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Eissport

Richard Steiger

Mutter des Wintersports

"Schaden bringst, Winter, du uns überall
Felder und Wälder sind beide nun kahl
Früher war dorten manch' lieblicher Hall"

Leider steckte der Wintersport zur Zeit Walthers von der Vogelweide noch in den Kinderschuhen, sonst hätte sich der Meister der Minne wohl eine andere Meinung über die kalte Jahreszeit gebildet.

Das 16. Jahrhundert erst machte mit der Erfindung des Metallschlittschuhs den Eissport als Mutter des modernen Wintersports für die breite Masse populär. Dabei gehört die Fortbewegung auf dem Eis zu den ältesten sportlichen Errungenschaften der Menschheit mit dem Unterschied, dass der Balanceakt vor 6000 Jahren auf geschliffenen Tierknochen stattfand. Wie das Skifahren anfänglich rein praktischen Gesichtspunkten untergeordnet, entwickelte das Gleiten auf dem Eis zu Beginn der Neuzeit eine sportliche Eigendynamik, lange bevor die ersten Skitouristen die Berge stürmten. Die kalten Tage, und das ist das Bemerkenswerte an dieser Entwicklung, wurden somit zum Zeitvertreib, zum Vergnügen genutzt, der Winter hatte seine lebensfeindliche, todbringende Fratze abgelegt.

Der Schlittschuh als Kulturgut? Ja, mehr noch, als Symbol einer neu gewonnenen Freude am Körper, an der Bewegung. Wenn selbst Goethe und Klopstock den Schlittschuh in Elegien und Sonetten priesen, wer wollte da schon gerne abseits stehen?

Und wer heute das Eis nicht alles sein Element nennt! "Prinzessinnen", die schwebend der Schwerelosigkeit entgleiten und Raufbolde, die im Kampf um einen kleinen Hartgummipuck alle guten Sitten vergessen. In Ganzkörpergummis verpackte, scheinbar geschlechtslose Wesen, die mit 50 Sachen ihre Runden auf dem Eis drehen und gemütliche ältere Herren, die ab und an zwischen Glühwein und Stammtischtratsch eine runde Scheibe über das Eis gleiten lassen.

Apropos Eisstockschießen. An seiner modernen Weiterentwicklung, dem Curling, scheiden sich nicht nur die olympischen Geister. Eishockey, die schnellste und spektakulärste Mannschaftssportart, Eistanz und Short Track, der Eisschnelllauf im direkten Vergleich mehrerer Starter auf einer engen Bahn - alles schön und gut. Aber seit die Herren und Damen mit den Besen in Nagano 1998 die olympische Eisbahn betreten durften, herrschen angeregte Diskussionen über Sinn und Unsinn des olympischen Programms. Dabei wird es das Beste sein, dieser neuen Art des Eissports auf die gleiche Weise zu begegnen wie dem gesamten Spitzensport unserer Zeit: Mit einem Lächeln.

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