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Edward Hoppers Automat: Szenen aus dem amerikanischen Leben
Was verraten Hoppers Bilder über sein Leben?
Der introvertierte Charakter des Malers spiegelt sich auch in seinem Werk. Edward Hopper (1882–1967) lebte zurückgezogen mit seiner Frau, einer Malerin, und hielt sich von der Kunstszene fern. Seine Gemälde zeigen vereinzelte Menschen in weiten, einsamen Landschaften oder in kargen Innenräumen. Manchmal kommen seine Hausansichten, Straßenzüge oder Interieurs auch ganz ohne Menschen aus. Es sind Bilder von hypnotischer Klarheit und Entrücktheit. Man kann die Stille spüren. Die Menschen in seinen Bildern – es sind immer kleinste Gruppen, oft nur einer– werden verweilend oder sinnend dargestellt, nie während einer produktiven Tätigkeit. Ihre Bewegungen wirken wie eingefroren, was ihre Einsamkeit und Bindungslosigkeit noch verstärkt. Was sie denken, wer sie sind, verschließt sich dem Betrachter. Dass Hoppers Werke trotz ihrer forcierten Distanziertheit eine hochemotionale Wirkung erzielen, ist die große Kunst dieses Malers.
Was verkörpert die einsame Frau in »Automat«?
Sie steht symbolhaft für die moderne (amerikanische) Massengesellschaft. Die junge, mit grünem Mantel und beigem Hut bekleidete Frau sitzt alleine an einem runden Tisch in einem hell erleuchteten Restaurant. Sie wirkt bewegungslos, in sich gekehrt, ihr Blick ist gesenkt. Mit der einen, bloßen Hand– die andere steckt in einem Handschuh– umfasst sie den Henkel der Kaffeetasse. Setzt sie die Tasse gerade ab oder will sie trinken? Vielleicht hält sie sich nur daran fest. Man weiß nicht, was sie vorhat, was sie hier will, was sie sonst tut, woher sie kommt, wohin sie geht. Der Betrachter erfährt wenig über diese Frau, sie ist ein Geheimnis. Da sie völlig alleine ist, kein anderes Lebewesen zu sehen ist, weiß man auch nichts über die Art ihrer Beziehungen zu anderen Menschen. Sie fügt sich ein in die kahle, unpersönliche Atmosphäre des Ortes und verkörpert die Kälte und Einsamkeit der modernen Welt.
Hopper nannte sein Bild aus dem Jahr 1927 »Automat« (englisch für Automatenrestaurant). Der Betrachter weiß nur aufgrund des Bildtitels, dass sich die Frau in einem Automatenrestaurant befindet, denn es sind ja keine Automaten zu sehen. Hopper könnte mit »Automat« auch die Frau selbst gemeint haben, zumindest schließt er die Doppeldeutigkeit nicht aus. Tatsächlich wirkt sie in ihrer verschlossenen Haltung und blicklosen Starrheit alles andere als lebendig. Die Künstlichkeit des Raums überträgt sich auf die Frau.
Wie ist das Bild aufgebaut?
Hoppers Bildkompositonen sind eng verwandt mit der Ästhetik des Kinos. Der Bildausschnitt in »Automat« wirkt zufällig, wie das auf der Leinwand eingefrorene Bild eines Films. Das Restaurant ist blendend hell erleuchtet. Draußen herrscht undurchdringliche Dunkelheit. Im Fenster spiegeln sich die Lampenreihen des Innenraums perspektivisch. Die Perspektive weist aber nicht in die Ferne, sondern wieder zurück in den hermetisch abgeschlossenen Raum.
Im scharfen Kontrast zum Schwarz der Umgebung steht die helle Haut der Frau. Ihre schwarz behandschuhte Hand liegt wie tot auf der weißen Tischfläche.
Hinter der Frau, am Fenster, steht eine Schale mit Früchten, als ob sich ein Rest von Natur eingeschlichen hätte. Das kräftige Rot der Früchte korrespondiert zwar farblich mit dem Lippenstiftrot des Mundes der Frau, bleibt aber als Element lebendiger Natürlichkeit eine Ausnahme und unterstreicht nur die leblose Künstlichkeit der Szene.
Wussten Sie, dass …
Edward Hopper 20 Jahre lang seinen Lebensunterhalt als Werbegrafiker verdiente? Sein erstes Gemälde verkaufte er im Jahr 1913 für 250 Dollar.
Filmregisseure in der intensiven Atmosphäre von Hoppers Gemälden Inspiration fanden? So entdeckte Alfred Hitchcock das Vorbild für das düstere Gebäude in seinem berühmten Thriller »Psycho« im Hopper-Gemälde »House by the Railroad«.
Wie prägte Europa den amerikanischen Maler?
Edward Hopper absolvierte mehrere Aufenthalte in Europa, wo auch die für seine künstlerische Entwicklung bedeutsame Auseinandersetzung mit dem Impressionismus stattfand. 1910 kehrte er von seiner letzten Europareise zurück. Später bekannte er: »Als ich zurückkam, kam mir hier alles äußerst grob und unreif vor. Ich habe zehn Jahre gebraucht, um Europa zu überwinden.« Aber die Distanz war wohl nötig gewesen, um den klaren Blick auf Amerika zu entwickeln. Hopper arbeitete als Illustrator, bis er im Alter von 42 Jahren endlich den Durchbruch als Maler schaffte. In den 1920er Jahren und während der großen Depression der 1930er Jahre, als der unbeirrbare Glaube an den materiellen Fortschritt schwand, fand er seine Grundmotive, die er zeit seines Künstlerlebens beibehielt und variierte. Hopper drückt auf unnachahmliche Weise ein allgemeines Lebensgefühl der modernen Gesellschaft aus.
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