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Heuschrecken: Geübte Weitspringer

Wie zirpen Heuschrecken?

Sie streichen ähnlich wie eine Geigenspielerin mit einem rauen »Bogen« über eine Kante. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen den beiden Unterordnungen der Langfühlerschrecken (Ensifera) und der Kurzfühlerschrecken (Caelifera). Die Männchen der Langfühlerschrecken tragen an der Unterseite der »Schrillader« am oberen Deckflügel eine Zahnreihe und die Hinterkante des unteren Deckflügels ist zur »Schrillkante« aufgebogen. Beim Übereinanderstreichen entsteht das bekannte Zirpgeräusch. Bei den Kurzfühlerschrecken haben meist beide Geschlechter eine Zahn- oder Schrillleiste an der Innenseite der Sprungschenkel, die sie über eine kantige Ader der Deckflügel streichen.

Der Zweck des oft sehr durchdringenden Schreckenkonzerts ist wie so oft die Partnersuche. Um auch in unübersichtlichem Gelände wie Wiesen und Büschen sowie nach Einbruch der Dunkelheit einen passenden Paarungspartner zu finden, verlassen sich die Schrecken auf ihre weit schallenden akustischen Signale.

Was hat die Maulwurfsgrille mit dem Maulwurf zu tun?

Natürlich gehören die beiden Tiere verschiedenen Stämmen des Tierreichs an. Gemein haben sie die zu effektiven Grabschaufeln umgebildeten Vorderbeine. Eine weitere, volkstümliche Bezeichnung der Maulwurfsgrille ist »Erdkrebs«, was sich beim ersten Anblick von selbst erklärt: Die Vorderbrust dieser unterirdisch lebenden, plumpen Langfühlerschrecken wirkt wie ein Krebspanzer. Springen können sie allerdings nicht. Zwar sind die Schenkel auch verdickt, aber die Muskeln dienen nicht mehr zum Springen, sondern schieben die Tiere beim Graben voran.

Bei uns ist nur die Eigentliche Maulwurfsgrille (Gryllotalpa gryllotalpa) heimisch, ein 1–5 cm langes, braunes Tier, das dicht unter der Oberfläche in feuchter, lockerer Erde lange Gangsysteme anlegt. Den Pflanzenbewuchs über der hühnereigroßen Nisthöhle tötet sie durch Abnagen der Wurzeln ab, so dass die Sonne sie gut durchwärmt. Das Weibchen schützt die Brut durch Belecken vor Verpilzung und Fäulnis. Die Jungen ernähren sich von Humus und zarten Wurzeln, welche die Mutter für sie freilegt. Als Erwachsene bevorzugen sie Engerlinge, Raupen und Regenwürmer, aber auch Pflanzenwurzeln. In der Landwirtschaft können sie erheblichen Schaden anrichten.

Fressen Laubheuschrecken nur Blätter?

Nein, die Laubheuschrecken (Überfamilie Tettigonioidea) vertilgen keineswegs allesamt Laub: Manche Arten bevorzugen Insekten, andere haben zumindest nichts gegen gelegentliche fleischliche Beikost einzuwenden. Die meisten der über 5000 Arten leben in den Tropen, nur ein paar Dutzend sind auch in unseren Breiten heimisch. Die wichtigste bei uns vertretene Familie bilden die Heupferde (Tettigonidae), zu denen beispielsweise das Grüne Heupferd und der Warzenbeißer zählen.

Heupferde ernähren sich überwiegend räuberisch. Schnelle Beutetiere ergreifen sie im Sprung mit den Vorderbeinen und töten sie sofort mit den starken Kiefern. Darüber hinaus verschmähen sie auch pflanzliche Kost wie Löwenzahn oder Vogelmiere nicht. Das bekannte, in fast jeder Sommerwiese anzutreffende Große oder Grüne Heupferd (Tettigonia viridissima) verdankt seinen intensiven Grünton aber nicht etwa dem Blattgrün (Chlorophyll) aus seiner Kost, sondern stellt den Farbstoff selbst her. Sein Körper ist nur drei Zentimeter lang, aber durch die Flügel, die den Hinterleib weit überragen, wirkt es beträchtlich größer. Es fliegt ungern; meist erhebt es sich nur zur Flucht in die Luft und legt dabei nie mehr als 100 Meter zurück. Dank seiner Ortstreue kann man das schrille Zirpen der Männchen oft Abend für Abend aus demselben Busch oder Baum vernehmen.

Kann der Warzenbeißer tatsächlich Warzen entfernen?

Ja, deshalb wurde diese Heuschreckenart früher in der Naturheilkunde eingesetzt. Die wissenschaftlich Decticus verrucivorus genannte Schrecke, deren grüne Flügeldecken mit auffallenden, dunklen würfelförmigen Flecken versehen sind, ist mit einer Körperlänge von bis zu 4,5 cm unsere größte Laubheuschrecke. Der Warzenbeißer lässt seinen grellen Gesang vom Boden aus ertönen und ist dadurch leicht zu fangen. Jedoch wehrt er sich durch kräftige Bisse und Erbrechen von braunem Magensaft. Die Landbevölkerung nutzte diesen Saft früher außer gegen Warzen auch zum Verätzen von Wunden.

