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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Der Universalphilosoph

War Hegel von Anfang an zum Philosophen berufen?

Eher nicht. Am theologischen Seminar der Tübinger Universität schaffte er nur einen mittelmäßigen Abschluss, und seine Eltern – Georg Wilhelm Friedrich Hegel entstammte einer Stuttgarter Beamtenfamilie – hatten ihn für den Kirchendienst bestimmt. Doch der Hochschulabsolvent dachte nicht daran, eine kirchliche Laufbahn einzuschlagen. Er verdingte sich als Hauslehrer in Bern und Frankfurt, wo der Dichter Johann Christian Friedrich Hölderlin (1770–1843), mit dem er in Tübingen studiert hatte, weiterhin entscheidenden Einfluss auf ihn ausübte. Hegel, der zurückgezogen lebte und zu Melancholie neigte, studierte ausdauernd und verfasste neben depressiven Gedichten in holprigem Versmaß religiöse Abhandlungen, in denen er sich kritisch mit dem christlichen Autoritätsdenken auseinander setzte.

Was zog Hegel nach Jena?

In der Universitätsstadt tummelten sich die kreativsten Köpfe der Zeit. Friedrich von Schiller hielt Geschichtsvorlesungen, die Brüder August Wilhelm und Friedrich von Schlegel und der Dichter Novalis gründeten die deutsche Schule der Romantik und Fichte lehrte die neueste postkantianische Philosophie. 1801 habilitierte Hegel sich mit der »Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie« und wurde auf Vermittlung seines Studienfreundes, des Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling (1775–1854), Privatdozent in Jena. Mit Schelling gab Hegel 1802 ein »Kritisches Journal der Philosophie« heraus, überwarf sich aber mit dem Freund und ging eigene Wege.

Machte der Philosoph in Jena Karriere?

Zunächst schien es so. 1805 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt, was ihm ermöglichte, seine »Phänomenologie des Geistes« voranzutreiben. Im Jahr 1806 marschierten französische Truppen in Jena ein, wodurch Hegel seine Geschichtsphilosophie, die darauf hinauslief, die historische Entwicklung als notwendigen Prozess darzustellen, als bestätigt ansah. Der Philosoph, für den geschichtliche Individuen Werkzeuge in der Hand des allmächtigen »Weltgeistes« waren, begrüßte Napoleon (1769–1821) als »Weltseele«.

Wodurch wurde der Denker berühmt?

Durch sein zweites großes Werk »Wissenschaft der Logik«. Hegel verließ die Universität für eine Redakteursstelle bei der »Bamberger Zeitung« und wurde 1808 für acht Jahre Direktor eines Nürnberger Gymnasiums. Er verliebte sich in die erst 18-jährige Marie von Tucher und heiratete sie im Jahr 1811. In dieser Zeit schrieb er auch sein zweites großes Werk »Wissenschaft der Logik«, das in drei Bänden 1812 bis 1816 erschien und ihn berühmt machte. Hegel behandelt hier nicht nur die Logik, sondern auch Konzepte für logische Argumentation wie die Lehre vom dialektischen Prozess von These, Antithese und Synthese. Die Universitäten von Berlin und Heidelberg boten ihm daraufhin ihre philosophischen Lehrstühle an. Hegel entschied sich zunächst für Heidelberg, wohin er im Jahr 1816 übersiedelte.

Ein Jahr später erschien seine »Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse«, die seine Studenten zur Vorbereitung auf die Vorlesungen lesen sollten und die eine komprimierte, thesenartige Darstellung seines gesamten philosophischen Systems enthält. Er wechselte 1818 nach Berlin und erwarb sich dort viel Ruhm. Seine Vorlesungen wurden nicht nur von Studenten besucht, sondern auch von Bildungsbürgern der Berliner Gesellschaft. Nach seinem plötzlichen Tod im November 1831 – Hegel starb während einer Cholera-Epidemie – übte er durch seine Schüler eine enorme Wirkung aus. Der bekannteste und einflussreichste Hegelianer wurde Karl Marx (1818–1883).

Was bedeutet Dialektik?

Mittels These und Antithese zu einer Synthese zu kommen. Im Zentrum von Hegels Philosophie stand die Frage, was Wirklichkeit im Grunde sei. Die eigentliche Wirklichkeit war für ihn der Geist, dessen Weg zur Selbsterkenntnis in dialektischen Schritten zur absoluten Idee führt. In ihr sind alle partiellen Bestimmungen des Verstandes zusammengefasst und aufgehoben. Hegel benannte zwei Formen des dialektischen Weges: den subjektiven und den objektiven Geist. Er schrieb der Erfahrung eine wichtige Rolle bei der Erklärung der Welt zu. In der »Phänomenologie des Geistes« (1807), seinem Hauptwerk, erklärte er, dass der Mensch nicht über die Erfahrung hinausgehen müsse, um zur Wirklichkeit zu gelangen, sondern dass die Erfahrung an sich bereits Selbstüberschreitung sei.

Hegel, der die komplexesten Erfahrungen auf den Begriff zu bringen vermochte, wirkte vor allem mit seiner radikal dialektischen Methode auf die Philosophie nach ihm weiter. Sein systematisch fortschreitendes Erkenntnismodell gleicht einer Pyramide, an deren Spitze die alles in sich begreifende Idee steht.

Was waren wichtige Stationen?

27.8.1770: Georg Wilhelm Friedrich Hegel wird in Stuttgart geboren

bis 1790: Studium der Philosophie, Philologie und Mathematik an der Universität Tübingen

1790–1801: Theologiestudium in Tübingen

1801–1807: Privatdozent an der Universität Jena

1807: Veröffentlichung der »Phänomenologie des Geistes«

1807/08: Redakteur bei der »Bamberger Zeitung«

1808–1816: Gymnasialdirektor in Nürnberg

1812–1816: »Wissenschaft der Logik« erscheint

1816–1818: Lehrstuhl in Heidelberg

ab 1818: Dozent an der Berliner Universität

ab 1829: Rektor der Berliner Universität

14.11.1831: Hegel stirbt in Berlin

Wussten Sie, dass …

viele Biografen aufgrund eines Übersetzungsfehlers behaupten, Hegels Abschlusszeugnis bescheinige ihm keine (»nullam«) Fähigkeiten als Philosoph? Tatsächlich bestätigte man ihm viele (»multam«) Kenntnisse in diesem Fach.

Hegel an jenen Berliner Lehrstuhl berufen wurde, an dem zuvor der Idealist Johann Gottlieb Fichte (1762 bis 1814) gelehrt hatte?

neben anderen auch der Philosoph Arthur Schopenhauer die unverständliche Sprache Hegels kritisierte?

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