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Gibt es Orte ohne Leben auf der Erde?
Das Leben ist auf unserem Planeten allgegenwärtig: Ob im heißen, trockenen Wüstensand oder in den eiskalten Gletschern und subglazialen Seen der Polargebiete, ob in den Höhen der Gebirge oder dem Grund des Marianengrabens – überall sind bislang lebende Organismen nachgewiesen worden. Selbst in giftigem Vulkangas, in sauren und schwermetallhaltigen Gewässern oder in kilometertiefem Gestein existieren noch Bakterien oder die urtümlicheren Archaeen.
Äthiopien: Kein Leben in den Dallol-Tümpeln
Auf der Suche nach einem Ort ohne irdisches Leben haben vor einigen Jahren Jodie Belilla von der Universität Paris-Saclay und ihr Team einen Ort untersucht, der zu den extremsten der Erde gehört: die Dallol-Tümpel in der äthiopischen Danakil-Senke. Diese von vulkanischen Quellen und Gasen geprägten Tümpel sind teilweise mehr als 100 Grad heiß, sind extrem sauer und haben Salzgehalte von bis zu 70 Prozent. Eine solche Kombination lebensfeindlicher Bedingungen könnte, so die Vermutung des Forschungsteams, selbst anpassungsfähige Mikroben überfordern.
Ob das so ist, überprüften die Wissenschaftler, indem sie Wasserproben aus den heißen Tümpeln mit Mikroskopen, chemischen Analysen und Gentests untersuchten. Tatsächlich fanden sie trotz intensiver Suche keine Hinweise auf aktives Leben. „Unsere Ergebnisse sprechen stark dafür, dass es kein aktives mikrobielles Leben in den salzigen, heißen und hypersauren Tümpeln gibt und auch nicht in den benachbarten magnesium-reichen Salzseen“, berichtete das Team. Dies bestätigt, dass es auch auf der sonst so lebensfreundlichen Erde tote, völlig sterile Orte gibt – Kombinationen von Umweltbedingungen, die selbst die härtesten Extremophilen nicht mehr vertragen.
Antarktis: Eisige Höhen ohne Mikroben
Einen zweiten Ort ohne Leben könnte ein Forschungsteam um Nicholas Dragone von der University of Colorado in Boulder entdeckt haben – buchstäblich am Ende der Welt. Denn für ihre Studie reisten die Forschenden in die Antarktis – den ohnehin schon lebensfeindlichsten Kontinent der Erde. Dort entnahmen sie Proben von eisfreien Böden in der Shackleton Range, einem Gebirge in der Ostantarktis. Der Untergrund dort ist stark salzig, enthält kaum organisches Material und liegt seit zehn bis zwei Millionen Jahren trocken.
Es zeigte sich: Während in den unteren Lagen des eisigen Gebirges noch Mikroben im Boden vorhanden waren, konnte das Forschungsteam weiter oben, in rund 2.221 Meter Höhe, keine Spuren aktiven Lebens mehr finden. Kulturversuche schlugen fehl, Gentests wiesen keine DNA von Mikroorganismen nach und auch chemische Tests auf typische Stoffwechselprodukte lebender Zellen wurden nicht fündig.
„In einigen der Proben konnten wir keine Mikroorganismen nachweisen – egal welche Methode wird verwendeten“, berichten Dragone und sein Team. „Wir sagen damit nicht, dass wir sterile oder tote Böden gefunden haben. Aber unser Unvermögen, in ihnen Mikroben oder mikrobielle Aktivität nachzuweisen, deutet darauf hin, dass diese Bodenoberflächen eine Grenze für das Leben und die Aktivität von Mikroorganismen darstellen.“ Das Forschungsteam vermutet, dass diese hohen, eisfreien Böden der Antarktis einer der sehr wenigen Orten auf unserem Planeten sind, die nicht von Organismen besiedelt wurden.
Bedeutung auch für außerirdisches Leben
Zusammengenommen legen diese beiden Orte nahe, dass sich lebende Zellen durchaus an einige Extreme anpassen können. Wenn sie einzeln vorkommen, sind ein hoher Salzgehalt, eine extrem hohe oder niedrige Temperatur oder auch eine saure oder stark basische Umgebung durchaus etwas, mit dem einzelne Organismen klarkommen. Erst in der Kombination überfordern diese Extrembedingungen dann selbst die widerstandsfähigsten und hartnäckigsten Mikroben.
Bedeutung hat dies nicht nur für unser Wissen über das Leben auf der Erde, sondern auch für die Suche nach Leben im All. Denn bisher ist offen, ob es auf manchen Exoplaneten oder sogar in den Salzlaugen des Mars oder dem subglaziale Ozean des Jupitermonds Europa nicht vielleicht doch außerirdische Lebensformen gibt. Bisher galt als eine der Hauptbedingungen für lebensfreundliche Bedingungen die Präsenz flüssigen Wassers und entsprechende Temperaturen.
Doch die Tümpel von Dallol belegen, dass selbst flüssiges Wasser unter bestimmten Umständen lebensfeindlich sein kann. Und die gefrorenen Böden des antarktischen Gebirges zeigen, dass das anderer Extrem – Kälte und Trockenheit – ebenfalls nicht sonderlich günstig für Leben ist. "Wir erwarten daher nicht, dass es extraterrestrisches Leben in ähnlich extremen Umgebungen geben kann – zumindest nicht Leben, das auf einer Biochemie ähnlich der irdischen beruht", sagen die Wissenschaftler.