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Sokrates: Die Kunst des Fragens
Warum wurde Sokrates zum Tode verurteilt?
Man warf dem Athener Philosophen im Jahre 399 v. Chr. vor, durch seine Lehre die Jugend verdorben und nicht an die Götter geglaubt zu haben. Nach einem Prozess wurde er von der Mehrheit der etwa 500 Richter zum Tode verurteilt. Sokrates war damals wohl 70 Jahre alt, er hatte bis dahin alle Bürgerpflichten, insbesondere den Wehrdienst in drei Kriegen, vorbildlich erfüllt. Er lebte äußerst bescheiden, da er seinen erlernten Beruf als Bildhauer nicht ausübte, sondern sich ganz der Philosophie widmete. Sokrates selbst sah sich jedoch im Gegensatz zur Anklage als treuen Diener der Götter, insbesondere des Gottes Apollon, der ihn durch das Orakel von Delphi sogar selbst in seinem Tun bestärkt hatte. Denn als ein angesehener Bürger Athens einmal das apollinische Orakel befragte, ob irgendjemand weiser sei als Sokrates, bekam er zur Antwort: keiner. Sokrates selbst bildete sich indes nicht ein, besonders weise zu sein.
Welcher Methode folgte der Athener?
Sokrates übte sich in der Kunst des Fragens. Seine dabei angewandte Methode der »Ironie« bestand darin, die Argumente seiner Gegner so lange infrage zu stellen, bis sie sich in Widersprüche verwickelten oder ihren Standpunkt ad absurdum führten. Auf diese Weise brachte der unbestechliche Denker allerdings ein ums andere Mal die herkömmlichen Vorstellungen durcheinander.
Auch bei seiner Verteidigung vor Gericht ging Sokrates so vor. Er stellte infrage, dass es seinen Anklägern wirklich darum gehe, die Jugend Athens vor dem Verlust der traditionellen Wertordnung zu beschützen. In Wahrheit wollten sie laut Sokrates nur nicht eingestehen, »dass sie bloßgestellt werden als Leute, die vorgeben, etwas zu wissen, in der Tat aber nichts wissen«. Solchen nur vermeintlich weisen Menschen gegenüber ist tatsächlich derjenige weiser, der wie Sokrates erkennt: »Ich weiß, dass ich nichts weiß.«
Was lehrte der Philosoph die Menschen?
Er wollte der Stimme der Wahrheit Gehör verschaffen. Im Unterschied zu den so genannten Sophisten, die die Relativität jeglichen Wissens lehrten, wollte Sokrates nicht bei der Zertrümmerung des nur scheinbaren Wissens stehen bleiben. Die Aufhebung falscher Meinungen war für ihn nur die Voraussetzung dafür, um das »Erkenne dich selbst!« der Tempelaufschrift in Delphi zu befolgen. Wer dies ernsthaft versucht, der wird nach Sokrates in seinem eigenen Innersten ein Daimonion, ein »Göttliches«, finden, das ihm sagt, was er tun und welche falschen Handlungen er lassen soll – das Gewissen.
Übrigens: Sokrates verglich seine Philosophie mit der Hebammenkunst (Maieutik), die seine Mutter ausgeübt hatte: Der Philosoph kann seinen Schüler durch geschicktes Fragen bis an den Punkt heranführen, in der eigenen Seele die Wahrheit zu finden, die er im Grunde immer schon weiß. Die Einsicht in die wahre Tugend muss dann jeder selbst finden.
Was hinterließ Sokrates?
Sokrates hat kein einziges schriftliches Werk verfasst. Die Nachwelt weiß von seiner Lehre nur durch seine Schüler Xenophon und vor allem Platon. Einzig im persönlichen Gespräch glaubte Sokrates seine Umgebung dahin bringen zu können, sich dem Ruf des Daimonion zu öffnen. Diese Aufgabe betrachtete er allerdings als göttlichen Auftrag. Denn nur wer das Richtige kennt, vermag auch recht zu handeln. Umgekehrt war Sokrates ebenfalls davon überzeugt, dass es genauso unmöglich sei, das Rechte nicht zu tun, wenn man es einmal wirklich erkannt habe. Folgerichtig lehnte Sokrates, der den Gehorsam gegenüber den staatlichen Gesetzen als sittlich geforderte Tugend verstand, die ihm nach dem Todesurteil von Freunden angebotene Möglichkeit zur Flucht ab – obwohl er sich schuldlos fühlte – und trank schließlich im festen Glauben auf ein Leben nach dem Tod mit völligem Gleichmut den Schierlingsbecher.
Was war das Orakel von Delphi?
Im Apollontempel von Delphi befand sich nach dem Glauben der alten Griechen der »Nabel der Welt«, ein Marmorblock, der als Mittelpunkt der Erde galt. In unmittelbarer Nähe saß die Pythia, die Priesterin des Gottes Apollon, über einem Erdspalt, dem Luft entströmte, und wirkte als »Orakel«: Nach zukünftigen Ereignissen befragt, gab die Pythia Prophezeiungen kund, die meist zweideutig formuliert waren.
Wussten Sie, dass …
Sokrates mit seiner Frau Xanthippe drei Söhne hatte? Lamprokles, Menexenos und Sphroniskos. Sie waren bei seinem Tod alle noch nicht erwachsen.
der Dramatiker Aristophanes 423 in seiner Komödie »Die Wolken« Sokrates satirisch, ja verleumderisch darstellte? Er zeigte ihn als sophistischen Verdreher der Wahrheit und leistete damit den späteren Anklägern des Sokrates Schützenhilfe.
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