uns abgefangenen Daten mitteilen", verkündete beispielsweise der Sprecher für ausländische Medien, Oberstleutnant Richard Hecht, in einem Briefing infolge der brutalen Hamas-Attacken auf Israel am 7. Oktober.

Elta EL/M-2084 Radareinheit des Iron-Dome-Systems
Radareinheit des Iron-Dome-Systems

Wie lange wird die Kuppel halten?

Doch auch wenn die genaue Zahl unbekannt ist: Als die Terrororganisation Hamas im Rahmen ihrer Angriffe über einen längeren Zeitraum etwa 5.000 Geschosse auf Israel abfeuerte, beeindruckte das Abwehrsystem durch seine hohe Effizienz. Es wehrte große Teile der Angriffe ab. Es kann jedoch auch die Frage auf: Wie lange hält das israelische Raketenabwehrsystem den Attacken noch stand? Das System besteht wie oben erwähnt aus zehn im Land verteilten Einheiten. Jede davon kann es mit etwa sechs Raketen gleichzeitig aufnehmen. Flinke Kopfrechner können jetzt schnell überschlagen: Etwa 120 Geschosse gleichzeitig kann das System bekämpfen. Und dann?

Irgendwann ist selbst das ausgefeilteste System übergelastet. Und wenn der Iron Dome unter Dauerbeschuss stünde, könnte dem Land zudem die Munition ausgehen. Das wissen auch die Angreifer. „Sättigungsangriffe“ nennen Experten die Taktik, ein Luftabwehrsystem mit so vielen Geschossen zu beschäftigen, dass es zusammenbricht. Einige Experten warnen bereits davor. Denn wenn bald etwa die Hisbollah in den Konflikt eingreift und binnen kurzer Zeit tausende Raketen abfeuert, könnte die Flugabwehr an ihre technischen Grenzen geraten.

Batterie des Raketenabwehrsystems "David's Sling" beim Start einer Rakete
Für die Abwehr von Langstreckenraketen und Marschflugkörpern sind andere Waffensysteme wie zum Beispiel die seit 2017 in Dienst gestellte "David's Sling" zuständig.

Aufwändige und teure Entwicklung

Auch aus diesem Grund wird das Raketensystem Israels immer weiter ausgebaut. Erst kurz nach dem Libanonkrieg 2006 begann die israelische Regierung mit dessen Entwicklung. Später trugen die USA neben finanzieller Unterstützung in Milliardenhöhe auch ihr eigenes technisches Know-how zum Bau des Raketenabwehrsystems bei. Die erste Iron-Dome-Batterie wurde dann 2011 bei Be'er Scheva in der Wüste Negev, 40 Kilometer entfernt vom Gazastreifen, stationiert.

Spätestens seitdem ist ein bestmöglich ausgestattetes Raketenabwehrsystem eine politische Priorität des von arabischen Nachbarn umgebenen Landes. Israel und seine Verbündeten sind bereit, für die Entwicklung, den Bau und die Instandhaltung des Abwehrsystems tief in die Tasche zu greifen: Allein die Drohnen- und Raketenabwehr in der Nacht vom 14. auf den 15. April kostete den israelischen Staat umgerechnet etwa eine Milliarde Euro.

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