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Lebensmittel- und Biotechnologie: Mehr als Käse und Bier

Was macht die Milch zum Käse?

Die wichtigste Zutat ist ein Enzym (oder Ferment) mit Namen »Lab«. Dieses Biomolekül wurde ursprünglich aus Kälbermägen gewonnen und wird der Milch von Kühen, Schafen oder Ziegen zugesetzt. Heute produzieren in vielen Industrieländern genetisch veränderte Bakterien diesen wichtigen Hilfsstoff der Lebensmitteltechnologie. Zuvor wird allerdings die Milch mit einer Starter-Bakterienkultur versetzt und beiseite gestellt, so dass sie eindickt. Das daraufhin zugefügte Lab lässt diese Masse gerinnen. Der feste »Bruch« entsteht, und die dünnflüssige Molke scheidet sich ab. Der Bruch wird gepresst und nach einer Wärmebehandlung für Stunden, für Tage – je nach Sorte – in ein Salzbad getaucht. Die anschließende Reife geschieht bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit in klimatisierten Räumen. Während der Reifezeit wird Eiweiß durch sortentypische Bakterien abgebaut, wodurch der charakteristische Geschmack entsteht. Der Reifeprozess dauert bis zu mehreren Monaten, bei Hartkäse wie dem italienischen Parmesan sogar mindestens drei Jahre.

Steckt ein Pilz im Pils?

Ja, nicht nur Hefeweizen, sondern jede Biersorte verdankt ihren Alkoholgehalt einzelligen Hefepilzen. Diese ernähren sich von Malzzuckermolekülen, das Abbauprodukt ist Alkohol. Mit Malz bezeichnet der Brauer gekeimte, enzymatisch aufgeschlossene und dann getrocknete Gerstenkörner. Aus geschrotetem Malz und Wasser entsteht Maische, die geklärt (»geläutert«) wird, der feste Rückstand dient als Tierfutter.

Bekanntlich hat Bier aber neben dem (Gersten-)Malz noch eine zweite Hauptzutat: den Hopfen. Dieser wird mit der geläuterten Maische aufgekocht, wodurch die »Würze« entsteht. Die Inhaltsstoffe des Hopfens bewirken nicht nur den charakteristischen bitteren Geschmack des Bieres, sondern – zusammen mit der Hitzeeinwirkung – auch ein Ausfällen von Eiweißen und das Abtöten von Keimen. Die Hopfenrückstände werden entfernt, die Würze gekühlt und mit Hefe versetzt. Nun schließt sich die Gärung an, während der die Hefe den Malzzucker zu Alkohol umsetzt.

Übrigens: Auch in Wein und Fruchtwein geht der Alkoholanteil auf die Aktivität von Hefebakterien zurück. Diese werden zwar bei der professionellen Herstellung dem Fruchtsaft oder Most gezielt zugesetzt. Dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich: Auf natürlich wachsenden Trauben oder anderem Obst siedeln meist genügend Hefepilze, so dass die Gärung von ungekühltem Saft nach einer gewissen Zeit auch von alleine beginnen würde.

Kann man Hefepilze züchten?

Ja. Hefezellen sind ausgesprochen vermehrungsfreudig: Unter optimalen Bedingungen verdoppeln sie sich etwa alle 90 Minuten, so dass nach 24 Stunden aus einer einzigen Hefezelle bereits knapp 70 000 und nach zwei Tagen sogar ungefähr 5 Mrd. Zellen entstanden sind. Im Vergleich dazu benötigen Gräser zur Verdoppelung ihrer Biomasse ein bis zwei Wochen und Schweine sogar vier bis sechs Wochen. Außerdem haben Hefen einen relativ hohen Gehalt an hochwertigem Protein und die Erhöhung der Ausbeute durch gentechnische Maßnahmen ist relativ einfach. Wegen dieser beeindruckenden Fähigkeit hat man immer wieder versucht, die schnell wachsenden Organismen bei der Produktion proteinreicher Nahrungs- und Futtermittel heranzuziehen. So wurden in Deutschland bereits im Ersten Weltkrieg Versuche unternommen, Hefen großtechnisch auf den Abfallprodukten der Zuckerraffinerien zu züchten. Weitere Pilotprojekte folgten in den 1960er und 1970er Jahren. Heute werden jährlich Millionen Tonnen Hefe produziert. Die wichtigste Art hat den biologischen Namen Saccharomyces cerevisiae (frei übersetzt »Zuckerpilz des Bieres«). Außer Hilfsmitteln zur Lebensmittelherstellung wird dabei auch Tierfutter hergestellt. Außerdem werden Bierhefepräparate als Vitaminlieferanten und für kosmetische Anwendungen produziert.

