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Warum wir fast kein Radar gehabt hätten

Ohne Radar würde am Himmel großes Flugzeug-Chaos herrschen und auch das Wetter ließe sich nur noch bedingt vorhersagen. Trotzdem fand die Technologie nach ihrer Patentierung vor genau 120 Jahren zunächst kaum Anklang. Was aber änderte schließlich die Meinung der Öffentlichkeit? Welchen Namen trug das Radar ursprünglich? Und wie funktioniert die Technologie?
AMA, 30.04.2024
Radarbildschirm

© Petrovich9, iStock

Aus unserer modernen Welt sind Radargeräte nicht mehr wegzudenken. Sie überwachen den Schiffs- und Flugverkehr, helfen bei Wettervorhersagen und spüren sogar antike Ruinen in unzugänglichen Landschaften auf. All diese besonderen Fähigkeiten beruhen auf einem recht simplen Prinzip: Das Radar sendet elektromagnetische Wellen aus, die sich dann in der Umgebung verbreiten und von der Oberfläche verschiedener Objekte reflektiert werden. Indem das Radar nun misst, wie und in welcher Zeit die Wellen zurückgeworfen werden, kann es eine Art Live-Umgebungskarte erstellen.

Die Radarechos verraten, welche Objekte sich in welcher Entfernung zum Sender befinden und ob beziehungsweise auch wie schnell und in welchem Winkel sie sich auf ihn zubewegen. Das funktioniert allerdings nicht mit allen Objekten gleich gut. Unter anderem hängt die Reflexionsfähigkeit eines Materials von dessen elektrischer Leitfähigkeit, Dichte und Form ab. Während sich große Schiffe mit metallener Bordwand oder dichte, regengefüllte Wolken leicht detektieren lassen, gehen die elektromagnetischen Wellen durch Luft und Gummi einfach durch.

Das „Telemobiloskop“ als erstes Radar

Obwohl Radarsysteme heute viele wichtige Aufgaben haben, gibt es die Technologie tatsächlich erst seit 120 Jahren – und zwar auf den Tag genau. Am 30. April 1904 meldet der damals 22-jährige deutsche Erfinder Christian Hülsmeyer das Patent auf ein Gerät namens „Telemobiloskop“ an. Mit ihm sollen sich in einem begrenzten Radius vorbeifahrende Schiffe detektieren lassen. Das ist besonders praktisch bei schlechten Sichtbedingungen wie Nebel oder Dunkelheit, in denen es sonst vielleicht zu einer Kollision zweier Frachtschiffe gekommen wäre.

Das Telemobiloskop funktioniert zwar ähnlich wie moderne Radargeräte, aber praktikable Darstellungsmöglichkeiten gibt es noch nicht. Wenn sich ein Schiff nähert, wird dies dem Nutzer daher nicht auf einem Bildschirm angezeigt, sondern nur per Klingelton signalisiert. Über ein Kompass genanntes Gerät konnte gleichzeitig die Richtung angezeigt werden, aus der das Schiff kam.

Chain-Home-Radartürme der RAF-Basis Poling (West Sussex), 1945
Die entlang der britischen Küste aufgestellten Türme der Chain-Home-Radarkette dienten im Zweiten Weltkrieg zur Ortung deutscher Bomber.

© Royal Air Force official photographer

Zweiter Weltkrieg als Starthilfe

Als Hülsmeyer seine Erfindung patentieren lässt, erhofft er sich Großes. Neben dem Einsatz in der Schifffahrt schweben ihm auch militärische Anwendungen vor. Zum Beispiel ließen sich mit der Technologie frühzeitig feindliche Streitkräfte und Flotten detektieren. Doch Fehlanzeige: Anders als erhofft, trudeln bei dem jungen Erfinder keinerlei Aufträge ein. Weder Schifffahrt noch Militär zeigen Interesse. Sie erkennen die wegweisende Bedeutung von Hülsmeyers Erfindung schlicht noch nicht. Dieser widmet sich daraufhin anderen Ideen und wird unter anderem mit einer Technologie zur Wasserenthärtung zum erfolgreichen Unternehmer.

Erst viele Jahre später – mit Beginn des Zweiten Weltkriegs – wird das Potenzial seiner Erfindung schließlich erkannt. Hülsmeyer selbst ist daran aber nicht mehr beteiligt. Unter anderem nutzt Großbritannien nun erstmals Radarsysteme zur Frühwarnung gegen Angriffe der deutschen Luftwaffe. Die Briten bezeichnen ihr System allerdings nicht als Telemobiloskop, sondern nennen es „Radio Detection and Ranging“, kurz: Radar. Unter diesem Namen trat diese Technik dann ihren Siegeszug um die Welt an.

Heute ist das Radar aus vielen Bereichen kaum mehr wegzudenken. Sie ist fester Bestandteil militärischer Operationen und auch im Forschungs- und Zivilbereich finden sich ständig neue Einsatzbereiche. So lassen sich mit Radaren zum Beispiel auch die Flugbahnen herannahender Asteroiden verfolgen, Gletscher und Vulkane durchleuchten oder Himmelskörper wie Planeten und Monde kartieren. Und das Bodenradar bietet Archäologen eine Möglichkeit, die verborgene Welt unter der Erdoberfläche ohne Ausgrabungen und zerstörungsfrei abzubilden.

Späte Genugtuung für den Erfinder

Hülsmeyer selbst wird erst Mitte der 1950er Jahre als ursprünglicher Erfinder des Radars wiederentdeckt. Kurze Zeit später und nur wenige Wochen, nachdem er von Bundeskanzler Konrad Adenauer offiziell für seine Dienste geehrt wurde, stirbt er im Alter von 75 Jahren als wohlhabender Unternehmer.

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