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Von Riesen und Zwergen: Pflanzen auf Rekordjagd
Welche Pflanze bringt die größte Blüte hervor?
Die Riesenblume (Rafflesia arnoldii), die im indonesischen Urwald wächst: Im Durchschnitt liegt der Blütendurchmesser bei etwa 90 Zentimetern. Tief verborgen in den schüsselartigen Kelchen erhebt sich eine Scheibe mit zapfenartigen Fortsätzen auf einer kurzen Säule. Rund um diese Säule reihen sich die Fortpflanzungsorgane. Frisch erblüht, lockt die Riesenblumenblüte Fliegen an, die zu den Fortpflanzungsorganen krabbeln und so den Blütenstaub übertragen. Nur sehr selten entwickelt sich aus den rar gesäten weiblichen Blüten auch einmal eine Frucht. Umschlossen von einer braunen, holzigen Schale, liegen unzählige kleine Samen in einem weichen, öligen Fruchtfleisch eingeschlossen. Auf welche Weise allerdings diese Samen verbreitet werden, ist bis heute das Geheimnis der Riesenblume geblieben.
Übrigens: Riesenblumen leben weitgehend unter der Erde. Denn sie sind Schmarotzer, die mit einem Geflecht aus spross- oder wurzelartigen Achsen die Wurzeln von Holzgewächsen durchdringen. Diese Achsen saugen aus den Wirtswurzeln alles heraus, was Rafflesia arnoldii zum Wachsen und Gedeihen benötigt. Damit braucht sie weder grüne Blätter für die Fotosynthese noch ein eigenes Wurzelwerk zur Aufnahme von Wasser und Nährstoffen.
Wer stellt den Zwerg im Pflanzenreich?
Die Kleinsten der Kleinen im Reich der Pflanzen sind unter den Zwergwasserlinsen (Gattung Wolffia) zu finden. Die erst 1980 beschriebene australische Wolffia angusta könnte durch ein Nadelöhr schwimmen oder fände bequem im hier gedruckten Buchstaben »o« Platz, so winzig ist sie. Höchstens einmal 0,6 Millimeter lang und 0,3 Millimeter breit werden ihre Körper – Blätter und Wurzeln besitzt sie gar nicht mehr. Mit 0,00015 Gramm ist sie wahrlich ein Superfliegengewicht. Nur ganz selten bildet sie Früchte, die unvorstellbar winzig sind und lediglich 0,00007 Gramm wiegen.
Die auch in mitteleuropäische Gewässer eingeschleppte Wurzellose Zwergwasserlinse (Wolffia arrhiza) kann man mit 0,8 Millimetern Wuchsgröße – das entspricht etwa einem Stecknadelkopf – schon fast wieder als Riese unter den Liliputanern bezeichnen.
Was zeichnet die Wasserfalle aus?
Vorderhand ihre Schnelligkeit. Die Wasserfalle (Aldrovanda vesiculosa) gehört zu den Fleisch fressenden Pflanzen und geht ähnlich wie die bekanntere Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) auf Beutefang: Die wurzellose, nur etwa 15 Zentimeter große Wasserpflanze schnappt sich kleine Tierchen in seichten Gewässern, indem sie ihre Blätter über der Beute zusammenschlägt. Die hierfür notwendige Bewegung führt sie in weniger als 0,1 Sekunden aus: das ist die schnellste Bewegung, die bisher im Pflanzenreich beobachtet wurde. Verantwortlich dafür sind Druckschwankungen in den Zellen der Pflanze.
War die Jagd der flinken Pflanze erfolgreich, scheiden Drüsen Verdauungsenzyme aus und der Abbau der tierischen Proteine beginnt. So kommt die Wasserfalle zu den Nährstoffen, die dem Wasser fehlen.
Übrigens: Aldrovanda vesiculosa ist sehr selten und gehört zu den bedrohten Arten Europas. Wenn sie nicht blüht, lebt sie völlig untergetaucht. Ihren Fortbestand sichert sie durch Winterknospen, die den Nahrungsvorrat enthalten. Die Knospen lösen sich von der Mutterpflanze und überwintern auf dem Grund des seichten Sees oder Teichs. Im Frühjahr entstehen aus ihnen neue Pflanzen.