Warum ist geräucherte Wurst haltbarer?

Das Räuchern konserviert Wurst, Schinken oder Fisch aus zwei Gründen: Zum einen wird das Lebensmittel getrocknet und der Wasserentzug schädigt auch darin enthaltene Krankheitskeime bzw. tötet sie ganz ab. Zum anderen entstehen bei der unvollständigen Verbrennung im Räucherofen eine Reihe von Substanzen mit desinfizierender Wirkung, so etwa verschiedene Phenole und Formaldehyd. Letzteres hat allerdings auch eine Krebs fördernde Wirkung. Andere, früher in Räucherwaren anzutreffende Krebs erregende Stoffe (z. B. Benzopyren) werden heute aus dem Rauch herausgefiltert. Dies soll – zusammen mit dem verbreiteten Einsatz von Kühlschränken – zu einem spürbaren Rückgang bei Magenkarzinomen geführt haben.

Warum waren Wein und Bier früher gesünder als Wasser?

Alkohol ist zwar für die Gesundheit des Menschen schädlich, für viele Krankheitserreger ist er dagegen absolut tödlich. Darum waren im Mittelalter Bier und Wein weitgehend keimfrei, wohingegen Wasser aus meist verschmutzten Flüssen und Seen gewonnen wurde. Wer davon trank, setzte sich der Ansteckung mit gefährlichen Durchfall- und andern Erkrankungen aus.

Übrigens: Auch Essig tötet Keime ab. Die Säure bereitet zwar weniger Genuss als ein guter Tropfen Wein, sauer eingelegtes Obst und Gemüse ist aber gesundheitlich gesehen die bessere Konservierung als das Einlegen in Rum oder Wein. Auch andere Konservierungsmethoden haben eine lange Tradition: Einkochen (hier tötet die Hitze die Keime), Zuckerzusatz (Zuckermoleküle lassen durch die sog. Osmose Bakterien platzen), Einsalzen bzw. Pökeln (auch Salz löst osmotische Prozesse aus) und Dörren (die Wirkung des Wasserentzugs wurde ja bereits angesprochen). Die heute am weitesten verbreitete, schonendste und effektivste Methode zum Haltbarmachen von Nahrungsmitteln ist jedoch die Kühlung bzw. Tiefkühlung. Sie sind aus Haushalt und Lebensmittelindustrie nicht mehr fortzudenken.

Design-Food: Kommt der Genuss heute aus dem Labor?

In vielen Fällen ja. Die Produkte der modernen Lebensmittelindustrie können im unterschiedlichsten Grade künstlich sein – von der bloßen Verwendung einer Vielzahl von Zusatzstoffen bis hin zum Design-Food, bei dem aus preisgünstigen Rohstoffen Zutaten wie Stärke, Proteine oder Fettaustauschstoffe gewonnen und dann zu scheinbar natürlichen Nahrungsmitteln wieder neu zusammengesetzt werden.

In der Europäischen Union sind zurzeit ca. 300 Zusatzstoffe zugelassen, die im Klartext auf der Packung aufgeführt oder durch Angabe der E-Nummern kenntlich gemacht werden müssen. Aus dem angegebenen Cocktail an Zusatz- und Austauschstoffen stellt man z. B. Fleischersatzprodukte her. Viele Verbraucher stehen allerdings der Künstlichkeit einer solchen Nahrung skeptisch gegenüber.

Gibt es Gene im Essen?

