Lexikon
babylọnische Religion
Bez. für die polytheist. Religion der Babylonier zur Zeit des babylon. Reiches (um 1894–539 v. Chr.), die aus einer Vermischung der Religion der einheim. Sumerer u. Akkader mit der der um 2000 v. Chr. eingewanderten semit. Amoriter entstand.
Im Mittelpunkt der u. a. im babylon. Weltschöpfungsgedicht Enuma Elisch u. im sog. Gilgamesch-Epos überlieferten Götterwelt stehen zwei Götter-Triaden, um welche sich die Gottheiten der Ober- u. Unterwelt ordnen: Die „kosmische“ Triade umfasst die den Himmel, Luftraum u. Gewässer beherrschenden Gottheiten Anu, Ellil u. Ea, die „astrale“ Triade die göttl. Herrscher der großen Gestirne (Sonne, Mond u. Venus) Sin, Schamasch u. Ischtar. Anu ist dem babylon. Glauben nach Herrscher des Himmelbereiches, Vater u. König der Götter, Ellil Herr des Luftraums u. der Erde, Ea Gott des Wassers, der Weisheit, Künste, Heilung u. Vater des babylon. Stadtgottes Marduk. Der Haupttempel des stiergestaltigen Mond- u. Orakelgottes Sin lag in Ur u. Haram. Allwissender Hüter von Wahrheit u. Gerechtigkeit sowie Spender des Lebens u. des Glücks ist der Sonnengott Schamasch, Sohn des Mondgottes Sin u. Bruder der Astral- u. babylon. Hauptgöttin Ischtar. Diese Göttin des Morgen- u. Abendsterns (Venus) wurde verehrt als Himmels- u. Unterweltgöttin, als große Mutter, Göttin der Liebe, Fruchtbarkeit u. des Krieges, symbolisch dargestellt als Löwe oder Kuh. Zentrale Bedeutung spielte ferner der babylon. Stadt- u. spätere Reichsgott Marduk („Sonnenstier“, „Sonnenkind“), Weltenschöpfer u. Herr des Schicksals, dargestellt als doppelgesichtige Janusfigur u. gehörnter Schlangendrachen. Verehrung erfuhren des Weiteren Nabu, Sohn des Marduk, Gott der Weisheit u. Schreibkunst, Träger der „Schicksalstafeln“ sowie der Unterweltgott Nergal. Neben den Himmelsgöttern existierten die Götter der Tiefe, engelhafte Geister sowie eine Vielzahl von Dämonen, Teufeln u. Ungeheuern.
Zentren der religiösen Verehrung waren die Tempel, deren mächtigstes u. zentrales Bauerwerk die sog. Zikkurat („Tempelturm“) darstellte. Die Zikkurat symbolisierte den kosmischen Welten- bzw. Götterberg u. war Nabelband zwischen überirdischer u. irdischer Welt. Der Tempel galt als Wohnstatt des göttl. Schutzpatrons. Hohe- u. Kultpriester, Musiker, Magier, Wahrsager, Traumdeuter, Astrologen, Tempelfrauen u. -kurtisanen garantierten die richtige Ausführung der zeremoniellen Kult- u. Opferhandlungen. Wichtigstes Fest war das Neujahrsfest (Akitufest) mit rituellen Reinigungen, Opfer- u. Versöhnungsakten sowie einer rituellen Vereinigung des babylon. Königs, der als Inkarnation Marduks galt, mit einer Tempelkurtisane als symbolischer Gottesbraut. Bei den Babyloniern galt jeder Mensch als sündig; irdisches Leid wurde als göttl. Strafe für Verfehlungen verstanden. Die jenseitigen Vorstellungen waren düster: die vom Körper getrennte Seele stieg in eine dunkle Unterwelt hinab ohne Hoffnung auf Belohnung für ein Gott wohlgefälliges Leben.
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