Zeigen Grillen Zeit und Temperatur an?

Dem kundigen Naturforscher durchaus. Denn wenn man das Zirpen dieser Insekten richtig zu deuten weiß, ist es möglich, Uhrzeit wie Temperatur daraus zu ermitteln. Alle etwa 2500 Arten der Echten Grillen (Familie Gryllidae) lieben die Wärme, so dass die meisten in den Tropen zu Hause sind. Hierzulande werden sie entweder erst bei Sonneneinstrahlung aktiv oder suchen beheizte Räume auf. Da auch ihr Zirpen von der Temperatur abhängt, kann man sie sowohl als »Uhren« als auch als »Thermometer« einsetzen: Das Männchen der Feldgrille (Gryllus campestris) stimmt an sonnigen Tagen im Mai oder Juni morgens ziemlich genau um neun Uhr seinen Lockgesang an und hört spätestens um zwei Uhr nachts damit auf. 1897 veröffentlichte der Naturforscher A. E. Dolbear eine Formel, der zufolge die Anzahl der Zirpgeräusche der Baumgrille Oecanthus fultoni in 15 Sekunden plus 37 die aktuelle Temperatur in Grad Fahrenheit (°F) ergibt.

Verpuppen sich Heuschrecken?

Nein, sie gehören zu den Insekten, die eine unvollkommene Metamorphose durchlaufen. Wie auch zum Beispiel Eintagsfliegen, Ohrwürmer, Schaben und Libellen gehören die Schrecken zu den hemimetabolen Insekten, also denen mit unvollständiger Verwandlung: Es gibt kein Puppenstadium und die älteren Larvenstadien, die als Nymphen bezeichnet werden, sehen den ausgewachsenen Heuschrecken (Imagines) schon mehr oder weniger ähnlich. Ihr innerer Bau verändert sich während der Entwicklung nicht grundlegend; oft sind schon früh kleine Flügel erkennbar, die bei jeder Häutung etwas größer werden.

Welche Heuschrecke singt am schönsten?

Das melodienreiche Zirpkonzert in einer Sommerwiese stammt meistens von Feldheuschrecken der Familie Acrididae. Deren über 5000 Arten gehören zu den Kurzfühlerschrecken. Häufigster Vertreter bei uns sind die bis 2,5 Zentimeter langen Grashüpfer, deren drei Gattungen nur schwer voneinander zu unterscheiden sind. Sie sind – wie die verwandten Wanderheuschrecken – Vegetarier.

Kein Zirpen, sondern ein eigentümliches Schnarren geben die Männchen der Schnarrschrecken (Gattung Bryodema) im Flug, aber auch im Sitzen von sich. Diese Schnarrlaute haben der Gattung ihren Namen gegeben. Fünf Arten der ebenfalls einheimischen Schnarrschrecken fallen durch ihre bunte Körperzeichnung besonders auf. Die Blauflügelige Sandschrecke (Sphingonotus caerulans) und die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) zeigen beim Flug lebhaft blaue Hinterflügel, bei anderen Arten sind diese rot gefärbt. Sobald sich aber die Tiere niederlassen, sind nur noch die Tarnstreifen auf den Deckflügeln sichtbar; die Tiere verschmelzen mit dem Untergrund und sind fast nicht mehr zu entdecken.

Sind Heuschrecken eine Landplage?

Mitunter ja. Selbst in der Bibel wurden die gefräßigen Insekten unrühmlich erwähnt: »Und Gott der Herr sprach zu Moses: Breite deine Hände aus über Ägypten, um die Heuschrecken herbeizurufen, damit sie sich auf der Erde niederlassen und alle Pflanzen auffressen«. Diese biblische Plage, die gelegentlich auch Deutschland heimgesucht hat (zuletzt 1875), geht stets auf Kurzfühlerschrecken zurück, wobei nur neun der über 9000 Arten zu Massenwanderungen neigen. Am häufigsten treten Massenvermehrungen bei die Wüstenheuschrecke Schistocerca gregaria auf, die bei den sonst einzelgängerisch lebenden Insekten Körper- und Verhaltensveränderungen hervorrufen: Die Nymphen werden gesellig und legen sich bei ihren Häutungen anstelle des üblichen dunklen Tarnkleids leuchtend gelborange und schwarze Streifen zu. Ihre riesigen Schwärme können aus über zehn Milliarden Individuen bestehen. Teils aktiv fliegend, teils passiv durch den Wind getragen, legen sie bis zu 5000 km zurück. Wo sie landen, richten sie gewaltige Schäden an, da eine Heuschrecke täglich problemlos ihr eigenes Körpergewicht an Futter verzehren kann. Die 40–80 Millionen Tiere, die auf einen Quadratkilometer passen, vernichten bis zu 250 Tonnen Getreide pro Tag.