Welche Pflanzen gehen mit Fallen auf Beutefang?
Einige Fleisch fressende Pflanzen. Sie haben äußerst raffinierte und vielfältige Fangmethoden entwickelt: Venusfliegenfallen (Dionaea) beispielsweise töten mit Klappfallen, die wie Fangeisen über der Beute zusammenschlagen. Leimkräuter (Pinguicula) und Sonnentau (Drosera) fangen Insekten mit ihren klebrigen Blättern und Tentakeln, an denen die Opfer wie an Leimruten hängen bleiben. Der Wasserschlauch (Utricularia) saugt die Beute durch eine Falltüre in seine Fangblasen hinein. Und die Blätter der Schlauchpflanze (Sarracenia) sind zu einer Rosette aus Trichtern umgebaut, in denen Wachsbeschichtungen und nach unten gerichtete Haare dafür sorgen, dass die Beute nicht entkommt.
Fleisch fressende Pflanzen gibt es überall – manche wachsen auf Bäumen, andere in Mooren, wieder andere leben in Gewässern. Meist sind die Standorte mineralienarm und sauer, bieten dafür aber genügend Licht und Wasser. Beides brauchen die Pflanzen zur Fotosynthese. Denn auch Karnivoren erzeugen mithilfe von Chlorophyll und Sonnenlicht Stärke und Zucker. Die Energie brauchen sie, um überhaupt Insekten fangen und anschließend verdauen zu können. Was ihnen der nährstoffarme Boden nicht bietet, vor allem Stickstoff, besorgen sie sich eben anderweitig über Insekten und andere Kleintiere.
Wessen Blätter werden mehrere Meter lang?
Diejenigen von Welwitschia mirabilis. Diese eigenartige Pflanze, die in der Namibwüste heimisch ist, bildet nur zwei riemenförmige, fleischige, derbe »Laubblätter«, die allerdings mehrere Meter lang werden können und in Teilen auf dem Boden liegen. Sie entspringen einem stark gestauchten, rübenförmigen verholzenden Stamm mit bis zu einem Meter Durchmesser. Die Blätter zerschlitzen mit der Zeit – das bedeutet bei Welwitschia rund 1000 Jahre, vielliecht sogar 2000 Jahre! – so stark, dass es aussieht, als seien es wesentlich mehr als zwei. Schließlich erscheint noch eine dritte Blattgeneration, nämlich zwei Schuppenblätter am Sprossscheitel.
Männliche wie weibliche Pflanzen bringen zapfenförmige, rötliche Blütenstände hervor, wobei die männlichen deutlich kleiner sind. Mit tief reichender Pfahlwurzel, weit streichenden Seitenwurzeln nahe der Erdoberfläche, verdunstungshemmendem Blattaufbau sowie wasserspeicherndem Stamm ist Welwitschia bestens an die Wüste angepasst.
Welche Pflanze produziert rekordverdächtige Früchte?
Die Meerbohne oder Riesenhülse (Gattung Entada). Die im tropischen Afrika und Asien sowie auf den Pazifischen Inseln beheimatete Kletterpflanze bildet Hülsen von bis zu zwei Metern Länge und 15 Zentimetern Breite aus. Diese springen nicht entlang einer Naht auf, wie dies etwa bei Bohnen oder Erbsen der Fall ist, sondern entlassen die Samen, indem einzelne Glieder aus dem Rahmen herausfallen. In Form und Größe ähneln die Samen einer Taschenuhr. Sie werden oft mit dem Meer über weite Strecken verfrachtet. So reisen etwa die Samen der Art Entada gigas mit dem Golfstrom von Mittelamerika und aus der Karibik bis an europäische Küsten. Sogar an den Stränden der Inselgruppe Nowaja Semlja im nördlichen Eismeer hat man sie schon gefunden.
Gibt es Pflanzen ohne Wurzeln und Blätter?
