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Hemingways Der alte Mann und das Meer: Sieg in der Niederlage

Wie lautete Hemingways Lebensphilosophie?

Ernest Hemingway (1899–1961) sah das Leben als einen andauernden Kampf, der mit Zähigkeit, Fairness, Mut und vor allem Würde geführt werden muss. Dabei ist nicht entscheidend, Siege davonzutragen, denn es kann im Leben nicht nur Siege geben. Entscheidend ist die Haltung im Kampf, wie auch immer dieser ausgeht: Die Größe und Würde des Menschen ermisst sich laut Hemingway darin, wie er sich in der Niederlage behauptet. In keinem seiner Werke setzte Hemingway sein Credo so eindrucksvoll um wie in dem Kurzroman »Der alte Mann und das Meer« (1952).

Worum geht es in der Geschichte?

Im Mittelpunkt steht der alte kubanische Fischer Santiago, der 84 Tage hintereinander in seinem kleinen Boot aufs Meer hinausgefahren war, ohne einen einzigen Fang zu machen. Anfangs hatte ihn ein Junge begleitet, doch nach 40 erfolglosen Tagen fährt er auf Geheiß seiner Eltern in einem anderen Boot mit. Seitdem segelt Santiago alleine.

Am 85. Tag beißt ein Fisch an: ein riesiger Schwertfisch, länger als Santiagos Boot – der Fang seines Lebens. Ein Kampf beginnt, der zwei Tage und zwei Nächte dauert. In endlosen Selbstgesprächen macht sich Santiago Mut, er erinnert sich an vergangene Bewährungsproben, bekämpft seine Erschöpfung. Und am Ende besiegt er den Fisch: Santiago kann ihn harpunieren und längsseits am Boot vertäuen.

Bleibt der Fischer am Ende Sieger?

Nein, der alte Mann hat den Kampf gegen das Tier zwar gewonnen, verliert aber doch: Auf der Heimfahrt attackieren Haie Santiagos Fang, von dem er monatelang hätte leben können. Zuletzt nur noch mit einem Ruder bewaffnet, kämpft er erbittert gegen die Raubtiere, doch diesmal ist er der Unterlegene: Die Haie fressen seine Beute bis auf das Gerippe auf. Dem körperlichen Zusammenbruch nahe, landet der Fischer schließlich in seinem Heimathafen mit nichts als einem zerfetzten, wertlosen Fischskelett im Schlepptau. Der Junge ist zur Stelle und umsorgt den zerschundenen und müden alten Mann. Santiago legt sich schlafen und beginnt, von Löwen in der freien Wildbahn zu träumen – obwohl »etwas in seiner Brust zerbrochen ist«, wird er am nächsten Morgen unverdrossen wieder auf die See hinausfahren.

Resigniert der alte Mann?

Nein, Hemingway lässt den Fischer sagen: »Aber der Mensch darf nicht aufgeben. Man kann vernichtet werden, aber man darf nicht aufgeben.« In einer schlichten, klaren, fast lapidaren und scheinbar emotionslosen Sprache voller Symbole und Metaphern erzählt Hemingway von einem einsamen Menschen, der sich im Zweikampf mit der Natur misst, der Sieger und Unterlegener zugleich ist und sich schließlich auch in der Niederlage nicht besiegen lässt. Der leidenschaftliche Glaube an die Würde des tragischen Helden, die Schönheit des Kampfes, die Willenskraft des Einzelnen und die metaphysische Unbesiegbarkeit des Kämpfers spricht aus dem gesamten Roman.

Welche Botschaft hat der Roman?

Das Credo könnte lauten, man darf sich dem Schicksal nicht kampflos überlassen. Das Schicksal des alten Fischers Santiago ist ein Sinnbild des Menschen in seinem Leben. Siege und Niederlagen, Glück und Unglück, Triumph und Schmach kommen und gehen – all das ist vergänglich. Wichtig ist, um das Glück zu kämpfen, sich der Herausforderung zu stellen. Auch wenn man diesen Kampf verliert, gilt es, Würde und Stolz zu bewahren. Das weiß der Fischer, deshalb segelt er mit der gleichen Sorgfalt, die er aufgebracht hätte, wenn er gesiegt hätte, in den Heimathafen zurück, und deshalb bricht er erneut auf, um den großen Fang zu machen.

War Hemingway ein Draufgänger?

Nach außen hin schien es so. Zeit seines Lebens scheute er keine Gefahr, war Kriegsreporter, liebte das Abenteuer, das er als Großwildjäger und Hochseefischer suchte. Andererseits hatte er mit Depressionen zu kämpfen. Geboren wurde Ernest Hemingway am 21.7.1899 in Oak Park/Illinois. Er begann als Lokalreporter, bevor er sich 1918 an die italienische Front meldete. In den 1920er Jahren teilte er sein selbst gewähltes Exil in Paris mit anderen Schriftstellern der »Lost Generation« wie F. Scott Fitzgerald. 1927 wurde er mit »Fiesta« berühmt. Nach seinem 1939 veröffentlichten Epos »Wem die Stunde schlägt« setzten Schreibhemmungen ein. Er benötigte über ein Jahrzehnt für »Über den Fluss und in die Wälder«. Der Roman wurde böse verrissen, doch Hemingway schwang sich noch einmal zu einer Höchstleistung auf: »Der alte Mann und das Meer« (1952) wurde enthusiastisch gefeiert, 1954 erhielt er den Nobelpreis. Am 2.7.1961 erschoss sich der unheilbar kranke Hemingway in seinem Ferienhaus in Idaho.

Wussten Sie, dass …

Hemingways Bemerkung, dass »kein Hurensohn, der den Nobelpreis gewonnen hat, jemals wieder etwas Lesenswertes geschrieben hat«, sich auch für ihn bewahrheiten sollte? Hemingway verfiel nach der Preisverleihung in Depressionen, seine Schreibfähigkeit erlosch. »Der alte Mann und das Meer«, neun Jahre vor seinem Tod geschrieben, blieb sein letztes vollendetes Werk.

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