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Normen und Werte: Leitlinien für die Gesellschaft

Warum darf der Mensch keinen anderen töten?

Die Tötung eines Menschen ist in den christlichen Gesellschaften ein schweres Delikt, das auf einer auf die Bibel zurückgreifenden Norm basiert.

Als Normen bezeichnet man in der Soziologie situationsbezogene Verhaltensregeln. Diese beruhen häufig auf den Wertvorstellungen, die in einer Gesellschaft gelten. Zu den Wertvorstellungen einer christlichen Gesellschaft gehören z. B. die Zehn Gebote. Sie dienen den meisten Mitgliedern dieser Gesellschaft als Richtlinie, die damit auch die Grundlage für die Entwicklung spezifischer Normen wie des Tötungsdelikts bildet.

Weshalb brauchen wir Normen und Werte?

Eine Gesellschaft funktioniert zu einem großen Teil nach spezifischen Wertvorstellungen und Normen. Der Mensch bzw. seine Handlungen erfahren durch sie eine gewisse Regelmäßigkeit, so dass er für andere berechenbar wird. Ein Individuum, das die in einer Gruppe geltenden Normen nicht akzeptiert, wird zu einem Außenseiter, dessen Verhalten in der Regel Sanktionen durch die übrigen Gruppenmitglieder nach sich zieht.

Müssen Normen immer befolgt werden?

Es gibt Normen, die befolgt werden müssen (Gesetze), andere, die befolgt werden sollen (Beispiel: in der Arbeitszeit keine privaten Dinge erledigen), sowie weitere, die befolgt werden können (Beispiel: in der Kirche nicht laut reden).

Normen werden von Gruppen oder Institutionen (Familie, Kirche, Schule) vermittelt. Wichtige Merkmale sind, dass sie für alle Gruppenmitglieder gelten und es die Möglichkeit geben muss, gegen sie zu verstoßen. In bestimmten Situationen können Normen manchmal nicht eingehalten werden – ein Mensch, der sich selbst verteidigt, kann dabei z. B. ungewollt gegen die Norm verstoßen, niemanden zu verletzen.

Wozu dienen eigentlich Sanktionen?

Sanktionen haben die Aufgabe, andere dazu zu bringen, sich an geltenden Normen zu orientieren. Sie richten sich bei Verstößen gegen denjenigen, der gegen die Norm verstößt und besitzen für diesen einen negativen Charakter – also den einer Strafe. Verstößt z. B. jemand im Straßenverkehr gegen eine geltende Tempobeschränkung, eine Norm, und die Polizei stoppt ihn, muss er ein Bußgeld entrichten (Sanktion).

Als Sanktionen sind auch solche Handlungen erlaubt, die unter anderen Umständen eigentlich Sanktionen nach sich zögen. Ein Beispiel: Jemanden einzusperren und ihn damit seiner Freiheit zu berauben, verstößt eigentlich gegen die gesetzlich garantierte Bewegungsfreiheit. Freiheitsentzug wird jedoch als Sanktion akzeptiert, wenn jemand eine schwere Straftat begangen hat und durch die Sanktion dazu gebracht werden soll, sich nach den geltenden Normen zu richten.

Wann ändern sich Normen und Werte?

Ein wesentlicher Grund für einen Normen- oder Wertewandel sind Änderungen in der Gesellschaft. Bekommt etwa eine gesellschaftliche Gruppe größeren Einfluss, werden sich viele geltende Normen nach und nach an die Normen dieser Gruppe anpassen. Verliert eine Gruppe an Einfluss in der Gesellschaft, werden auch manche ihrer Normen aufgegeben.

Ein Beispiel: Der Paragraf 175 Strafgesetzbuch (StGB), der seit 1871 in Deutschland zunächst homosexuelle Handlungen zwischen Männern im Allgemeinen und in seiner späteren Fassung sexuelle Handlungen zwischen über 18-jährigen Männern und unter 18-jährigen mit Freiheitsentzug bestrafte, wurde 1994 aufgehoben, da er in dieser Form nicht mehr zeitgemäß erschien. Denn mittlerweile waren homosexuelle Paare – zumindest bei der Mehrheit der Deutschen – gesellschaftlich anerkannt; die Norm hatte sich überlebt.

Müssen auch Bräuche beachtet werden?

