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Faktencheck als Mittel gegen Desinformation?

Vor allem in Pandemiezeiten ist verlässliche Information wichtig, doch im Internet stößt man schnell auf falsche Behauptungen. Sie tragen zur Desinformation bei, weil viele Menschen sie nicht als unwahr erkennen. Abhilfe schaffen sollen Faktenchecker – spezielle Teams oder Webseiten, die gezielt den Wahrheitsgehalt der Aussagen untersuchen und sie als falsch entlarven. Doch was bringen solche Faktenchecks?
JFR, 16.02.2022

Vor allem in Pandemiezeiten ist verlässliche Information wichtig, doch im Internet stößt man da schnell auch auf falsche Angeben.

GettyImages, tommaso79

Vor allem über soziale Netzwerke und Messengerdienste wie Telegram werden falsche Informationen von Personen mit allen möglichen Hintergründen verbreitet. Die Desinformationen betreffen zum Beispiels die Wirksamkeit der Corona-Schutzimpfung oder der Corona-Maßnahmen. Wie viele solcher Falschaussagen oder "alternativen Fakten" im Umlauf sind lässt sich schwer beziffern, doch allein Donald Trump traf in seinen vier Jahren Amtszeit nach einer Erzählung der Washington Post 30.573 unwahre Aussagen - die meisten davon betrafen die Corona-Pandemie.

Dass diese falschen Aussagen trotz Korrekturen von allen Seiten langfristige Konsequenzen haben, zeigt der sogenannte Falschinformationseffekt. Der ist in der Psychologie etwa seit den 1990er Jahren bekannt und beschreibt, dass falsche Informationen den Menschen trotz späterer Richtigstellung länger im Gedächtnis bleiben. "Selbst wenn die betroffenen Personen die neue, korrigierte Information glauben, bleibt die ursprüngliche Information bei späteren Abfragen präsenter, da sie in die Wissensstrukturen plausibel eingebaut wurde.", erklärt Sozialpsychologin Nicole Krämer von der Universität Duisburg-Essen.

Daten aus den USA, Großbritannien und Kanada

In einer neuen Studie haben Wissenschaftler die Wirkung von Faktenchecks auf die Falschwahrnehmung im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal genauer untersucht. Die Autoren haben Studienteilnehmende in den USA, Kanada und Großbritannien in mehreren Runden befragt. Sie legten dabei verschiedenen Gruppen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Artikel mit Faktenchecks zu falschen Covid-19-Aussagen oder Placebo-Artikel ohne Zusammenhang zu den Falschbehauptungen vor. Die Faktenchecks entlarvten dabei zum Beispiel die falschen Behauptungen, dass Antibiotika gegen Covid-19 helfen oder dass Covid-19 eine chinesische Biowaffe ist.

Vor und nach dem Lesen dieser Artikel ließen die Forschenden die Teilnehmenden wahre und falsche Aussagen zu Covid-19 bewerten. Anschließend überprüften sie, ob das Lesen eines Faktencheck- Artikels einen positiven Eindruck auf die Falschwahrnehmung hinterließ.

Faktenchecks besonders wirksam bei "anfälligen" Personen

Die Ergebnisse: Befragte, die zuvor die Faktenchecks zum Lesen bekommen hatten, erkannten die darin thematisierten Falschbehauptungen auch im Nachhinein häufiger als falsch. Interessanterweise erwiesen sich diese Faktenchecks als besonders wirksam bei den für Falschinformationen anfälligsten Personen – Menschen, denen es besonders schwerfällt, verlässliche Aussagen und Quellen von unseriösen und falschen zu unterscheiden.

Die Forschenden stellten allerdings fest, dass sich der beobachtete Effekt nicht auf die Wahrnehmung von anderen falschen Behauptungen übertrug – die Meinung der Befragten änderte sich nur zu den konkreten Themen, die der Faktencheck behandelte. Weiterhin beobachteten sie, dass die verbesserte Erkennung von Informationen aus unseriösen Quellen nur wenige Wochen anhielt. In ihrem Experiment gaben sie den Teilnehmenden nach einigen Wochen denselben Faktencheck noch einmal zu lesen. Doch das erneute Lesen des Faktencheck führte nicht zu einer länger anhaltenden kritischen Betrachtung der Falschinformationen. 

Studien zur Langzeitwirkung von Faktenchecks notwendig

Ob das wiederholte Lesen von Faktenchecks tatsächlich nicht zu einer längerfristigen Sensibilisierung gegenüber fragwürdigen Informationen und Quellen führt, ist aber noch nicht eindeutig geklärt. Denn wie die Wissenschaftler erklären, könnte dies auch von der Art der Faktenschecks abhängen: "Wenn ein zweiter Widerlegungstext noch mehr Argumente oder erklärende Details geben würde, würde dieser wahrscheinlich eine längerfristige positive Wirkung haben.", erklärt Sabine Kessler von der Universität Zürich.

Dennoch legt das Experiment nahe: Faktenchecks können auf jeden Fall eine positive Wirkung haben auf Personen, die zuvor der falschen Behauptung glaubten. Dieses Ergebnis macht Hoffnung für alle, die der Desinformation im Internet den Kampf angesagt haben.

"Vorherige Studien zeigten, dass die korrigierende Information nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie an die bestehenden Wissensstrukturen so gut andockt, dass die alte (falsche) Information dann doch langfristig überschrieben wird.", ergänzt Krämer. Dies sei auch für Journalisten beim Umgang mit Falsch- und Desinformationen wichtig zu beachten.

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