Das Misstrauen gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln ist zwar groß, allerdings sind »Gene« natürlich in jedem Lebewesen und damit auch in allen Nahrungsmitteln enthalten. Wovor aber manche Experten warnen und was andere als großartige Chance ansehen, ist die gezielte Veränderung des Erbguts von Tieren und Pflanzen, mit deren Hilfe Lebensmittel produziert werden. Man kann beispielsweise Pflanzen mittels Gentechnik so manipulieren, dass sie gegen bestimmte Krankheiten immun oder unempfindlich gegen sonst giftige chemische Pflanzenschutzmittel werden. Solche oft patentrechtlich geschützten Saaten können zu wirtschaftlicher Abhängigkeit der Landwirte führen. Ein anderer Ansatz lässt Bakterien artfremde, in der Lebensmitteltechnologie benötigte Enzyme produzieren.

Risiken beim Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen sind neben einer Bedrohung der Artenvielfalt auch Nebeneffekte wie das Auftreten neuer unerwünschter Eigenschaften bei den Pflanzen, aber auch allergische Reaktionen bei den Verbrauchern. Dabei ist zu beachten, dass Gene zwischen niederen Organismen »springen« können und dass höhere Lebewesen »stumme« Abschnitte im Erbgut haben, die durch neuartiges genetisches Material in unvorhergesehener Weise aktiviert werden könnten. In der heftigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung steht der prognostizierte Wirtschaftsboom den befürchteten unkontrollierbaren Schäden gegenüber.

Was ist obergäriges, was untergäriges Bier?

Der Unterschied zwischen ober- und untergärigem Bier liegt im Verhalten der Hefe beim Brauvorgang. Obergärig wird es, wenn die verwendeten Hefen zum Ende der Gärung nach oben steigen, untergärige Hefen setzen sich entsprechend am Boden des Gärtanks ab. Zu den obergärigen Bieren zählen Kölsch, Weizen- oder Altbier. Nur für obergärige Biere darf Weizen anstelle von Gerste verwendet werden. Obergärige Hefen sind zwar empfindlicher als untergärige, aber mit ihnen verläuft die Gärung deutlich schneller und ohne moderne Kühltechnik.

Wussten Sie, dass …

es Käse gibt, der nicht reift? Hierzu zählen z. B. Sauermilchkäsesorten wie Quark oder Feta, die durch Zugabe von Milchsäurebakterien entstehen.

der Name »Weißbier« sich nicht auf eine Farbe bezieht, sondern die bayerische Form von »Weizenbier« ist?

alkoholfreies Bier meist durch nachträglichen Entzug des Alkohols entsteht? Dieses enthält zwar noch bis zu 0,5 % Alkohol, was aber mit dem Alkoholgehalt von Fruchtsaft vergleichbar ist.

Malzbier einen Alkoholgehalt von 0,5–1 % hat und damit nur bedingt als Kindergetränk zu empfehlen ist?

Hefe beim Abbau von Zucker nicht nur Alkohol, sondern auch Kohlendioxid abgibt und deshalb zur Auflockerung von Backwaren verwendet wird?

die »Type« eines Mehls angibt, wie viel Milligramm Mineralstoffe pro 100 g Mehl enthalten sind? In 100 g »Type 405« befinden sich z. B. 405 mg Mineralstoffe.

Weinfässer während der Reife des edlen Getränks randvoll sein müssen, weil Luftkontakt den Geschmack spürbar beeinträchtigen würde?

Enthalten Lebensmittel Medikamente?

Alltägliche Nahrungsmittel, die Impfstoffe oder andere medizinisch wirksame Zusatzstoffe enthalten, gibt es zwar noch nicht zu kaufen, sie sind aber schon Gegenstand der Forschung. Möglich wird dies durch Änderungen im Erbgut von Pflanzen oder Tieren, wodurch diese pharmazeutisch wirksame Stoffe produzieren. Man verspricht sich davon eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit diesen Arzneimitteln und Impfstoffen. Kritiker verweisen darauf, dass Medikamente gezielt und nicht unbewusst mit dem täglichen »Butterbrot« eingenommen werden sollten.

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