Nicht unbedingt, denn Bräuche sind keine Normen, sondern nur Gewohnheiten, die in einer Gruppe, einer Gesellschaft oder einer Kultur üblich sind und von den Mitgliedern im Allgemeinen anerkannt werden. In Deutschland gibt es beispielsweise den Brauch des Händeschüttelns zur Begrüßung, in anderen Ländern begrüßt man sich hingegen mit einem Küsschen auf die Wange. Sind ortsübliche Bräuche jedoch sehr verfestigt, können durchaus negative Reaktionen, die Sanktionscharakter besitzen, die Folge sein. Bei Missachtung kann man leicht zum Außenseiter abgestempelt werden.

Wer legt Normen fest?

Normen werden in aller Regel von den Herrschenden festgelegt.

Herrschaft ist nach Max Weber (1864–1920), einem der Begründer der deutschen Soziologie, die Chance, eine Gruppe dazu zu bringen, jederzeit Gehorsam zu leisten. Von einer legitimen Herrschaft spricht man, wenn die Beherrschten die Befehle der Herrschenden und die Ausübung von Zwang, in manchen Fällen sogar von Gewalt akzeptieren, um die in der Gesellschaft geltenden Normen durchzusetzen (z. B. Einsatz physischer Gewalt bei der Ergreifung eines Schwerverbrechers).

Im Gegensatz zur Herrschaft sprechen die Soziologen von Macht, wenn jemand seinen Willen gegenüber einer oder mehreren Personen gegen deren Widerstand durchsetzen kann. In aller Regel umfasst Herrschaft zwar auch immer Macht, aber eine Person kann auch Macht über eine andere haben bzw. ausüben, ohne über sie zu herrschen.

Übrigens: Unter Autorität versteht man den sozialen Einfluss bestimmter Personen oder Gruppen, der ihnen von anderen zugesprochen wird. Dagegen ist Gewalt ein Mittel zur Durchsetzung von Herrschaft und Macht. Physischer und/oder psychischer Zwang tragen dazu bei, die geltenden Normen durchzusetzen. In modernen Gesellschaften hat der Staat das Gewaltmonopol: Allein er und seine Institutionen wie die Polizei sind unter bestimmten Bedingungen (z. B. bei Verstößen gegen geltendes Recht) befugt, innerhalb der staatlichen Grenzen Gewalt auszuüben.

Was versteht man unter Moral?

Der Begriff Moral bezieht sich auf die sittlichen Normen und Werte, die in einer Gesellschaft als verbindlich anerkannt sind. Moral beruht im Gegensatz zu Recht nicht auf Gesetzgebungsakten, sondern stützt sich weitgehend auf Überlieferung. Im Gegensatz zur Ethik, die ein Nachdenken über moralische Werte beinhaltet, werden diese von der Moral nicht hinterfragt, sondern als geltend vorausgesetzt.

Darf man sich an der Supermarktkasse vordrängeln?

Heute gehört es in unserer Gesellschaft zur Norm, sich an der Kasse im Supermarkt ans Ende einer Schlange anzustellen. Solche Normen sollen menschlichem Handeln eine gewisse Regelmäßigkeit verleihen und es auf diese Weise nachvollziehbar machen. So können sich die Menschen untereinander verständigen und sinnvoll agieren.

Was ist eigentlich ...

ein Tabu? Ein religiös oder rituell begründetes Verbot. Ein Tabu kann sein, den Gottesnamen auszusprechen oder bestimmte Speisen zu essen. Das Wort stammt ursprünglich aus Polynesien, wo es sich ebenfalls auf ein unbedingtes Verbot bestimmter Handlungen bezieht.

eine Sitte? Umgangssprachlich bedeutet Sitte soviel wie Brauch. Allerdings benutzen Soziologen das Wort auch, wenn sie von Normen reden, die aus den »guten« Sitten heraus begründet sind – es verletzt z. B. die sittlichen Normen, wenn jemand an eine Hauswand uriniert.

Tugend? Ursprünglich bedeutete Tugend die Bereitschaft zu sittlicher Gesinnung und sittlichem Handeln. Was jedoch früher als tugendhaft galt (z. B. keinen Geschlechtsverkehr vor der Ehe), gilt manchmal als überkommen: Als positive Tugenden bewertet werden heute Zivilcourage und Mut.

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