Feldheuschrecken können nicht nur in Afrika zur Plage werden. So fallen beispielsweise die Sibirische Keulenschrecke (Aeropus sibiricus) und die Kurzflügelige Schwirrschrecke (Arcyptera microptera) nicht selten in Sibirien, Russland oder der Ukraine über die Getreidefelder her.

Warum ähneln manche Schrecken Blättern oder Ästen?

Sie sind damit vor ihren wichtigsten Feinden – Vögeln, Eidechsen und Spinnen – relativ sicher! Anhand des Körperbaues lassen sich zwei charakteristische Typen von pflanzennachahmenden Schrecken identifizieren, die jedoch nicht miteinander verwandt sind.

Ungewöhnlich lang gestreckt, dünn und gerade wie ein Stab oder Halm, sind die »Stabschrecken«. Sollten sie doch entdeckt werden, lassen sie sich fallen und verschwinden so aus dem Gesichtskreis ihrer Feinde.

Die »Wandelnden Blätter« (Familie Phyllidae) haben sich ein anderes Vorbild für ihre Körpergestalt ausgesucht. Ihr Hinterleib und die Vorderflügel, aber auch die kurzen Schenkel und Schienen sind seitlich verbreitert und abgeflacht. Vor allem die grüne Farbe und die täuschend echten »Blattadern« auf der Körperoberfläche verleihen den Tieren eine große Ähnlichkeit mit Blättern. Auf Erschütterungen reagieren sie mit pendelnden Bewegungen, so dass tatsächlich der Eindruck eines vom Wind bewegten Blattes entsteht; dieses Phänomen wird auch treffend als Windmimese bezeichnet.

Übrigens: Die Imitation von Pflanzenteilen – die Fachwelt spricht von »Phytomimese« – geht so weit, dass sie sogar Fraß- und Pilzschäden an den nachgeahmten Blättern nachbilden, tagsüber wie angewachsen herumsitzen und zum Teil physiologische Farbwechsel vollziehen, also während des Tages hell und während der Nacht dunkel gefärbt sind. Darüber hinaus gibt es bei manchen Gespenstschrecken einen morphologischen Farbwechsel: Die Larven passen ihre Farbe während der Entwicklung ihrem momentanen Untergrund an. Um ihren Feinden zu entkommen, können die Larven vieler Arten ihre Beine an einer vorgebildeten Bruchstelle abwerfen; bei der nächsten Häutung wachsen die fehlenden Glieder dann einfach nach.

Wie hören Heuschrecken?

Gewissermaßen mit dem Knie. Die Hörorgane der Langfühlerschrecken sitzen an den Vorderschienen, nahe am Kniegelenk, und nehmen auch Ultraschall wahr, sind aber für unterschiedliche Tonhöhen unempfindlich; daher rührt der monotone Gesang der Langfühlerschrecken. Die Trommelfelle der Kurzfühlerschrecken dagegen sitzen links und rechts am ersten Hinterleibsring in festem Abstand zueinander, so dass sie die Richtung der Schallquelle orten können, ohne sich zu bewegen. Die beiden Unterordnungen unterscheiden sich außer in Lauterzeugung und Hörorganen auch in ihrer Fühlerlänge und in ihren Eierlegevorrichtungen – schwertförmiger Legestachel bei den Erstgenannten, gedrungene Grabvorrichtung bei Letzteren.

Wussten Sie, dass …

in China seit dem 8. Jahrhundert bei regelrechten Grillen-Kämpfen hochgezüchtete, aggressive Grillen aufeinander losgelassen werden?

diese Kämpfe sogar im Fernsehen übertragen werden und die Champions den Besitzern Preisgelder von bis zu 15 000 Euro einbringen können?

Wussten Sie, dass …

die kleinste Heuschrecke nur 2–3 mm misst, die größte aber eine Länge von bis zu 55 cm erreichen kann?

einige Schrecken beim Sprung eine solche Schubkraft ausüben, dass sie damit das 20 000-Fache ihres Eigengewichtes wuchten könnten?

Heuschrecken bei Gefahr ein Sprungbein abwerfen? Das verlorene Bein zuckt weiter und lenkt den Feind ab, so dass die Heuschrecke flüchten kann.

der beliebte Grashüpfer »Flip« aus der Biene Maja auch eine Heuschrecke ist? Die Grashüpfer sind eine Gattung der Kurzfühlerschrecken.

Sitzt das Heimchen am heimischen Herd?

Ja. Lieblingsplätze der Hausgrille (Acheta domestica) – des bekannten Heimchens – sind Wohnungen, Bäckereien, Heizkeller und ähnliche geheizte Räume, da sie Temperaturen bis 31 °C bevorzugt.

Das anhaltende nächtliche Zirpen der Hausgrille wird übrigens von manchen Menschen als äußerst nervtötend empfunden, während es auf andere anheimelnd wirkt.

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