Ja, obwohl man zunächst vermutet, dass die drei Grundorgane Wurzel, Blatt und Spross mit ihren Funktionen einer Pflanze das Leben erst ermöglichen. Doch gibt es Arten, die auch existieren können, wenn das ein oder andere Teil fehlt. Manche etwa entwickeln überhaupt keine Wurzeln. Eine Gruppe von Tillandsien oder Luftnelken (Gattung Tillandsia) nennt man sogar Wurzellose. In den Küstenwüsten Chiles und Perus überziehen die grauen Tillandsien den Boden, ohne sich darin zu verankern; man kann sie abheben wie einen Teppich vom Parkett. Sie decken ihren Feuchtigkeits- und Nährstoffbedarf allein aus dem Nebel, der vor allem im Winter an ihren Blättern kondensiert und über spezielle Schuppenhaare aufgenommen wird.
Blattlos zeigt sich manche Pflanze selbst dann, wenn sie mitten im besten Wachstum steht, also nicht nur beim Absterben. So scheinen etwa Herbstzeitlose (Gattung Colchicum) ohne Blätter zu gedeihen, ihre Blüten stehen tatsächlich völlig nackt. Aber im nächsten Frühjahr erscheint dann wieder das Laub.
Wo wächst die giftigste Pflanze Europas?
In vielen Gärten, denn es ist der Blaue Eisenhut (Aconitum napellus). Mit dem Alkaloid Aconitin enthält er eines der stärksten bekannten Pflanzengifte. Bereits beim Pflücken können Giftstoffe über die Haut in den Körper eindringen und schwere Entzündungen verursachen. Schon der Verzehr eines Blatts oder Samens kann fatale Folgen haben, denn die Inhaltsstoffe, insbesondere das Aconitin, wirken unter Umständen tödlich, es kommt bei vollem Bewusstsein zu Atemlähmung oder Herzversagen. Früher setzte man starke Verdünnungen medizinisch ein, z. B. als lokale Betäubungsmittel. Heute wird Eisenhut nur noch in der Homöopathie verwendet, wo er eine große Rolle bei der Blutstillung spielt.
Dem Aconitin sehr ähnliche Substanzen kommen übrigens in Ritterspornen (Gattung Delphinium) vor, zeigen indes nicht dessen hochgiftige Wirksamkeit. Eine Ausnahme bilden jedoch die Samen von Delphinium staphisagria, die Stephanskörner oder Läusesamen genannt werden. Sie rufen ebenfalls heftige Symptome hervor und können in geringer Konzentration zum Tod führen. Dennoch hat man sie lange Zeit als Mittel gegen die durch Milben hervorgerufene Krätze eingesetzt.
Wussten Sie, dass …
Pflanzen unter Wasser jagen? Die Blätter des Wasserschlauchs (Gattung Utricularia) tragen bis zu fünf Millimeter große Fangbläschen, die als Saugfallen funktionieren und so kleine Wassertiere fangen.
es einen Eier legenden Baum gibt? Es ist der Ginkgo (Ginkgo biloba), dessen Frucht tatsächlich wie ein Ei aufgebaut ist: außen harte Schale, erfüllt von Nährgewebe, im Inneren der Embryo.
Wer ist als Unkraut gefürchtet?
Die Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes). Innerhalb kürzester Zeit kann sie sich explosionsartig vermehren und ausgedehnte Wasserflächen komplett mit einem undurchdringlichen, derart dicht verwobenen grünen Teppich abdecken, dass man darauf sogar über das Wasser laufen kann. Unter der Matte jedoch stirbt alles Leben im Gewässer und in ihr finden Malariamücken ideale Brutplätze. Der Fischfang wird unmöglich, Reisfelder werden erstickt, Bewässerungsanlagen verstopft, Kraftwerke lahm gelegt, die Schifffahrt blockiert. Die aggressiven Pflanzen verursachen weltweit in tropischen Ländern immense Probleme. Man kann sie noch nicht einmal als Viehfutter nutzen, weil sie nicht nur intensiv Nährstoffe aufnehmen, sondern auch Schadstoffe aller Art. Der Einsatz von Giften half ebenso wenig wie das Abfischen, selbst Spezialerntemaschinen oder der Großeinsatz von Militär konnten die Wasserhyazinthenbestände höchstens kurzzeitig etwas lichten.
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