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Faktencheck: Das iranische Atomprogramm
Das iranische Atomprogramm hat seinen Ursprung bereits in den 1950er Jahren. Die damalige pro-westliche Regierung des Landes startete mit Hilfe der USA ein ziviles Nuklearprogramm, Ziel sollte es sein, künftig Kernenergie zur Stromerzeugung zu nutzen. Im Rahmen des Programms schenkten die USA dem Iran zwei Forschungsreaktoren. Der damalige Herrscher Schah Mohammed Reza Pahlavi unterzeichnete den 1970 in Kraft getretenen Atomsperrvertrag, dessen Unterzeichner sich dazu verpflichten, keine Kernwaffen herzustellen oder zu verbreiten. Er unterhielt zudem wirtschaftliche und sicherheitspolitische Beziehungen zu Israel.
Wie der Konflikt begann
Mit dem Sturz des Schahs 1979 und der Islamischen Revolution endeten die guten Beziehungen des Irans zu Israel und den USA jedoch. Im Jahr 2002 enthüllten westliche Geheimdienste und eine iranische Oppositionsgruppe die Existenz einer geheimen Urananreicherungsanlage in Natanz. Obwohl der Iran abstritt, Uran für den Bau einer Atombombe anzureichern, befürchteten ausländische Regierungen und Experten genau solch eine Absicht.
Nach Verhandlungen zwischen dem Iran und westlichen Mächten – darunter den USA und Deutschland – wurde im Jahr 2015 mit der sogenannten Wiener Nuklearvereinbarung ein Abkommen zum iranischen Atomprogramm beschlossen. In diesem sicherte der Iran zu, seine nuklearen Aktivitäten kontrolliert herunterzufahren, im Gegenzug sollten Sanktionen gegen den Iran schrittweise aufgehoben werden. Doch 2018 äußerte der israelische Premierminister Netanjahu Zweifel daran, dass der Iran das Atomabkommen einhielt. Stattdessen gebe es Hinweise darauf, dass das Land weiterhin an der Vorbereitung von Atomwaffen arbeite. Zu dieser Zeit kündigte US-Präsident Donald Trump die Wiener Nuklearvereinbarung auf – das Abkommen war damit hinfällig.
Wozu dienen die iranischen Atomanlagen?
In den iranischen Atomanlagen Natanz und Fordo wird Uran angereichert. Diese Anreicherung soll den Anteil des Isotops U235 im Uran erhöhen – es ist das einzige Uran-Isotop, das zu einer nuklearen Kettenreaktion fähig ist. In natürlich vorkommendem Uran sind jedoch nur etwa 0,7 Prozent Uran-235 enthalten. Um diesen Anteil zu erhöhen, werden Gaszentrifugen eingesetztt, in die gasförmiges Uranhexafluorid eingeleietet wird. Durch die rasend schnelle Rotation der Zentrifugen sammeln sich die schwereren U238-Atome an der Außenwand, während die leichteren U235-Isotope in den inneren Bereich der Zentrifuge wandern. So können die Isotope getrennt entnommen werden.
Ab einem Anreicherungsgrad von typischerweise 85 Prozent kann das Uran-235 für Atomwaffen verwendet werden. Für Atomreaktoren muss das Uran ebenfalls angereichert werden, allerdings deutlich weniger stark: Für Kernbrennstoffe ist nur ein Anteil von drei bis fünf Prozent Uran-235 nötig. Doch der Iran reichert das Uran laut Angaben israelischer Geheimdienste zurzeit auf 60 Prozent an – für die Nutzung in einem Kernkraftwerk, womit die Regierung die Anreicherung begründet, wäre dies aber unnötig.
Der Stuxnet-Fall: Cyberangriff auf Natanz
Die unterirdisch gelegene Urananreicherungsanlage in Natanz war schon einmal Ziel von Angriffen – allerdings nicht mit Bomben. 2010 wurde ein Schadprogramm in den Steuersystemen der iranischen Urananreicherungsanlagen entdeckt, das bereits spätestens Ende 2007 eingeschleust worden sein muss. Da die Steuerungstechnik der Anlagen nicht mit dem Internet verbunden ist, muss eine Person den Computerwurm in die Anlage gebracht haben. Wer genau den Computerwurm entwickelt hat, ist jedoch unklar. Experten vermuten aber eine Zusammenarbeit von Israel und den USA hinter dem Cyberangriff.
Das Stuxnet genannte Schadprogramm manipulierte die Drehgeschwindigkeit der Gaszentrifugen und führte zu Schäden an den Anlagen. Schätzungen zufolge wurden durch den Computerwurm 1.000 bis 9.000 in Natanz befindliche Zentrifugen unbrauchbar gemacht. Im Jahr 2021 soll es laut der iranischen Regierung eine weitere Cyberattacke durch den israelischen Geheimdienst Mossad auf Natanz gegeben haben. Ein Feuer in der Anlage ein Jahr zuvor soll ebenfalls das Ergebnis einer Sabotageoperation gewesen sein.
Könnte der Iran eine Atombombe bauen?
Wie nah genau die iranische Regierung dem Bau einer Atombombe ist, ist ungewiss. Am 12. Juni 2025 erklärte die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) zum ersten Mal seit 20 Jahren, dass der Iran gegen seine Nichtverbreitungsverpflichtungen von Kernwaffen verstößt. Laut der IAEA besitzt der Iran etwa 409 Kilogramm zu 60 Prozent angereichertes Uran – das könnte für zehn Atombomben ausreichen. Dieser Vorrat habe sich seit Februar um etwa 134 Kilogramm vergrößert. Zudem vermutet die IAEA an drei von ihr beobachteten Standpunkten im Iran geheime nukleare Aktivitäten mit Materialien, die der Staat nicht der IAEA gemeldet habe.
„Nach Einschätzung der US-Geheimdienste verfügt Teheran zwar über die Fähigkeit, irgendwann Atomwaffen herzustellen, hat jedoch sein Atomwaffenprogramm eingestellt und beherrscht noch nicht alle für den Bau solcher Waffen erforderlichen Technologien“, erklärte hingegen der US-amerikanische Kongress nach einer Untersuchung. Andererseits warnt Israel schon seit mehr als 20 Jahren vor einer „unmittelbar bevorstehenden Fähigkeit des Iran, Atomwaffen zu bauen“ – bisher erwiesen sich diese Warnungen als voreilig. Wer Recht hat und wie weit das iranischen Atomwaffenprogramm tatsächlich fortgeschritten ist, bleibt daher offen.
Hat Israel Atombomben?
Israel hat den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet – genauso wie Indien, Pakistan und der Südsudan. Die Regierung hat den Besitz von Atomwaffen nie offiziell bestätigt, zählt jedoch zu den faktischen Atommächten. Indien und Pakistan hingegen besitzen solche Waffen offiziell.