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Höhlentempel von Ajanta: Ein Denkmal für die Ewigkeit

Wie kam es zur Entdeckung der Höhlen?

Offiziere der britischen Kolonialarmee stießen bei einer Tigerjagd 1819 zufällig auf den Höhlenkomplex von Ajanta. Damals waren die Höhlen, die einst buddhistischen Mönchen als Kloster und Tempel gedient hatten, bereits seit einem Jahrtausend verlassen. Überwältigt standen nun die Offiziere vor der Pracht und der Fülle der monumentalen Wandmalereien, Reliefs und Skulpturen. Seit 1983 gehören die Höhlen im indischen Bundesstaat Maharashtra zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Wann entstanden Höhlen und Kunstwerke?

Die ersten Höhlen wurden im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. in die steilen Felswände über dem Fluss Wagora geschlagen. Eine mühsame Arbeit, aber die schwindelnde Höhe bot den Mönchen während des Monsuns Schutz vor Überschwemmungen. In einer zweiten Periode, zwischen dem 5. und dem 7. Jahrhundert n.Chr., kam es zu einer wesentlichen Erweiterung. Diese hauptsächlich in der Gupta-Zeit, 320 n.Chr. bis um 500 n.Chr., entstandenen Kulthöhlen bilden den größten und imposantesten Teil der Anlage.

In die Zeit der Gupta-Dynastie fällt die klassische Epoche der altindischen Malerei. Der hohe Entwicklungsstand der Freskotechnik zeigt sich deutlich in der unvollendeten Höhle 2 von Ajanta: Zwei Schichten aus gemagertem Ton wurden auf den Fels aufgetragen und dann mit einer feinen, glatten Lehmschicht bedeckt. Auf den feuchten Putz wurden zunächst die Umrisse der Figuren mit rotem Hämatitpulver skizziert, mit fünf verschiedenen Farben ausgemalt und abschließend die trockenen Wände glänzend poliert.

Was zeigen die Bilder?

Das reiche Bildprogramm der Höhlen von Ajanta erzählt von Buddha und seinen früheren Existenzen. Breiten Raum nehmen Szenen aus dem luxuriösen, sehr weltlichen Leben des Prinzen Siddharta Gautama ein. Ein anderes zentrales Motiv ist Siddharta als Bodhisattva, der, unter dem Bodhi-Baum sitzend, den richtigen Weg zur Erlösung erfährt und zum Buddha, dem Erleuchteten, wird. Die Malereien sind ein gutes Beispiel für das breite Motivrepertoire der klassischen Epoche.

Welche Stilelemente zeigt die klassische Malerei?

Im Stil zeichnet sich die klassische Malerei durch feine Wiedergabe der Details aus, eine stärkere Betonung der Umrisslinie und geschickte Überschneidungen der Motive, mit denen räumliche Tiefenwirkung erzielt wird. Die Männer sind kraftvoll, die Frauen üppig dargestellt, ihre Gesten wirken sehr gefühlsbetont. Hervorstechendes Merkmal der klassischen Malerei sind die Augenpartien der Personen. Deutlich zeigen sich diese Stilmerkmale am großen Bodhisattva aus der Höhle 1.

Welche Art von Heiligtum finden wir in Ajanta?

Die Höhlenanlage von Ajanta ist ein Heiligtum des Mahayana-Buddhismus, der im 1. Jahrhundert v.Chr. aufkam und den Bodhisattva nicht, wie im frühen Buddhismus, als Menschen sieht, der nach Erleuchtung strebt, sondern als einen bereits Erleuchteten. Aufgrund seines Mitleids verzichtet er jedoch auf den sofortigen Eintritt ins Nirvana, um alle anderen Wesen zu erlösen.

Was ist die bedeutendste Figur in den Höhlenmalereien von Ajanta?

Das ist ohne Zweifel der barmherzig-erlösende Bodhisattva Padmapani in Höhle 1, einem Vihara (Mönchszellentrakt) aus dem 6. Jahrhundert n.Chr. Er ist dargestellt in höfischer Tracht, mit Halsschmuck, langen Locken, feinem Gewand und einer prächtigen Krone. Der Körper ist in hellen Tönen leicht modelliert, wirkt jedoch nicht feminin. Die helle Hautfarbe zeigt die vornehme Herkunft des Prinzen, auch die graziöse Körperhaltung der Figur verrät Eleganz. Zwischen den manieristisch gespreizten Fingern der rechten Hand hält er eine Blüte. Doch der meditative Gesichtsausdruck lässt daran zweifeln, dass der Bodhisattva die diesseitige Existenz der Blume überhaupt wahrnimmt. Der Eindruck der Entrücktheit wird gefördert durch die – in typischer Art der Epoche gezeichneten – Augen, deren Lider tief über den Augapfel gezogen und durch einen Lidstrich verlängert sind. Die Schminke lässt die Augen noch schmaler und länger erscheinen. Die natürlichen Brauen sind rasiert und oberhalb der Brauenpartie in kühnem Schwung aufgemalt.

Wo befinden sich ähnliche Höhlen?

Die Weiterentwicklung der religiösen Kunst Indiens lässt sich im Höhlenkomplex von Ellora studieren, das wie Ajanta im Bundesstaat Maharashtra liegt und ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Die in den Fels gehauenen Klöster und Tempel von Ellora stammen aus der Zeit vom 5. bis 13. Jahrhundert, sind also jünger als die von Ajanta und zeigen einige der bedeutendsten Kunstwerke der Chalukya-Epoche (6./7. Jh.). Neben buddhistischen und hinduistischen Anlagen – herausragend der Dumnar-Lena-Tempel – finden sich hier auch Heiligtümer des Jinismus, einer extrem asketischen Religion, die im 5. Jahrhundert v.Chr. in Indien begründet wurde.

Wussten Sie, dass …

sich die Gestalt des barmherzigen Bodhisattva in Höhle 1 harmonisch in eine paradiesische Felsenlandschaft einfügt? Affen, Pfauen und verschiedene Fabelwesen bevölkern die Szene.

ein ganzer Hofstaat mit üppigen, reich geschmückten Schönheiten inmitten traumhafter Szenerien den faszinierenden Gesamteindruck vervollständigt?

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